Besonders SchulanfängerInnnen leiden unter Home-Schooling - kein direkter Kontakt von und zu den Lehrkräften kann zu einer echten Belastung werden. Foto: Wolfgang Radeck
Memmingen (rad). Die Corona-Maßnahmen haben unser gewohntes Leben völlig aus den Fugen gebracht. Die Wirtschaft ächzt unter der Belastung, das soziale Miteinander findet nahezu nicht mehr statt. Wie zumeist in Krisen, leiden die Schwächsten, nämlich die Kinder und Jugendlichen, am meisten darunter.
Dabei ist es doch eigentlich die primäre Aufgabe einer Staatsführung, gerade die Zukunft eines Landes und damit die jungen Menschen besonders zu schützen (und zu fördern). Kein Präsenzunterricht an den Schulen, stressiges Homeschooling und vor allem – sich nicht mit Freunden treffen zu dürfen! Das hinterlässt irreparable Schäden an der Psyche – einer Studie Hamburger Mediziner zu Folge zeigt schon jedes dritte Kind dahingehend Auffälligkeiten.
Wir haben uns bei einer ganz normalen, durchschnittlichen Familie informiert, wie dort der Corona-Alltag bewältigt wird. Nennen wir die 33-jährige, zweifache Mutter Annabel (Name von der Redaktion geändert). Neben der schulischen Betreuung für die siebenjährige Tina (Name geändert) zu Hause hat sie auch für ein Kleinkind zu sorgen. Daneben steht sie ihren Mann bzw. Frau im Home-Office, weil sie ihre Arbeit zu Hause machen kann (darf).
"Kinder funktionieren nur"
„Was gar nicht immer so toll ist, manchmal wünschte ich mir, ich könnte im Büro sein und meine Arbeit ungestört erledigen. Und auch mit den Kollegen ein wenig plauschen“, sehnt sich Annabel in ein unbeschwertes Berufsleben zurück. So ganz nebenbei ist ja auch noch der Ehemann „zu versorgen“, der nach getaner Arbeit („Gott sei Dank kein Home-Office“, so Annabel) bisweilen auch gestresst nach Hause kommt.
Aber zurück zu den Kindern, die mit der momentanen Situation nur schwer umgehen können. „Ich habe irgendwie den Eindruck, nicht nur meine Tochter, sondern viele Kinder funktionieren momentan einfach nur“, sagt Annabel. Und verweist auch auf den kleinen Stephen (das zweite Kind von Annabel), der aufgrund des Besuchsverbotes mit anderen Müttern auch keine Berührungspunkte mit anderen Kleinkindern hat.
Aufkommende Konzentrationsschwächen und Aggressivität
Schulkind Tina war vor der Krise überhaupt nicht auffällig, einfach ein ganz normales Kind. Weil eben einigermaßen ausgeglichen. Nun fehle aber einfach die Möglichkeit, sich mit Freunden zu treffen und unbeschwert zu toben. „Mich nervt der Laptop, weil ich meine Freunde und auch die Lehrerin nicht selber treffen kann. Da habe ich keine Lust zu lernen. Und ich möchte nicht immer nur eine Freundin treffen, ich will raus und spielen“, so die klare Aussage der kleinen Tina. Was ihre Mutter bestätigt, denn „bisher war sie konzentriert und vor allem nicht aggressiv. Annabel ist ratlos, denn nun neigt sie schnell zu Wutausbrüchen und bleibt nur kurz bei einer Sache“. Wie in der Studie beschreiben, sind Magen- und Kopfschmerzen oder einfach depressive Symptome wie Stimmungsschwankungen und auffallende Konzentrationsschwierigkeiten die Folgen.
Dies ist auch in der Hamburger Studie beobachtet worden. Die Sorgen und Ängste der Kinder hätten noch einmal zugenommen, auch depressive Symptome seien verstärkt zu beobachten, sagt die Leiterin der Studie, Ulrike Ravens-Sieberer. Die Lebensqualität habe sich weiter verschlechtert. Ein Grund dafür sei deutlich weniger Bewegung. Bis zu 40 Prozent der Befragten seien nicht mehr sportlich aktiv, weil Angebote der Sportvereine und Freizeitaktivitäten fehlen.
Home-Office und Home-Schooling bisweilen kaum sinnvoll umsetzbar
Gleichzeitig zeigt sich, dass Familien, die über einen guten Zusammenhalt berichten und viel Zeit mit ihren Kindern verbringen, besser mit den Belastungen umgehen können. Was schlicht und einfach aber nicht immer möglich ist. Nehmen wir ein Beispiel: eine Dreizimmerwohnung in einem Hochhaus ohne Balkon. Zwei Kinder und eines der Elternteile im Homeoffice — und nur ein Computer. Ein Szenario, über das unsere Politiker sich Gedanken machen sollten, anstatt der Pandemie nur mit Verboten und Drohungen zu begegnen.
Irgendjemand wird die Rechnung für den unverhältnismäßigen Lockdown bezahlen müssen. Es ist zu befürchten, dass wieder einmal die Schwächsten die Zeche zahlen werden.