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„Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht“

Behindertenbeirat im Gespräch mit örtlichem Busunternehmer

veröffentlicht am 01.08.2018
„Wir haben unsere Hausaufgaben weitestgehend gemacht“

Zu Gast bei der Firma Angele: (v.li.): Maria Fickler (Behindertenbeirat), Jürgen Haffelder (Geschäftsführer Fa. Angele), MdL Ilona Deckwerth (SPD), Verena Gotzes (Vorsitzende Behindertenbeirat), Wolfgang Prokesch (Seniorenfachstelle Stadt Memmingen, hinten), Erika Winterwerb und Armin M. Brandt (Seniorenbeirat) und die kommunale Behindertenbeauftragte Anna Birk (Fachstelle für Inklusion). Nicht im Bild: Regina Sproll (Behindertenbeirat) und MdL Klaus Holetschek (CSU). - Unser Vorschaubild zeigt Armin M. Brandt beim Einsteigen in den Low-Entry-Bus. Fotos: Sonnleitner

Memmingen (as). Um die Barrierefreiheit unterschiedlicher Bustypen ging es bei einer gemeinsamen Veranstaltung des Senioren-und Behindertenbeirats auf dem Gelände des Memminger Busunternehmens Karl Angele. Laut Gesetz soll der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) bis 2022 barrierefrei sein. Niederflur- und Low-Entry-Busse erleichtern den Ein- und Ausstieg. Vollständig barrierefrei sind jedoch auch sie nicht.

Anlass des Treffens, an dem auch Ilona Deckwerth (Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion für Menschen mit Behinderung und Inklusion) und der CSU-Landtagsabgeordnete Klaus Holetschek teilnahmen, waren Beschwerden über den sogenannten Low-Entry-Bus, der zwar einen barrierefreien Ein- und Ausstieg ermögliche, doch zu wenig Platz für Rollstühle und Rollatoren biete, beschrieb die kommunale Behindertenbeauftragte Anna Birk das Problem.

Busse haben mehrere Einsatzgebiete

„Wir haben unsere Hausaufgaben weitestgehend gemacht“, sagte Angele-Geschäftsführer Jürgen Haffelder.  „Doch die Busse haben verschiedene Einsatzgebiete, das kann man nicht haarscharf trennen.“  Seine Firma habe im Linienverkehr neun Niederflurbusse im Einsatz, lediglich einer davon fahre auch über Land und bietet daher weniger Stellfläche für Rollstühle und Rollatoren.

Der einzige Low-Entry-Bus, über den die Firma verfüge, werde vorwiegend im Überlandverkehr eingesetzt, weil er mehr Sitzplätze habe und Stauraum für Gepäck biete, zudem schließen die Türen dichter. Je nach Auslastung werde dieser Typ auch im Stadtverkehr eingesetzt, was wohl zu den Beschwerden führte. Es sei aber nicht geplant, dass die Low-Entry-Bustyp den Niederflurbus im Stadtverkehr ablöse, auch wenn diese Variante in Anschaffung und Unterhalt günstiger sei, versicherte Haffelder. (Ein Niederflurbus kostet etwa 230.000 Euro und wird vom Staat mit 70.000 Euro bezuschusst. Der Neupreis für einen Low-Entry-Bus liegt bei etwa 210.000 Euro, auch hier beträgt der staatliche Zuschuss 70.000 Euro.)

Mehr Fahrgäste mit Rollatoren im ÖPNV unterwegs

Allerdings berichtete Haffelder auch, dass Rollstuhlfahrer nur sehr selten (etwa alle sechs Monate) einen seiner Linienbusse nutzen. „Das ist einfach umständlicher als mit dem (steuerfreien, Anm. der Red.) Privatauto zu fahren“, erklärt er. Stattdessen habe die Zahl der Fahrgäste mit Rollator zugenommen.

Wolfgang Prokesch von der Seniorenfachstelle der Stadt konnte dies mit Zahlen untermauern: „12.000 Bürger in Memmingen sind älter als 60 Jahre, ein Drittel der Bürger zwischen 65 und 84 braucht Hilfsmittel außerhalb des Hauses,  ab 85 Jahren sind es zwei Drittel“, so das Ergebnis einer Bürgerbefragung. In diesem Zusammenhang lobte Prokesch, ebenso  wie Armin M. Brandt vom Seniorenbeirat, die Aktion „Sicher unterwegs“, die es älteren und behinderten Mitbürgern ermöglicht, den Ein- und Ausstieg über die ausklappbare Rampe im Bus zu üben (wir berichteten).

Prokesch regte außerdem an, dass Busfahrer auch ungefragt auf ältere und behinderte Fahrgäste eingehen sollten, “denn viele trauen sich nicht, den Fahrer um Hilfe zu bitten“.

"Förderrichtlinien überdenken"

"Wir haben jetzt einen Haufen Hausaufgaben", lautete MdL Ilona Deckwerths  Fazit aus der Veranstaltung. Angesichts zunehmender Fahrgäste mit Rollatoren müsse man die  Förderrichtlinien überdenken und den Niederflurbus höher bezuschussen als das Low-Entry-Modell.

„Was wünschen sich Unternehmer in punkto Busförderung?“, fragte Klaus Holetschek geradeheraus. „Die Förderung sollte höher sein, wenn der Bus nicht flexibel verwendbar ist“, antwortete Haffelder prompt. Ein Bus, der nur im Stadtverkehr einsetzbar ist, muss demnach höher bezuschusst werden, als einer, der auch für Überlandfahrten geeignet ist.

Wenig Barrierefreiheit an Haltestellen

Ein anderes Problem bleibt allerdings bestehen: „Die Busunternehmen setzen die Barrierefreiheit bis 2022 um“, meinte die Vorsitzende des Behindertenbeirats Verena Gotzes zuversichtlich.  „Was die Haltestellen betrifft, ist dies jedoch nicht möglich.“ Auch Haffelder merkte an, dass die Stadt Memmingen hinterherhinke, was die Barrierefreiheit der Haltestellen angehe.