Memmingen (as). Das Landestheater Schwaben lud kürzlich gemeinsam mit der Universität Hildesheim zu einer zweitägigen Tagung im Memminger Stadttheater unter dem Motto: „Künstlerische Vielfalt und kulturelle Teilhabe als Programm? Perspektiven für Theater in der Provinz“. Lokale-Redakteurin Antje Sonnleitner sprach mit Silvia Stolz, Leiterin Kommunikation und Dramaturgin am Landestheater, über die Hintergründe und das Ergebnis der Veranstaltung.
Frau Stolz, können Sie uns kurz die Eindrücke und Erfahrungen der Tagung schildern?
Die Theaterlandschaft in Deutschland ist sehr heterogen und besteht keineswegs nur aus Staats- , Stadttheatern und Landesbühnen, sondern aus verschiedenen Akteuren, die teilweise ein sehr unterschiedliches Theaterverständnis haben. Daraus ergaben sich spannende Diskussionen, denn die Herangehensweise und die Vorstellung von Kunst und Qualität gingen sehr weit auseinander. Hier prallten (Theater-)Welten aufeinander!
Aus welchen Bereichen kamen die Akteure bzw. Theatermacher, die am Landestheater zu Gast waren?
Der Bogen war sehr weit gespannt: Neben dem Deutschen Bühnenverein und dem Bundesverband Freie Darstellende Künste waren auch die Interessensgemeinschaft der Städte mit Theatergemeinden (inthega), der Bund der Theatergemeinden und der Bund Deutscher Amateurtheater vertreten.
Es ist toll, dass diese verschiedenen Verbände hier am Landestheater erstmals in dieser Form zusammenkamen. Die Teilnehmer wünschen sich eine Nachfolgeveranstaltung, denn es gibt immer noch viel zu diskutieren.
„Perspektiven für das Theater in der Provinz“ ist ein provokanter Titel, denn Provinz ist ein negativ besetzter Begriff und bezeichnet eine Gegend, die kulturell (im Vergleich zu einer Großstadt) wenig zu bieten hat. Wie wollen sie „Provinz“ verstanden wissen?
Als geographisch neutralen Begriff. Provinz, das ist alles jenseits der urbanen Zonen. 90 Prozent der Fläche in Deutschland gehören zum ländlichen Raum. Dazu gehört dann auch Memmingen, auch wenn Oberbürgermeister Manfred Schilder das bei der Eröffnung vehement bestritten hat (lächelt).
Was ist der Hintergrund, gibt es außer dem fachlichen Diskurs noch andere Gründe für die Theatermacher in Deutschland, sich auszutauschen?
Die Theaterlandschaft in Deutschland befindet sich, auch bedingt durch finanzielle Kürzungen, im Wandel. In der Spielzeit 20015/2016 gab es in Deutschland 143 Theaterunternehmen. Laut einer düsteren Prognose soll es bis 2050 nur noch 100 Theater geben. Daraus folgt zwingend die Frage: Müssen sich die Theater verändern?
In welchen Bereichen sehen Sie Veränderungspotenzial?
Das ist schwierig zu beantworten, denn das muss für jeden Ort anders gedacht werden und es gibt sicher keine einfachen Lösungen. Politik und Theater sind gleichermaßen gefordert. Was die Gewinnung neuer Publika betrifft, liegt Potenzial einmal in der Entwicklung neuer Formate, auch außerhalb des eigenen Hauses wie zum Beispiel Open Air-Veranstaltungen in der Innenstadt, die eher ein erlebnisorientiertes Event-Publikum ansprechen, also mehr als die 10 bis 15 Prozent der Bürger, die sowieso ins Theater gehen.
Und zum anderen?
Veränderung kann es auch durch Kooperationen geben, indem die Theatermacher mehr aus ihren Institutionen herausgehen und mit anderen Kunstschaffenden - auch aus anderen Bereichen - zusammenarbeiten. Das sehr erfolgreiche Komödiensolo „NippleJesus“ von Nick Hornby in der MeWo Kunsthalle ist ein Beispiel für so eine Kooperation.
Wo sehen Sie den inhaltlichen Auftrag des Theaters?
Theater muss immer gesellschaftlich relevante Themen verhandeln, aktuelle Themen, die uns angehen, wie derzeit den Erhalt der Demokratie. Es soll Impulse setzen und Denkanstöße geben. Und natürlich soll Theater auch Unterhaltung sein, aber eben mehr als das, so versuchen wir auch bei den Klassikern immer den Gegenwartsbezug zu schaffen und sie aus heutiger Perspektive zu denken.
Was war die Quintessenz dieser Tagung für das Leitungsteam des Landestheaters?
Wir fühlen uns darin bestätigt, unsere kommunikativen Formate mit dem Publikum auch in den Gastspielorten aufrechtzuerhalten und weiter zu vertiefen. Es geht ganz viel über Kommunikation.
Hinweis: Der Mitinitiator der Tagung, Prof. Dr. Wolfgang Schneider, Direktor des Instituts für Kulturpolitik der Universität Hildesheim, wird im Frühjahr 2019 eine Dokumentation zum Thema „Perspektiven für das Theater in der Provinz“ im Verlag „Theater der Zeit“ herausbringen.