Allgäuer Trophäen: Mit einer Sieger-Milchkanne im Gepäck konnte sich Tom Candussi aus Graz auf den Heimweg machen. Der Zweitplatzierte Lars Ruppel bekam eine XL-Packung Spätzlesmehl. Unser Vorschaubild zeigt die sechs Slam-Poeten (v.li.): Tom Candussi, Lars Ruppel, Sara Louisa Heim, Der Mo, Ezgi Zengin und Barbara Gerlach zusammen mit Schauspielerin Miriam Haltmeier (3.v.re.), Songwriterin ANNA (rechts) und Ringrichter Flo (links im Bild). Fotos und Galerie: amxfoto@gmx.de
Memmingen
(as). Sechs Poet/innen und eine Schauspielerin sorgten beim Poetry Slam „Vorsicht Dichter“ im Rahmen der
Memminger Meile für einen an- und aufregenden Abend. Am Ende setzte sich der erfolgreiche Sprachakrobat Tom
Candussi aus Graz in einem spannenden Stechen gegen den zweifachen deutschen
Meister Lars Ruppel durch.
Der Andrang des vorwiegend jüngeren Publikums beim Poetry Slam im Memminger Kulturzentrum Kaminwerk war so groß, dass noch zusätzliche Stühle aufgestellt werden mussten.
In einem spannenden Dichterwettstreit boten die sechs Slam-Poeten Lars Ruppel, Ezgi Zengin, Sara Louisa Heim, Der Mo, Tom Candussi, Barbara Gerlach dem Publikum ein überaus breites Spektrum der Slamkunst. Durch das Programm führten die Ringrichter Bernd Scheiter und Florian Frasch. Ihnen zur Seite standen bzw. saßen fünf Freiwillige aus dem Publikum als Jury.
Schwer zu vergleichen
Das „Opferlamm“: Vöhlin-Schüler Kevin Schuster musste für den Probelauf herhalten. Mit seinem Beitrag außer Konkurrenz erzielte er eine gute Punktezahl.
Die Slammer hatten jeweils sechs Minuten Zeit, das Publikum zu beeindrucken mit Lyrik, Prosa oder Rap. Der Vergleich fiel dabei schwer, denn die Beiträge waren sowohl thematisch als auch vom Sujet her sehr unterschiedlich, zumal in einigen von ihnen die Sprache selbst zum Gegenstand verspielter Betrachtung wurde.
Leichtfüßig,
unterhaltsam und doch tiefsinnig waren die Texte, welche die Slammer im Gepäck
hatten. Auf einen „Erotik-Slam“ voller Hindernisse folgte die drogenoptimierte
Suche nach dem Sinn des Lebens sowie Betrachtungen über das Älterwerden. „König
Schneehofer“ wurde als frostiger Herrscher kurz vorm „Schnexit“ präsentiert.
Lautmalerischer „Schizophonetik ohne Anspruch auf Sinnhaftigkeit“ folgte eine
Ode an die Sprache.
Mut zur Lücke
Von absurdem
Witz waren die Leipogramme (Texte, die bewusst auf bestimmte Buchstaben
verzichten) des Slam-Siegers Tom Candussi. Er bewies Mut zur Lücke: Mit einem
Text, der schilderte, wie die Bewohner eines Dorfes ins Gespräch kamen, nachdem
verschiedene Konsonanten daraus emigriert waren, siegte Tom Candussi im Finale
über seinen Konkurrenten, den zweifachen deutschen Meister und Vollzeit-Slammer
Lars Ruppel. In der Vorrunde hatte Ruppel mit seiner Geschichte „Die Kuh auf dem
Eis“ um einen Punkt vor ihm gelegen.
„Döner gegen Bratwurst“
Viel Applaus bekam auch die Münchner Songwriterin ANNA für ihre bluesige Umrahmung der Runden im Ring.
Lars Ruppel, der 30 Lehrer, Schüler, Azubis und Studenten am Nachmittag in einem Workshop unterrichtet hatte, präsentierte
im Finale eine modernisierte Version von Theodor Storms "John
Maynard". Held ist auch hier ein Steuermann, nämlich der Berliner
S-Bahnfahrer "Mike Lübke". Die Ausdünstungen eines öffentlich
gegessenen Döners stehen für eine „Islamisierung des Atems“. „Döner gegen
Bratwurst“ - Ausländerfeindlichkeit ist
eines der großen Themen Ruppels. Die Beilage zum Döner erhielt er in Memmingen in Form des 2. Preises: einer
Großpackung Spätzlesmehl.
„Dead versus alive“
Diesmal
wurden der populären Dichtkunst der Slammer Werke entgegengestellt, die bereits
die Weihen höherer Literatur genießen. Unter dem Motto „Dead versus alive“
beeindruckte Schauspielerin Miriam Haltmeier vom Landestheater Schwaben die Zuschauer mit einem ergreifenden Monolog
aus Heinrich von Kleists Tragödie um die Amazonenkönigin „Penthesilea“. Um den alltäglich-banalen Horror aus
dem Schlachtfeld Arbeitsplatz ging es in einem zweiten Monolog aus dem
Bürostück „Bandscheibenvorfall“ der zeitgenössischen deutschen
Theaterautorin und Regisseurin Ingrid Lausund. Miriam Haltmeiers Spiel machte
die Absurdität verzweifelter Selbstoptimierungsstrategien
von Angestellten im Vorzimmer des Chefs sicht- und spürbar.
Den nächsten Poetry Slam gibt es am 28. Dezember im
Kaminwerk.
Die sechs Kandidaten des Dichtkunst-Wettbewerbs zeigen wir in der Galerie: