Rainer Schaal (CSU) (2. von li.), Daniel Pflügl (Grüne), Alex Eder (Freie Wähler) und Michael Helfert (SPD), von links, umrahmt von den Moderatoren Thomas Schwarz (ganz rechts) und Johann Stoll (links im Bild). Foto: Sonnleitner, Fotos der einzelnen Kandidaten (unten): Radeck
Hawangen (as). Wer wird in den kommenden sechs Jahren an der Spitze des Landkreises stehen? Bei einer Podiumsdiskussion in Hawangen vor rund 400 Besuchern standen die Kandidaten Alex Eder (Freie Wähler), Michael Helfert (SPD), Daniel Pflügl (Die Grünen) und Rainer Schaal (CSU) den Chefredakteuren der Memminger und der Mindelheimer Zeitung Thomas Schwarz und Johann Stoll in der Mehrzweckhalle Hawangen Rede und Antwort. Dabei gab es viel Übereinstimmung, aber auch einige Differenzen. Den größten Zuspruch des Publikums erntete Daniel Pflügl.
Bei der Kommunalwahl am 15. März wird im Unterallgäu neben dem Kreistag auch ein neuer Landrat gewählt. Amtsinhaber Hans-Joachim Weirather (Freie Wähler) stellt sich nicht erneut zur Wahl, nachdem er die Geschicke des Landkreises 14 Jahre lang geleitet hat. Seine vier „Erben“ bewerben sich um ein gut bestelltes Feld. Jüngster zukunftsweisender Beschluss und erstes Thema der Podiumsdiskussion war der Verbund mit den Kliniken Kempten-Oberallgäu, eine Entscheidung, die alle vier Kandidaten ausdrücklich unterstützen. Deutlich wurde auch, das Memmingen dabei nicht außen vorbleiben muss: „Die Tür nach Memmingen ist immer offen“, betonte Michael Helfert, Betriebswirt und Kindertagesstätten-Gesamtleiter, die allgemeine Bereitschaft, Memmingen mit ins Boot zu holen.
An einem Strang ziehen der Landkreis und die kreisfreie Stadt Memmingen auch bei der laufenden Bewerbung zur „Gesundheitsregion plus“, Doch während Rainer Schaal hier in Zusammenhang mit der medizinischen Fakultät Augsburg ein große Chance für die medizinische Versorgung auf dem Land sieht, hatte Helfert als Fraktionsvorsitzender im Kreistag die Bewerbung abgelehnt, da ihm der organisatorische Rahmen missfällt und er den Mehrwert für den Landkreis anzweifelt.
Wie bringt man den ÖPNV in Schwung?
Beim Thema Öffentlicher Nahverkehr kam zunächst das seit einem Jahr bestehende individuell buchbare Flexibus-Angebot auf den Prüfstand, das gut genutzt wird und als Ergänzungs- und Zubringersystem zum ÖPNV weiter ausgebaut werden soll, auch Richtung Memmingen. Einig war man sich darin, dass hier noch einiger Optimierungsbedarf besteht. Dies gilt auch und insbesondere für Bus und Schiene - Schaal sieht hier die „Modellregion Memmingen“ (wir berichteten) als gute Einstiegsmöglichkeit.
„Wir werden es schaffen, im Unterallgäu einen regelmäßigen ÖPNV-Takt zu etablieren, eventuell auch nach Baden-Württemberg“, meint Pflügl, Kreissprecher der Grünen im Unterallgäu, optimistisch. Helfert kann sich ein nutzungsfreundliches Verbundsystem für Schiene, Linie und Flexibus in einem gemeinsamen Tarif vorstellen. Pflügl schlägt vor, die Staudenbahn zu revitalisieren und Schaal will den Nahverkehrsplan „auf Basis des Deutschlandtaktes“ neu angehen. Der Jurist und Leiter des Baurechts bei der Regierung von Schwaben erinnert daran, dass „Fördermaßnahmen von integrativen Modellen abhängig sind“. Eder (Baudirektor in Günzburg) bringt auch die geplanten Memminger Halte als weitere Potenziale eines integrativen ÖPNV-Systems in die Diskussion ein.
