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Vortrag im Vöhlin-Gymnasium: Neue Migrationspolitik statt "Asyl als Lotterie"!

veröffentlicht am 19.03.2016
Jörger EU

Diplom-Politologe Michael Jörger vom Rednerdienst „Team Europe“ der Europäischen Kommission erklärte über 400 Memminger Schüler/innen die Hintergründe und Perspektiven der Flüchtlingskrise. Foto: Sonnleitner

Memmingen (as). Im Vöhlin-Gymnasium referierte Diplom-Politologe Michael Jörger vom Rednerdienst „Team Europe“ der Europäischen Kommission und Lehrbeauftragter der Universität München vor knapp 450 Zuhörern zum Thema „Hin zu einer neuen Migrationspolitik - Maßnahmen der EU Kommission“. Die meisten der knapp 450 Zuhörer waren Schüler/innen Memminger Gymnasien, der beiden Realschulen sowie der Fach- und Berufsoberschule.

Als „sehr ernstes Thema, an dem sich das Schicksal Europas entscheidet“ bezeichnete Burghard Arnold, Schulleiter des Vöhlin-Gymnasiums, den Streit der EU-Staaten um die Verteilung der Flüchtlinge. Jörger erklärte den Schülern zunächst die Fakten und Hintergründe dieser „weltweiten Herausforderung“. Dabei machte zunächst einmal klar, dass es um Menschen gehe, die eine gerechte Behandlung verdienen. „Alle vier Sekunden ist ein Mensch gezwungen, zu fliehen und seine Heimat zu verlassen“, erklärte Jörger. Insgesamt beträfe dies aktuell 60 Millionen Menschen, „mehr als je zuvor seit dem zweiten Weltkrieg“.

Er betonte, dass die Genfer Flüchtlingskonvention und das Deutsche Grundgesetz Menschen, die verfolgt oder bedroht würden, ein Recht auf ein Asylverfahren in der EU bzw. in Deutschland einräume. Doch das „Gemeinsame Europäische Asylsystem“ (GEAS) mache Asyl zu einer Lotterie, da es im „asylpolitischen Flickenteppich der EU“ keine gemeinsamen Standards und keine geteilte Verantwortung gäbe. Und auch keine verbindliche Liste „sicherer Herkunftsländer“. Wegen dieser Mängel des GEAS habe die EU-Kommission letztes Jahr Verfahren gegen 72 Mitgliedstaaten eingeleitet, erklärte Jörger seinen überwiegend jungen Zuhörern.

Auch die Dublin-Verordnung, der zufolge Asyl in dem Staat beantragt werden muss, das der Flüchtling als erstes betreten hat (also Mittelmeerstaaten wie in Italien und Griechenland), sei gescheitert und müsse endlich ersetzt werden, konstatierte der Politologe. (Aufgrund eines Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Jahr 2011 dürfen nach Griechenland keine "Dublin-Flüchtlinge" mehr zurückgeschickt werden.)

"Die Toten im Sandmeer"

Neben den diversen Ursachen der Flucht beschrieb Jörger auch das „unsägliche Leid und Elend“, das den Flüchtlingen auf ihrer Reise bevorsteht. So sterben beim Durchqueren der Sahara mit „hoffnungslos überladenen LKWs“ ebenso viele Menschen wie im Mittelmeer. Übrigens sei Seenot ein in ganz Europa verpflichtender Notstand – „alle Schiffe sind zur Seerettung verpflichtet“ - worauf sich leider auch die Schlepperbanden verließen, bedauerte der Politologe.

„Die EU braucht eine neue Politik für legale Zuwanderung“, folgerte der Referent, wozu neben der fairen Umverteilung von Flüchtlingen auch die Bekämpfung der Fluchtursachen gehöre. Doch umsetzen müssten diese die Mitgliedstaaten – und hier sind die Fronten im Wortsinne verhärtet, die Balkanroute geschlossen. „Mit dem Schließen von Grenzen ist es nicht getan. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Schlepper neue Routen finden, zum Beispiel über Albanien“, mahnte Jörger.

"Europa der zwei Geschwindigkeiten"

Kein Mitgliedsstaat der EU könne die anstehenden Fragen allein lösen,  doch nur die am stärksten frequentierten Länder Deutschland, Griechenland und Italien plädierten für eine gerechte Lösung durch eine Verteilungsquote. Es gäbe ein "Europa der zwei Geschwindigkeiten", erklärte er auf die Frage eines Schülers, was man tun könne, wenn einzelne Staaten sich weigerten, zu kooperieren. Man müsse mit einem kleinen Teil der EU-Staaten, einer „Koalition der Willigen“, vorangehen.

Da zu diesem Zeitpunkt der Ausgang des EU-Gipfels noch nicht feststand, konnte der Referent darauf nicht konkret Bezug nehmen. Ein Abkommen mit der Türkei sei nötig, da knapp 886.000 der illegalen Grenzübertritte hier stattgefunden hätten. Allerdings habe die Türkei die Hürden für ein Abkommen sehr hoch gelegt und die Visumsfrage nannte er eine „ganz heiße Kiste“.

Es gelte noch viele Steine aus dem Weg zu räumen, „doch ich sehe das zartes Pflänzchen einer positiven Entwicklung“, so der Referent hoffnungsvoll. Er  erinnerte daran, dass viele Bundesbürger einst selbst eingewandert seien, um ihr Überleben zu sichern. "90 Prozent der Menschen wären froh, wenn es ihnen so schlecht ginge wie uns“, schloss Jörger seinen Vortrag, der von den jungen Zuhörern aufmerksam verfolgt wurde.