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Wie kann man sich vor multiresistenten Keimen schützen?

veröffentlicht am 10.05.2017
Keime

Dr. Christoph Pöhlmann ist Chefarzt der Abteilung für Hygiene und Mikrobiologie am Klinikum Memmingen. Foto: Koch

Memmingen (dl). Multiresistente Bakterien sind Keime, bei denen die meisten Antibiotika versagen. Für schwerkranke Patienten können solche Erreger gefährlich werden. Wie man sich schützen kann, erklärte Hygiene-Chefarzt Dr. Christoph Pöhlmann vom Klinikum Memmingen bei einer öffentlichen Informationsveranstaltung im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Gesundheitsakademie".

„Multiresistente Bakterien sind nicht krankmachender als andere Keime, sie sind nur schwieriger zu behandeln“, stellte Pöhlmann zu Beginn klar. „Wenn Sie solch einen Erreger in sich tragen, sind Sie nicht automatisch krank. Für Gesunde stellen diese Keime kein Problem dar.“ Gefährlich werde es dagegen bei Patienten mit bestimmten Erkrankungen – beispielsweise bei Tumor- oder Diabetespatienten aufgrund ihres geschwächten Immunsystems oder bei Patienten mit offenen Wunden oder Zugängen, die als Eintrittspforte für Erreger dienen können: „Dialysepflichtige Patienten mit einem dauerhaften Katheter im Körper, Patienten mit Blasenkatheter oder beatmete Patienten sind gefährdet.“

Gefährlich werde es auch, wenn ein Patient, der einen multiresistenten Keim trägt, operiert werde: „Denn Infektionen während einer Operation gehen meist von der eigenen Flora aus“, betonte Pöhlmann. Meistens seien es also die eigenen Keime, mit denen sich Patienten während einer Operation ansteckten. Kritisch seien vor allem Operationen im Bauchbereich: „Denn unser Darm ist voller Bakterien und hier können sich auch die multiresistenten Erreger ansiedeln.“

Unsachgemäßer Antibiotika-Gebrauch

Eine der Ursachen, warum Bakterien Multiresistenzen entwickeln, sei der unsachgemäße und oft zu häufige Gebrauch von Antibiotika: „Im Jahr 2015 wurden in Deutschland in der Tiermedizin 1.200 Tonnen Antibiotika verbraucht“, zählte Pöhlmann auf. In der Humanmedizin seien es immerhin noch 700 bis 800 Tonnen gewesen. „Das sind stattliche Zahlen.“ Multiresistenzen seien aber ein globales Problem: „In den Vereinigten Staaten können Sie hochpotente Antibiotika frei im Supermarkt kaufen. Da brauchen Sie nicht einmal zum Arzt zu gehen.“ Dass Länder, die Antibiotika ohne Rezept verkaufen, die größten Resistenzprobleme haben, sei nicht neu. Mittlerweile hätten Länder wie Griechenland oder Italien bei breit eingesetzten Antibiotika, sogenannten Breitspektrumantibiotika, Resistenzen von über 50 Prozent bei einzelnen Keimarten. In Frankreich und Portugal lägen die Resistenzraten bei 25 bis 50 Prozent. 

„Bei uns in Deutschland beträgt die Resistenzrate gegenüber Breitsprektrumantibiotika bei einzelnen Keimarten zwischen zehn und 25 Prozent. Besser sieht es aber in nordischen Ländern wie Schweden, Finnland oder Island aus. Hier liegt die Rate zwischen knapp einem und fünf Prozent.“

Eine weitere Ursache für die zunehmende Resistenz von Bakterien sei die Kontamination der Umwelt mit Antibiotikaresten, welche aus verschiedenen Quellen ins Abwasser gelangten. „Dort werden sie gar nicht oder nur sehr langsam abgebaut.“ Bakterien, die mit den Antibiotikaresten in Verbindung kämen, würden durch die geringen Dosen nicht abgetötet. „So entwickeln die Bakterien Resistenzen.“

Multiresistente Keime auch im Fleisch

Auch in Hähnchen-, Puten- und Schweinefleisch befänden sich aufgrund des hohen Antibiotikaverbrauchs in der Aufzucht oft multiresistente Bakterien: „Diese können in den Darm übergehen, wenn das Fleisch nicht richtig durchgebraten ist.“ Bei einem gesunden Menschen werde der Keim allerdings meistens nach circa sechs bis acht Monaten wieder durch andere Bakterien verdrängt. „Denn in unserem Darm schützen uns `gute´ Bakterien vor der Ansiedlung `böser´ Keime“, erklärte Pöhlmann.

Wird ein multiresistenter Keim für einen Schwerstkranken zum Problem, gibt es sogenannte Reserveantibiotika, die im Gegensatz zu den breit eingesetzten Antibiotika nur sehr sparsam und in schwierigen Fällen eingesetzt werden.

„Doch leider versagen bei manchen multiresistenten Bakterien mittlerweile sogar schon diese Reservemittel. Und die Entwicklung von neuen Antibiotika hat sich deutlich verzögert.“ Denn es sei nicht so einfach, neue Antibiotika zu erfinden. „Die Bakterien sind sehr trickreich.“ Außerdem sei das Forschen nach neuen Antibiotika für die Pharmaindustrie nicht sehr lukrativ: „Denn diese neuen Antibiotika sollen nur bei Schwerstkranken und nicht bei einer breiten Masse eingesetzt werden.“ Rund zehn Jahre dauere es, bis ein neues Antibiotikum marktreif sei. „Die Bakterien brauchen allerdings in der Regel nur zwei bis drei Jahre, bis sie dagegen Resistenzen entwickelt haben.“

Zur Person

Dr. Christoph Pöhlmann studierte in Würzburg Chemie und Medizin.
Als Arzt im Praktikum forschte er am renommierten Karolinska-Institut in Stockholm, eine von Europas angesehensten medizinischen Universitäten.
Seinen Facharzt in Medizinischer Mikrobiologie machte Pöhlmann an der Technischen Universität Dresden. Bevor er im Januar 2016 Chefarzt am Klinikum Memmingen wurde, arbeitete Pöhlmann als Krankenhaushygieniker und Oberarzt im Zentrallabor am Robert-Bosch-Krankenhaus in Stuttgart.

So sehen multiresistente Bakterien unter dem Elektronen-Mikroskop aus:

Keime

Die gramnegativen Stäbchenkeime (MRGN) Escherichia coli. Fotos: Beling Grafikdesign

Keime

Auch der Enterobacter spp. gehört zur normalen Darmflora.

Keime

Der multiresistente Staphylococcus aureus (MRSA). Foto; Schülke & Mayr GmbH