Tierwohl im Unterallgäu
Eine Leseranfrage bezog sich auf das Tierwohl in den Unterallgäuer Ställen. Helfert bezeichnete die Ausstattung des Veterinäramts als nach wie vor völlig unzureichend. Hier sei eine Aufstockung von derzeit viereinhalb auf acht Stellen nötig, damit das Veterinäramt auch präventiv und beratend tätig sein könne - „ohne die Keule zu zücken“, ergänzte Eder. Eder erinnert an wiederholte und bislang erfolglose Anfragen von Landrat Hans-Joachim Weirather nach weiteren Veterinären bei der Staatsregierung nach dem Tierskandal von Bad Grönenbach. Immerhin gäbe es im rinderreichsten Landkreis Bayerns 1.500 Betriebe mit über 200.000 Rindern, stellt er die Relationen klar. Eder sieht die Misshandlungen eher als Resultat von Überforderung, während Helfert von "krimineller Energie" spricht.
„Die amtstierärztliche Beratung und Kooperation funktioniert sehr gut“, betont Schaal, und ob ein Betrieb gut geführt werde, hänge nicht von der Tierzahl ab. Es folgt ein Disput mit Pflüg, der unter großem Beifall des Publikums das bestehende System komplett hinterfragt und anstelle von Großbetrieben die mittelständische bäuerliche Kultur propagiert, welche die Landwirtschaft im Unterallgäu geprägt hat. „Genehmigungsverfahren neu zu gestalten, ist nicht machbar“, bremst Schaal ihn ein, auf das Baugesetzbuch pochend. Wir müssen uns an die Verfahren halten, die es gibt“. Woraufhin Pflügl noch einen Schritt weiter geht und fordert, die Genehmigungsverfahren zu überdenken und eine neue Bauleitplanung zu installieren.
Alle Kandidaten gemeinsam betonten, dass man die Landwirte im Unterallgäu nicht wegen einiger schwarzer Schafe in Misskredit bringen dürfe: „Wir stehen zum bäuerlichen Berufsstand, der den Landkreis prägt und hochwertige Lebensmittel produziert“, so Schaal und nachdem man überein gekommen war, dass auch der Naturschutz im Landkreis nur gemeinsam mit den Bauern angepackt werden dürfe und nicht gegen sie (an dieser Stelle gestand Pflügl einen Fehler der Grünen ein: Man hätte beim Volksbegehren Artenschutz mit den Bauern als Experten reden sollen), gab es noch einen großen Beifall für die Landwirte.
Befragt nach Ideen zur landwirtschaftlichen Vermarktung, plädierte Pflügl dafür, regional produzierte Lebensmittel auch in Pflegeheimen und Krankenhäusern zu verwenden, dann koste ein Essen 4 statt 3 Euro für einen Patienten, woraufhin Eder fragte, wie der zusätzliche Teil finanziert werden solle.
Duale Hochschule - ja oder nein?
Beim Thema Wirtschaft und Bildung wiederholte Helfert seine schon bei seiner Kandidatur vor zwölf Jahren gestellte Forderung nach einer dualen Hochschule im Landkreis, bedarfsgerecht für die einheimische Wirtschaft, während Eder allenfalls Kooperationen mit bestehenden Hochschulen andenkt. Auch Pflügl hält die Einrichtung einer Hochschule „nicht für die vordringlichste Aufgabe“.
Ein weiteres Thema der Diskussion waren Wohnen und Ortsentwicklung, verbunden mit der Frage, wie man Leerstände in Ortskernen vermeiden könne.
Fragen aus dem Publikum
Trotz der fortgeschrittenen Zeit waren noch einige Fragen aus dem Publikum möglich. Ein Zuhörer fragte nach der Entwicklung von Photovoltaik im Landkreis. Alle Landratsbewerber sehen hier großes Potenzial für die Energiewende, auch im Bereich der Agrophotovoltaik. Pflügl schlug Bürgergenossenschaften vor. Auch Eder ist dafür, vorhandene Potenziale zu nutzen, erinnert aber daran, dass dies vor allem von der Speicherung als wichtigem Faktor der Energieerzeugung abhänge.
Ganz zum Schluss ging es noch um den Flughafen Memmingerberg. „Was passiert, wenn der wieder Geld benötigt?“, wollte ein Zuhörer wissen. Hier war die Antwort einhellig: Firmen zu sponsern sei Aufgabe des Freistaats, meinte Helfert. Auch von Eder kam ein klares „Nein“, der Landkreis habe bereits in den Gewerbepark investiert. Schaal könnte sich eine Bezuschussung nur im Ausnahmefall vorstellen. „Das Unterallgäu hat andere Hausaufgaben“, konstatierte Pflügl, der auch die jetzige Beteiligung als Mogelpackung kritisierte.