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Wenn Flora und Fauna Fremdwörter werden

Gelungene Uraufführung am LTS beleuchtet Klimawandel und Gesellschaft

veröffentlicht am 10.06.2023
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Die Jurastudentin Alice ist zurück im geliebten Wald ihrer Kindheit.

Memmingen (sg). Klimawandel, Klimakatastrophe, Klima- und Klebeaktivisten, Klimaziele, Klimakonzepte – das sind Worte, die wir seit einigen Jahren fast täglich irgendwo lesen und hören. Doch wie real ist der Klimawandel? Was macht er mit uns, mit einer Gesellschaft und mit dem Einzelnen? Können wir nachfolgenden Generationen noch eine lebenswerte Zukunft gewährleisten? Damit haben sich junge Autoren und Regisseure auseinandergesetzt und drei Stücke mit dem Übertitel „Alles muss sich ändern – jetzt!“ entwickelt, die das Publikum im Studio bei der Premiere in den Bann gezogen und begeistert haben.

Im August 2021 wurden in Italien apokalyptische 48,8 Grad gemessen. Hochwasser, Dürre und Waldbrände werden häufiger. Die Politik hat sich ein 1,5 Grad Ziel gesetzt, um dystopischen Schreckensszenarien und eine Klimakatastrophe zu verhindern. All das ist bekannt. Doch wir sind oft ohnmächtig gefangen in einer globalen Welt, einem System, das Kompromisse einfordert und in dem Idealismus nur zeitweise einen Platz hat.

Drei Stücke führen das Publikum in verschiedene Welten, wobei der Übertitel wie ein Appell in den Ohren nachhallt: Alles muss sich ändern – jetzt!

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Der Ladenbesitzer bewacht das letzte Eis.

Zukunft und Erinnerung

Eine junge Eisforscherin in ferner Zukunft ist schon lange auf der Suche nach einer der letzten existierenden Eisdielen. Denn die Eisdielen starben mit dem Kühlungsversagen. „Heiße dicke Luft. Dick wie Aspik. Zu dick, um sie die Kehle hinunter zu drücken“, beschreibt es der Besitzer der Memminger Eisdiele, der das Eis unbedingt konservieren und bewachen will. Doch er hat das Rezept vergessen, nach dem die Forscherin ihn fragt. Ihm fehlen die Klänge, seine Zutaten. Sie ermutigt ihn immer wieder: „Du weißt doch! Weißt du noch?“ und schließlich erinnert er sich – just in dem Moment, als das Eis, das er so akribisch bewacht hat, schmilzt und stirbt. „Update. Lektion drei: Irgendwann ist auch der schönste Traum vorbei. Der Tod ist gewiss, ungewiss ist nur die Stunde“, sind die abschließenden Worte der Forscherin. Was bleibt, ist die Hoffnung. Mit musikalischer Untermalung und durch Klänge der Erinnerung, getragen von der spürbaren Hoffnung und Faszination der Forscherin, wird dieses dramatische, einsame Stück lebendig und lässt das Publikum mit hoffen.

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Am Ende sind Sam und Alex glücklich miteinander.

Glücklich sein oder die Welt retten

„Wir schaffen das 1,5 Grad Ziel nicht und ich bekomme keinen mehr hoch“, sagt Sam zu seinem Partner Alex. Vor lauter Nachrichten, Schreckensmeldungen und Überarbeitung leidet er unter depressiven Verstimmungen. Er sucht sich einen neuen Job, in dem er für eine grüne Zukunft kämpfen kann. Sam ist erfolgreich und die Beziehung der beiden lebt zunächst wieder auf. Gleichzeitig stößt er jedoch im Kampf für eine klimaneutrale Zukunft immer wieder an seine moralischen Grenzen. Besonders, als er herausfindet, wie hoch der Preis einer grünen Zukunft in einer globalisierten Welt sein kann. „Ich kriege schon wieder keinen hoch. Ich weiß nicht, was ich will“, konstatiert er wiederum. „Ich weiß, dass die Polkappen schmelzen, uns steht das Wasser bis zum Hals. Aber für mich war das Ende der Beziehung das Ende der Welt“, sagt Alex. Beziehung und Klima sind in Sams Welt so unmittelbar miteinander verwoben, dass das eine ohne das andere kaum zu retten scheint. Sam trifft schließlich eine Entscheidung, um den Teufelskreis zu durchbrechen: Er kann nicht die ganze Welt retten, doch seine Welt kann er noch retten. Alex und Sam sind wieder glücklich miteinander.
Bravourös gespielt zieht dieses Stück in den Bann. Wohl auch, weil jeder von uns sich in der Beziehungsdynamik wiederfindet und gespiegelt sieht.

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Alice steht schockiert und ohnmächtig bei ihren Waldfreunden, die sterben müssen.

Wenn der geliebte Wald stirbt

Die Jurastudentin Alice ist eigentlich auf dem Weg zum ersten Staatsexamen, als sie durch ein Loch in der Rolltreppe fällt und sich im Wald ihrer Kindheit wiederfindet. Alice redet mit den Bäumen, sie erinnert sich – zunächst will sie einfach nur den Weg heraus finden und nicht zu spät zu ihrer Prüfung kommen. Sie hat weder Handy noch Uhr. Vieles im Wald scheint sich verändert zu haben, seit sie das letzte Mal da war. Doch auch Alice hat sich verändert: „Sie sieht verloren aus. Sie ist so anders“, flüstern die Bäume. Schließlich hören sie Motorengeräusche. Denn nicht die Hitze ist die größte Bedrohung für den Wald. Er wird gerodet. „Geh nach Hause, Alice. Es ist zu spät. Sie sind überall“, fordern die Baumfreunde sie auf, als sie verzweifelt nach einer Rettung ringt. „Ein Millionen Jahre altes System baut man nicht so einfach wieder auf“, raunen die Bäume noch.
Dieses Stück zeigt zwei Welten auf verschiedenen Ebenen: Alice erwachsenes Ich, das etwas aus sich machen will, trifft auf ihr glückliches Kinder-Ich. Der geliebte, vertraute, lebendige Wald auf ihre Stadt, „die funktioniert“. Vergangenheit trifft auf Zukunft. Und schließlich trifft die Erkenntnis zu spät zu kommen und nichts mehr zu können auf das angesammelte juristische Wissen, das in dem Moment nutzlos wird. Brillant gespielt treffen diese Fragen auch das Publikum, denn der Wald ist für uns alle lebensnotwendig.

Unterstützt von den Freunden des Landestheaters
Diese Produktion wurde unter anderem durch die großzügige finanzielle Summe der Freunde des Landestheaters möglich gemacht.

Fotos: LTS