Die drei Allgäuer Bundestagsabgeordneten diskutieren mit Wirtschaftsvertretern, unter anderem mit IHK-Regionalvorsitzender Andrea Thoma-Böck (zweite von links) und IHK-Vizepräsident Dr. Albert W. Schultz (zweiter von rechts). Foto: IHK
Memmingen (dl). Bereits Stromausfälle im Millisekunden-Bereich bedeuten für Unternehmen einen hohen wirtschaftlichen Schaden. Während eines Besuchs von Bundestagsabgeordneten bei dem gastgebenden Industrieunternehmen Magnet-Schultz GmbH & Co. KG in Memmingerberg kam es ungeplant zu einem zweistündigen Stromausfall. Es wird befürchtet, dass sich diese Ereignisse in Zukunft häufen.
Kurz vor Weihnachten fand ein Treffen zwischen Allgäuer Unternehmensvertretern mit den regionalen Bundestagsabgeordneten Mechthilde Wittmann (CSU), Stephan Thomae (FDP) und Stephan Stracke (CSU) statt. Beherrschendes Thema waren die hohen Energiekosten und die Versorgungssicherheit am Industriestandort Bayerisch-Schwaben. Während des Austauschs kam es in dem gastgebenden Industrieunternehmen Magnet-Schultz GmbH & Co. KG (MSM) in Memmingerberg tatsächlich zu einem kurzen Stromausfall und die Runde saß buchstäblich im Dunklen.
„Diese Stromausfälle im Millisekunden-Bereich werden von der Bundesnetzagentur nicht erfasst, sie haben aber hohes Schadenspotential. In unserem Fall standen über 100 hochmoderne Werkzeugmaschinen und vollautomatisierte Montageanlagen für rund zwei Stunden still. Wir beziffern den wirtschaftlichen Schaden auf über 100.000 Euro und befürchten, dass sich diese Ereignisse zukünftig häufen können“, fasst Gastgeber und IHK-Vizepräsident Dr. Albert W. Schultz die Geschehnisse zusammen. Gemeinsam mit der IHK-Regionalvorsitzenden Andrea Thoma-Böck organisierte der Unternehmer am 1. Dezember 2022 einen Austausch mit den Allgäuer Bundestagsabgeordneten. Weitere Teilnehmer des Gesprächs waren Markus Fehr, COO von Ehrmann SE sowie weitere Vertreter der MSM und der IHK Schwaben. Neben der Besichtigung des HighTech-Produktionsstandortes war Ziel des Treffens, über die Energieversorgungssituation zu sprechen. Die hohen Energiepreise belasten die Unternehmen und die Sorge über die künftige Versorgungssicherheit macht sich zunehmend in der Unternehmerschaft breit.
Die Situation in Bayerisch-Schwäbischen Unternehmen ist angespannt
Bereits seit einigen Monaten berichten die Unternehmen in Bayerisch-Schwaben von den enorm gestiegenen Kostenbelastungen. Laut IHK-Konjunkturumfrage sind für mehr als
80 % der Unternehmen die hohen Energiepreise schon heute ein wirtschaftliches Risiko. In der Konsequenz stellen bereits 46 % der bayerisch-schwäbischen Unternehmen Investitionen zurück, 15 % müssen ihre Produktion einschränken und für 9 % kommen bereits Produktionsverlagerungen in Betracht. „Wenn die Politik nicht schnell handelt, dann nimmt unser Wirtschaftsstandort irreparablen Schaden“, warnte IHK-Regionalversammlungsvorsitzende Andrea Thoma-Böck die anwesenden Abgeordneten: „Die Strom- und Gaspreisbremsen sind richtig und wichtig, wir begrüßen diese Initiative. Wir sehen aber auch noch deutlichen Nachbesserungsbedarf beispielsweise bei den Konditionen, den Prüf- und Meldepflichten aber auch bei dem geplanten Referenzverbrauch aus dem Jahr 2021. Unternehmen, die in diesem Jahr unter den Corona-Lockdowns gelitten haben, werden nun doppelt bestraft und erhalten weniger Unterstützung.“ Die Unternehmerin gibt aber auch zu bedenken, dass diese Maßnahmen nur eine kurzfristige Lösung sein können und langfristig eine neue Energiepolitik notwendig ist: „Wir können die hohen Preise nicht auf Dauer durch staatliche Hilfen ausgleichen“.
Sorgen über anhaltende Versorgungssicherheit nehmen zu
Doch nicht nur die hohen Energiepreise belasten die Unternehmen in der Region. Insbesondere in Süddeutschland mehren sich die Zweifel, ob das Niveau der Versorgungssicherheit zukünftig erhalten bleibt. Diese Sorgen wurden durch den zweiten Stresstest Versorgungssicherheit der Bundesregierung bestätigt. „Die Analysen haben ergeben, dass es im Süden Deutschlands in kritischen Stunden zu Versorgungsengpässen kommen kann. Kontrollierte Brownouts, also das geplante Abstellen der Stromversorgung, könnten dann eintreten. Für ein Industrieunternehmen mit hohem Automationsgrad wie MSM ein fatales Signal“, erklärt Dr. Schultz. Noch dramatischer als kontrollierte Stromausfälle sind aber ungeplante Stromausfälle, denn ohne Vorbereitungszeit kommt es zu noch höheren wirtschaftlichen Schäden. „In einer hochmodernen Produktion reichen kleinste Spannungsschwankungen und alles kommt zum Erliegen. Die Politik muss reagieren, wenn hochmoderne Produktion in Deutschland eine Zukunft haben soll,“ kritisiert Dr. Schultz. Als es während des Gesprächs tatsächlich zu einem zufälligen Stromausfall kam, erlebten die Bundestagsabgeordneten eindrücklich was passiert, wenn in der Industrie buchstäblich das Licht ausgeht.
Unternehmer formulieren Forderungen an die anwesende Politik
In der Konsequenz fordert die bayerisch-schwäbische Wirtschaft nun entschlossenes und pragmatisches Handeln der Politik. Neben der Ausweitung des Angebots auf dem Strommarkt, vor allem über die Reaktivierung und den Weiterbetrieb von Kohle- und Kernkraftwerken, müssen alle Potentiale im Bereich erneuerbare Energien schnell ausgeschöpft werden. Dies ist sowohl in puncto Energiepreise als auch für den Erhalt der Versorgungssicherheit elementar. Zudem muss eine Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren erfolgen, um die notwendige Geschwindigkeit zu ermöglichen. Der IHK-Vizepräsident Schultz appellierte an die Mandatsträger: „Die Bundesnetzagentur führt in Deutschland eine Statistik über Stromausfälle die länger als drei Minuten dauern. Der Stromausfall in unserem Unternehmen dauerte wenige Sekunden. Die dadurch entstandenen Schäden werden in keiner Statistik erfasst und sind alleine durch uns zu tragen. Es ist Aufgabe des Staats und der Politik eine sichere und bezahlbare Energieversorgung am Standort zu gewährleisten, ansonsten sehen wir die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft in Deutschland massiv bedroht.“