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„Wenn die Skeptiker Recht behalten, haben wir alles richtig gemacht“

Versorgungsarzt Dr. Jan Henrik Sperling zur medizinischen Situation in Memmingen

veröffentlicht am 27.04.2020
Dr. Sperling

Dr. Jan Henrik Sperling leitet und koordiniert die Infektpraxis. Foto: Sonnleitner

Memmingen (as). Am 9. April nahm die Infektpraxis für Patientinnen und Patienten mit Corona-Verdacht im Erdgeschoss des Maximilian-Kolbe-Hauses unter der Leitung von Versorgungsarzt Dr. Jan Henrik Sperling ihren Betrieb auf. In Drei-Stunden-Schichten wechseln sich Memminger Ärzte und medizinische Fachkräfte dort ab, um Patienten zu betreuen, deren Krankheitssymptome auf Corona hindeuten könnten. Die Lokale sprach mit dem Allgemein-, Notfall- und Palliativmediziner Dr. Sperling über die aktuelle Situation.

Herr Dr. Sperling, wie hat sich die Infektpraxis bislang entwickelt, wie ist der Zulauf?

Insgesamt gut, unter der Woche sind wir wechselhaft frequentiert Im Schnitt kommen 20 Patienten am Tag, am Wochenende sind es nur wenige.

Ist der Zulauf der Bereitschaftspraxis, die vom Klinikum in den ersten Stock des Kolbe-Hauses verlegt wurde, gleichgeblieben?

Nein, die Bereitschaftspraxis wird derzeit weniger aufgesucht. Aufgrund der räumlichen Nähe zur Infektpraxis trauen sich die Patienten noch nicht so richtig dort hin. Doch die Strukturen sind so, dass die Patienten sich in der Bereitschaftspraxis ohne Angst behandeln lassen können. Uns treibt derzeit die Sorge um, dass Patienten versuchen, ihre gesundheitlichen Probleme auszusitzen, denn es kommen viel weniger Patienten mit herkömmlichen Leiden in die Bereitschafts-, Hausarzt und Facharztpraxen und Klinken im Unterallgäu.

Vor Corona war es ja so, dass auch Patienten mit kleineren Problemen am Wochenende in die Bereitschaftspraxis kamen …

Ja, nun haben wir das andere Extrem, dass die Patienten sich nirgendwo mehr hintrauen. Aber die Sicherheit ist sowohl räumlich als auch strukturell gegeben, denn wir arbeiten zweigleisig. Dass ein Patient nur nach telefonischer Anfrage zum Haus- oder Facharzt gehen kann, ermöglicht es uns, abzuklären, wo er richtig ist. Wenn Sie neben ihren Knieschmerzen Fieber oder einen Infekt haben, dürfen sie nicht in die orthopädische Praxis gehen oder zum Hausarzt. Wenn Sie keine zusätzlichen Symptome aufweisen, können sie getrost zum Arzt gehen, ohne Angst haben zu müssen sich dort anzustecken, weil sie mit Corona-Patienten in Kontakt kommen könnten. Genauso kann der Corona- bzw. der Verdachtspatient mit Atemnot oder Husten in der Infektpraxis optimal versorgt werden.

Wie kann man sich die Zusammenarbeit mit dem Klinikum vorstellen, sind einige in der Praxis untersuchten Patienten dort stationär aufgenommen worden?

Wir haben hier vor Ort zum Glück momentan eine gute Phase, was die Anzahl der Covid-19-Infektionen betrifft. Memmingen hat von der Coronawelle nur die Ausläufer abbekommen. Die wenigen positiv getesteten Patienten sind meist recht gut beieinander und werden vom Gesundheitsamt täglich kontrolliert. Notfallmäßig in die Klinik geschickt werden musste bisher noch kein Patient.

Viele halten die Corona-Maßnahmen für überzogen. Was sagen Sie als Arzt den Skeptikern?

Wenn die Skeptiker am Ende Recht behalten, ist das ein Indiz dafür, dass wir alles richtig gemacht haben. Mit derzeit 48 bestätigten Covit-19 Infektionen (Stand 24. April) leben wir in Memmingen auf einer Insel der Glückseligkeit. Doch das kann sich jederzeit ändern und darauf sind wir strukturell hervorragend vorbereitet. Die Versorgungsärzte aller Regionen im Landkreis sind sehr gut vernetzt, auch die Zusammenarbeit mit den Kliniken klappt hervorragend. Hier ist von alten Differenzen wegen der Fusionsfrage nichts mehr zu spüren, die Krise hat uns zusammengeschweißt.

Was raten Sie den Memminger Bürgern und Bürgerinnen?

Mein Rat ist, weiterhin sehr vorsichtig zu sein. Durch die Lockerung treten wir jetzt in eine spannende Phase ein, wir haben die erste Welle gut überstanden, sind aber immer noch mit Schwimmärmelchen unterwegs und müssen aufpassen, dass wir nicht in einer zweiten Welle ins Strudeln geraten, das gilt besonders auch im Bereich der Altenheime.

Info: Die Infektpraxis ist geöffnet montags bis freitags von 10 bis 13 Uhr und 16 bis 19 Uhr; samstags, sonntags und an Feiertagen von 10 bis 19 Uhr. Die Bereitschaftspraxis ist geöffnet mittwochs und freitags von 16 bis 19 Uhr; samstags, sonntags und an Feiertagen von 10 bis 16 Uhr. Weiterhin besteht auch die Möglichkeit, sich an der Zentralen Teststation in der Stadionhalle auf Corona testen zu lassen.

Termine müssen in allen Fällen über die Hausarztpraxis vereinbart werden. Wer am Wochenende oder an Feiertagen ärztliche Hilfe benötigt, meldet sich beim Hausärztlichen Notdienst unter der Telefonnummer 116 117.