Memmingen (dl). „Die Blase ist ein Organ der Gefühle“, erklärt Gynäkologe Jan Elias Lanki vom Klinikum Memmingen anlässlich der Weltkontinenzwoche: „Sie wird durch Emotionen beeinflusst.“ Deswegen könnten Stress und Trauer Inkontinenz auslösen. Wie man eine Reizblase therapieren kann, zeigten Spezialisten des zertifizierten Beckenbodenzentrums bei einer Informationsveranstaltung.
„Man macht sich vor Angst in die Hose“, lautet ein Sprichwort. "Tatsächlich können Geldsorgen, Stress oder ein Todesfall in der Familie Inkontinenz auslösen", erklärt Oberarzt Lanki: "'Die Blase weint mit', heißt es dazu in der traditionellen chinesischen Medizin.“ Weil das Organ auf Emotionen reagiere, sei es wichtig, die Patienten in der Sprechstunde ganzheitlich zu betrachten: „Deswegen fragen wir auch nach, ob etwas in der Familie vorgefallen ist, das möglicherweise die Inkontinenz ausgelöst hat.“
Wie man einer Reizblase mit konservativen Mitteln begegnen kann, erklärt die leitende Physiotherapeutin Heidemarie Geier: „Inkontinenz kann mit einem schwachen Beckenboden zusammenhängen.“ Neben Beckenbodenübungen könnten auch einfache Verhaltensregeln helfen: „Lassen Sie sich auf der Toilette Zeit und pressen Sie nicht. Dann kann der Beckenboden am besten entspannen." Auch solle man nicht vorsorglich ein WC aufsuchen: „Das kann zu Irritationen und einer sogenannten hysterischen Blase führen“, ermahnt Geier.
Lassen sich Inkontinenzprobleme nicht konservativ behandeln, wird am Klinikum Memmingen seit gut einem Jahr ein Schrittmacher gegen den ungewollten Harnverlust implantiert. Das kleine Gerät kann auch bei Stuhlinkontinenz eingesetzt werden: „Hier können wir mit relativ einfachen Mittel sehr viel Gutes tun und auch Patienten helfen, für die es lange Zeit keine Therapie gab“, erklärt der Chefarzt der Frauenklinik und Leiter des Beckenbodenzentrums, Privatdozent Dr. Felix Flock.
Schrittmacher hilft bei Harn- und Stuhlinkontinenz
„Die genaue Wirkungsweise des Schrittmachers gegen Harn- und Stuhlinkontinenz ist nicht endgültig geklärt“, schildert die Proktologin Dr. Walburga Rauner, die sich um Erkrankungen von Mastdarm und After kümmert. „Allerdings liegt die Erfolgsrate bei 70 bis 80 Prozent.“
Der Schrittmacher wird minimal-invasiv über kleine Schnitte implantiert und mittels Fernbedienung vom Arzt programmiert. „Schwerwiegende Komplikationen sind bei der Operation nicht bekannt“, so die Oberärztin. Die Kosten werden von der Krankenkasse übernommen.
Tipps gegen ein weiteres, häufiges Volksleiden, nämlich die chronische Obstipation (Verstopfung), gab Oberarzt Dr. Matthias Missel von der Inneren Medizinischen Klinik II: „Eine seltene und erschwerte Darmentleerung kann durch mangelnde Bewegung begünstigt und durch bestimmte Arzneimittel wie Antidepressiva oder Blutdruckmedikamente ausgelöst werden.“
Neben körperlicher Aktivität und ballaststoffreicher Kost können laut Missel auch Medikamente mit unterschiedlichen Wirkmechanismen helfen, die beispielsweise das Wasser im Dickdarm binden und so zu einer besseren Entleerung führen. Auch eine sogenannte Biofeedback-Therapie könne bei einigen Patienten helfen: „Dabei trainiert man, den Schließmuskel zu entspannen.“ Denn bestimmte Formen der chronischen Verstopfung werden laut Missel durch den Schließmuskel verursacht.
Info: Das zertifizierte Kontinenz- und Beckenbodenzentrum am Klinikum Memmingen ist eines von lediglich sechs Zentren in ganz Bayern, die durch die Deutsche Kontinenz Gesellschaft zertifiziert wurden. Im Beckenbodenzentrum arbeiten verschiedenen Fachabteilungen interdisziplinär zusammen: Gynäkologie, Urologie, Kinderheilkunde, Viszeralchirurgie/Proktologie, Gastroenterologie sowie Physiotherapie.