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"Wirtschaftliche Stärke der Stadt erhalten" - Interview mit Dr. Ivo Holzinger

veröffentlicht am 05.11.2016
OB Interview

Der scheidende Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger im Gespräch mit der Lokale-Redakteurin Antje Sonnleitner. Foto: Radeck

Herr Dr. Holzinger, Sie sind in Aalen geboren, haben in Würzburg studiert und waren dann beim Finanzamt Nürnberg sowie am Bundesministerium der Finanzen in Bonn beschäftigt. Was hat Sie 1980 bewogen, als Oberbürgermeister für Memmingen zu kandidieren?

Kommunalrecht hatte für mich als Finanzjurist schon damals einen hohen Stellenwert. Ich habe meine Doktorarbeit zu einem kommunalrechtlichen Thema geschrieben. Von einem Freund erfuhr ich, dass der damalige Memminger Oberbürgermeister Johannes Bauer nicht mehr kandidieren wollte. Ich kannte Memmingen nicht und erlebte es als schöne, lebendige und wirtschaftsstarke Stadt.

Mit welchen Hindernissen und Hürden hatten Sie am Anfang Ihrer Zeit in Memmingen zu kämpfen? Welche Vorstellungen mussten Sie korrigieren?

Die SPD hat im Stadtrat nie eine Mehrheit gehabt, mir war deshalb von vornherein klar, dass Kompromisse mit anderen Gruppierungen nötig sein werden, um Beschlüsse fassen und etwas für die Stadt bewirken zu können. Darüber hab ich mir keine Illusionen gemacht.

Memmingen hat sich in den letzten 36 Jahren unter Ihrer Führung zum Oberzentrum entwickelt. Welche "Meilensteine" haben Sie entscheidend mit auf den Weg gebracht?

An erster Stelle stand für mich immer die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt. Immerhin hatten wir 1983/84 noch um die zehn Prozent Arbeitslose in Memmingen. Daher habe ich mich massiv für die Bestandspflege bei Betrieben eingesetzt und für den Allgäu Airport. Wichtige Schritte waren außerdem die Verbesserung der Verkehrsanbindung an die A 96, - 1980 ging die B 18 noch zweispurig nur bis Aitrach - sowie ein funktionsfähiges Autobahnkreuz als Riesenstandortvorteil für die Stadt. Ein weiterer Meilenstein war 1986 die Zusammenlegung von Stadt- und Kreiskrankenhaus unter alleiniger Trägerschaft der Stadt.

Mit dem Bau der Eissporthalle 1986/87 habe ich ein Wahlversprechen eingelöst.

Im kulturellen Bereich konnten das Kreuzherrenkloster und, nach jahrelangem Streit mit dem Investor, das Antonierhaus saniert werden. Die MEWO Kunsthalle entstand sowie das Kulturzentrum Kaminwerk für die Jugend.

Ein weiterer wichtiger Meilenstein sind die Schulsanierungen und –bauten, die damalige gewerbliche Berufsschule wurde 1983/84 zum Vöhlin-Gymnasium die FOS/BOS ist in einem tollen Neubau untergebracht und die beiden Realschulen entstanden mit 60 Millionen Euro Gesamtkosten.

Welche Ziele muss sich Ihrer Ansicht nach Ihr Nachfolger in dieser Hinsicht setzen, welche "Meilensteine" sind noch zu bewegen bzw. darf Ihr Nachfolger fertigstellen?

Mein Nachfolger sollte die wirtschaftliche Stärke der Stadt erhalten und den Flächennutzungsplan weiter fortschreiben, um das Industrie- und Gewerbegebiet Nord zu erweitern. Außerdem gilt es, die Klinikumsfrage zu lösen.  

Die IKEA-Ansiedlung ist eine große und einmalige Chance für die Attraktivität der Stadt. Die eigentliche Konkurrenz für die Einzelhändler in der Innenstadt ist m. E. der Internethandel.

Wenn Sie Ihrem Nachfolger einen Tipp als Quintessenz Ihrer langjährigen Erfahrung mit auf den Weg geben könnten, welcher wäre das?

An allererster Stelle steht der Kontakt zu den Bürgern. Der OB muss wissen, wo dem Bürger der Schuh drückt. Er sollte niemanden bevorzugen, alle sozialen Schichten und Altersstufen mitnehmen und ein gutes Verhältnis zu den Migranten pflegen, um den „Burgfrieden“ in der Stadt zu erhalten

Wie bewältigt man einen solchen Arbeitsalltag voller Termine, offizieller Auftritte und Entscheidungen? Wie haben Sie sich Ihren Schwung bewahrt?

Die Vielseitigkeit des Berufs hat mich schon immer fasziniert und begeistert. Nerven kostet es nur manchmal, bei einer Veranstaltung auf Kohlen zu sitzen, weil der nächste Termin schon drängt. Meine Familie musste das alles mittragen und Rücksicht nehmen, dafür bin ich meiner Frau sehr dankbar.

Welche Tätigkeiten als OB mochten Sie am liebsten?

Die Zusammenarbeit, Pläne mit den Mitarbeitern zu diskutieren hat mir Freude bereitet. Ebenso die Sparkassenarbeit und das Engagement für den Sparkassenverband Bayern. Sehr gemocht habe ich auch die Besuche anlässlich hoher Geburtstage. Von den alten Menschen erfährt man unheimlich viel.

Wenn Sie sich selbst Ihr Rentenalter aussuchen könnten, wo läge das?

Ich finde es gut, dass es für verantwortliche Behördenleiter wie Bürgermeister und Landräte klare Altersgrenzen gibt. Ich wurde oft gefragt, ob ich noch einmal kandidiert hätte, doch das stand ja nicht zur Debatte, darum habe ich mich mit dieser Frage nicht beschäftigt.

Welche Aufgaben warten jetzt im Ruhestand auf Sie – oder werden Sie sich fortan ausschließlich Ihrer Familie und Ihren Enkeln widmen?

Ja, außerdem möchte ich mehr lesen, vor allem historische Bücher, und mich weiterhin der Eisenbahn widmen. Damit meine ich nicht meine Modelleisenbahn im Keller, sondern die große. Außerdem möchte ich mehr Ausflüge unternehmen und Rad fahren. Kleine Ehrenämter werde ich beibehalten wie den Kreisvorsitz beim Roten Kreuz. Eine gewisse Umstellung erfordert es aber schon, von dem durchgetakteten Rhythmus meines Arbeitsalltages zurück zu schalten.

Wir wünschen Ihnen einen schönen neuen Lebensabschnit und bedanken uns für das Gespräch, Herr Dr. Holzinger!