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Zwischen Wahn und Wirklichkeit

Premiere von „Der Sandmann“ am LTS ließ tief blicken

veröffentlicht am 18.12.2023
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Olimpia (Mirjam Smejkal) tanzt für den liebeswahnsinnigen Nathanael (Julian Culemann). Foto: LTS, © Forster

Memmingen (dl/sg). Der Sandmann von E.T.A. Hoffmann ist eine komplexe Geschichte, die durchaus kritisch in die Abgründe der menschlichen Psyche blicken lässt. Gesanglich und schauspielerisch bravourös zog die Inszenierung am Landestheater Schwaben (LTS) das Publikum bei der Premiere kurzweilig in den Bann.

Der Protagonist Nathanael erlebt eine verstörende Verflechtung von Liebe, Angst und Wahnsinn, die ihn letztendlich ins Verderben stürzt. Eine unerwartete Begegnung mit dem Wetterglashändler Coppola ruft in ihm schlimme Erinnerungen an seine Kindheit wach. Denn in dem Händler glaubt er den Advokaten Coppelius zu erkennen, der in ein traumatisches Erlebnis und den Tod des Vaters verwickelt war und seitdem die Schreckgestalt des Sandmanns einnimmt. Bei einer erneuten Begegnung kauft Nathanael Coppola ein kleines Fernglas ab, durch das er die schöne Tochter seines Professors Spalanzani beobachtet, die jedoch nur ein Automat ist. Auf sie projiziert er seine eigenen Wünsche und Begierden und verliert sich letztlich in seiner blinden Liebe zu ihr.

Symbolkraft

Die kraftvolle, düstere und traumverlorene Musik der britischen Indie-Bluesrockerin Anna Calvi entführt in diese Welt, in der nicht klar ist, was wahr und was falsch, was real und was Fantasie ist. Starke, sich wiederholende Textpassagen in den Stücken wie „Gib dich allem hin“, „Wahre Lügen“ oder „Der Wirbelsturm“ untermalen gelungen die innerpsychischen Vorgänge.
Der Bösewicht sowie andere Figuren können gleichermaßen als Außenwelt wie auch als Anteil in den Menschen verstanden werden. Oft werden in Dialogen Sätze drei Mal wiederholt. Eine magische Symbolik: Eine Sache muss drei Mal passieren, bevor sie in Erscheinung tritt - diese Bedeutung der Zahl drei kommt auch in Märchen, Mythen und Legenden vor.
Bedeutungsschwanger und aufgeladen von Symbolik sind ebenfalls Kostüme und Bühnenbild - ein überdimensionaler Stuhl, auf dem Olimpia sitzt oder (Schicksals)Würfel, Masken, dunkle Umhänge und dagegen das weiße, unschuldige Kleid von Nathanaels Verlobter Clara.

Gefilterte Realität

Bereits vor rund 200 Jahren wollte E.T.A. Hoffmann mit seinem Schauerroman vor Augen führen, dass das, was wir wahrnehmen durch unsere Sinne gefilterte Realität ist und es somit fast unmöglich scheint, alles zu begreifen.
Bei rasch wechselnden Szenen und während der Zuschauer noch die Handlung sucht, bleibt ihm bei dieser brillant inszenierten modernen Oper am LTS daher nur eins: Sich mit dem Gefühl und den eigenen (gefilterten) Sinnen ganz hineinzubegeben.

Die gut besuchte Premiere im LTS erntete schließlich langanhaltenden, anerkennenden, von Jubelrufen begleitenden Applaus.

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