„A long and windig road“: Maria Rieger (Elisabeth Hütter) und ihr Sohn Max (Jan Arne Looss) steuern besseren Zeiten entgegen. Im Hintergrund zu sehen: Anke Fonferek und Tobias Loth. Fotos: Landestheater Schwaben/ Marion Bührle
Memmingen (as). „A long and windig road“ (eine kurvenreiche Straße) – der Titel des Schlusssongs der musikalischen Revue „Café Rieger“ fasst es zusammen: Die Geschichte des legendären Memminger Caféhauses war voller Höhen und Tiefen. Die Zuschauer erleben ein Stück Zeitgeschichte in Uraufführung, das rasant und spritzig inszeniert wird.
Strahlend macht Maria (Elisabeth Hütter) den Gästen des neueröffneten Memminger Cafés ihre extravagante Aufwartung und flötet ihnen Komplimente zu. Die Gäste, das sind die Theaterzuschauer an den runden Tischen vor der Caféhausbühne, auf denen Getränkekarten von 1929, dem Eröffnungsjahr, liegen. Den aufregenden Schwung des Anfangs beschreibt der Swingklassiker „Puttin‘ on the Ritz“.
Künstler und Literaten wie den
Memminger Maler und Bildhauer Max Pöppel empfängt man im Rieger, genussvoll schwelgend
in den schaumigen Kreationen des Weltklasse- Pâtissiers Josef, Marias
Mann (Tobias Loth). So manche „Sehnsucht“ (Friedrich Hollaender) wird hier bei
rauschenden Festen inklusive Katerstimmung am Morgen („A whiter Shade of Pale“)
in glänzend-großstädtisch anmutendem Ambiente erfüllt.
Erfrischender Kontrast: Anke Fonferek als Friederike von Ahrensberg und Elisabeth Hütter als Maria Rieger.
Der Haifisch zeigt seine Zähne
Doch dann verdüstert sich der rosarote Erdbeer-Trüffel-Himmel: Der kriegstraumatisierte Josef stirbt 1940 und der Memminger Rechtsanwalt und Kreisleiter Wilhelm Schwarz (Tobias Loth in Ledermantel und Militärcäpi), pflegt seinen NSDAP-Stammtisch ausgerechnet in Marias Café und treibt sie mit seinen Forderungen ins Aus. Er ist der Bösewicht, der von den anderen Protagonisten mit dem Mackie Messer-Song von Kurt Weill und Bertold Brecht besungen wird.
„Friede, Aufschwung, Eierkuchen“ : Nach
dem 2. Weltkrieg gelingt es der unverwüstlichen Überlebenskünstlerin Elisabeth,
ihr Café zurück zu erobern, die Zeit des Wirtschaftswunders beginnt, die
deutsche Frau steht, mit Dr. Oetkers Hilfe, am Herd und sucht Trost in hochprozentigem
„Frauengold“. Doch Marias Café erlebt eine blühende Renaissance.
Markante Töne aus dem Off
Mit viel Humor und Esprit beschreibt die von Patrick Schimanski inszenierte Revue 30 Jahre (Memminger) Zeitgeschichte. Die musikalische Einstudierung, Pianobegleitung sowie hochklassig-klassische Einlagen verdankt das Musiktheater der russischen Sopranistin Ekaterina Isachenko. Leopold Gmelch an Posaune und Tuba streut punktgenau kritische Kommentare und markante Töne aus dem Off ein
Anke Fonferek als Friederike von Ahrensberg bringt eine frivol-herbe und provokante Note ins musikalische Spiel, kontrastierend zur ausgeprägt sinnlichen Weiblichkeit ihrer Freundin Maria (Elisabeth Hütter). Jan Arne Looss ist als Max Pöppel und Soldat Max (Marias Sohn) zu sehen. Heftig von den Damen umworben wird er außerdem als Heinz Rühmann, der tatsächlich 1940 im Café Rieger zu Gast war.
Mehrere Rollen übernimmt auch Tobias Loth. Vom Meister der süßen Kunst Josef Rieger wechselt er fliegend zum NSDAP-Mann Schwarz. Außerdem kommentiert er als Bertolt Brecht, Vater des epischen Theaters, kritisch das Zeitgeschehen.
Weitere Aufführungen am 27. und 30. November, am 2. / 11. / 14. /
19. / 31. Dezember und am 6. / 27. Januar 2019.