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Was ändert sich 2017 in der Pflege? - Die Lokale fragt den Fachteamleiter der AOK Pflegekasse Johannes Jähn

veröffentlicht am 20.12.2016
Jähn AOK

Johannes Jähn, Fachteamleiter AOK Pflegekasse Memmingen

(as). Ab 1. Januar 2017 gelten neue Maßstäbe in der Pflege. Mit der Neudefinition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs, der sich nicht mehr an den Defiziten, sondern an den Fähigkeiten des Patienten orientiert, ändert sich auch das Begutachtungsverfahren, demzufolge Pflegebedürftige in die neuen Pflegegrade eingeteilt werden. Lokale-Redakteurin Antje Sonnleitner sprach mit dem Fachteamleiter der AOK Pflegekasse Memmingen Johannes Jähn über die neuen Regelungen.

 Herr Jähn, welche sind die Kernpunkte der Reform?

Zentral ist die neue Definition des  Pflegebedürftigkeitsbegriffs, die u.a. Demenzkranken den gleichen Zugang zu Leistungen der Pflegeversicherung einräumt wie körperbehinderten Menschen. Kriterium zur Pflegeeinstufung sind nicht mehr der Hilfebedarf oder nötige Pflegeminuten, sondern die Frage nach dem Grad der Selbstständig des Betroffenen. Zudem erlauben die künftigen Pflegegrade 1 bis 5 individuellere Einstufungen als die bisherigen Pflegestufen 1 bis 3.

Müssen Pflegebedürftige mit Leistungskürzungen rechnen?

Nein, Pflegebedürftige die bisher Leistungen bezogen haben, sollen nach der Umstellung keinen geringeren Leistungsanspruch haben. Im Gegenteil, in der überwiegenden Zahl der Fälle stehen den Pflegebedürftigen sogar mehr Leistungen zu. Wer heute Pflegestufe 1 ohne eingeschränkte Alltagskompetenz hat, wird automatisch und ohne neue Begutachtung in Pflegegrad 2 übergeleitet. Außerdem greift die Pflegeversicherung früher: Mit dem Pflegegrad 1 werden vorrangig somatisch beeinträchtigte Pflegebedürftige gestärkt, die einen geringen Bedarf an personeller Unterstützung haben. Diese erhalten zum Beispiel einen Zuschuss für einen barrierefreien Wohnungsumbau oder Betreuungsleistungen.

Ziel des neuen Pflegestärkungsgesetzes ist nicht zuletzt, die ambulante Pflege zu stärken. Was bedeutet das PSG für die stationäre Pflege?  

Pflegeheimbewohner müssen zukünftig bei steigendem Pflegebedarf keinen höheren Eigenanteil befürchten. Auch hier greift die Besitzstandswahrung für heutige Leistungsbezieher. Insofern im Jahr 2017 ein höherer Eigenanteil an den pflegebedingten Aufwendungen im Vergleich zu 2016 vorliegt, wird die Differenz von der Pflegekasse ausgeglichen.

Wen oder was stärken die „Pflegestärkungsgesetze“?

Die PSG stärken besonders pflegende Angehörige, die Pflegekasse zahlt ab 2017 bereits ab zehn statt 14 Stunden Pflege pro Woche, verteilt auf zwei Tage, Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung für pflegende Angehörige. Geben diese ihren Beruf zugunsten der Pflege auf, übernimmt die Pflegekasse ggf. die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung.

Wie werden die Mehrleistungen finanziert?

Ab 1. Januar steigen die Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung um 0,2 Prozentpunkte auf 2,55 Prozent des Bruttolohns, bei Kinderlosen auf 2,8 Prozent.

Wie beurteilen Sie das neue Gesetz insgesamt?

Durchaus positiv. Die neuen Gesetze bedeuten durch die ganzheitliche Begutachtung aller elementaren Lebensbereiche eine Besserstellung für viele Pflegebedürftige. Besonders profitieren Betroffene mit eingeschränkter Alltagskompetenz. Pflegbedürftige mit Demenz machen einen doppelten Stufensprung in der Bewertung und gehen z.B. von Pflegestufe 2 zu Pflegegrad 4 über.

Sollten Menschen mit Pflegebedarf, die noch keine Pflegestufe haben, noch in  diesem Jahr einen Antrag stellen?

Generell macht eine Antragstellung dann Sinn, wenn aktuell ein konkreter Hilfebedarf vorliegt. Noch fehlen die Erfahrungswerte für das neue Begutachtungsverfahren. Es ist bei einer Neueinstufung durchaus denkbar, dass jemand nach den neuen Kriterien der Begutachtung schlechter abschneidet. Wer jedoch in 2016 noch eine Pflegestufe zugesprochen bekommt und demzufolge automatisch in einen Pflegegrad übergeleitet wird, hat hierauf grundsätzlich einen lebenslangen Bestandschutz.