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Von Liebe und Doppelmoral

Begeisternde Premierevorstellung von "Reigen"

veröffentlicht am 07.02.2023
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Das große Bett als Bühnenbild und Szene vieler Liebes-Reigen. Von links: Laura Roberta Kuhr, Thorsten Hamer, Flurina Schlegel und Sebastian Egger. Foto: LTS

Memmingen (sg). „Der Reigen“ von Artur Schnitzler feierte in der Inszenierung von Christine Hofer am Landestheater Schwaben eine erfolgreiche Premiere, wobei das Anfang des 20. Jahrhunderts geschriebene Stück gleichermaßen begeisterte wie schockierte und kaum an Aktualität verloren hat. Immer an der Grenze zwischen Spiel, Moral und Ernst stellt „Der Reigen“ dem Publikum letztlich die Frage aller Fragen: Was ist Liebe?

Ein Bühnenbild, das im wahrsten Sinne des Wortes in die Lüfte hebt. Eine sehr gelungene musikalische Umrahmung der Szenen und vier junge Schauspieler, die in verschiedenen Rollen glänzten. Dazu ein gut besuchtes Großes Haus bei der Premiere, aus dem immer wieder Lacher und Momente des Luftanhaltens kommen. Denn „Der Reigen“ fragt jeden einzelnen, fragt uns als Gesellschaft: Was ist moralisch in Ordnung? Was ist eigentlich Liebe? Und welche Rollen haben Mann und Frau zu spielen?
Bei all den missglückten Flirts, Missverständnissen, Unsicherheiten und Kränkungen gib es auch immer etwas Wahrhaftiges, das vom Grund der Liebschaften geborgen werden kann. Neben aller Verletzlichkeit, die sich tief in den Figuren versteckt, sind es Humor und Situationskomik, die in den Dialogen immer wieder durchschlagen.
Im Reigen wird öffentlich geküsst und heftig geliebt – durch alle Gesellschaftsklassen hindurch. Es entsteht ein fast schon erschreckend ehrliches Bild, während die Protagonisten auf ihren Liebesabenteuern begleitet werden. Dabei wird absurderweise nie wirklich ausgesprochen, dass man sich liebt. Und es bleibt die Frage offen, um was es geht: Um Liebe oder doch nur um körperliches Verlangen, oder gar nur um die eheliche Pflicht?
Mit einem überraschenden Ende, das ein zerwühltes Bett zurücklässt und den Zuschauern allerlei provokante Fragen präsentiert wie „Hälst du das für Liebe, was du mir antust?“ oder „Halte ich das für Liebe, was ich dir antue?“ oder „Sagst du Ja, wenn du Nein meinst und liebst?“ oder oder oder … wird gleichermaßen ein Spiegel vorgehalten wie zum Nachdenken angeregt.
Der Reigen fördert allerlei Wahrheiten ans Tageslicht. Wahrheiten, die oft im Verborgenen gelebt wurden und werden. Nicht nur die Szenen im Stück werden grell ausgeleuchtet, sondern auch das Publikum und wir als Gesellschaft müssen uns beim Zusehen den Wahrheiten stellen und uns hinterfragen. Das Stück ist nicht nur Vergnügen, es ist zum Teil skandalös, mag der eine oder andere sagen. Doch wie schon Alfred Kerr 1920 in seiner Kritik in der Zeitung „Der Tag“ schrieb, kann man auch heute sagen: „Der Erfolg war gut; die Hörerschaft wurde nicht schlechter davon. Und die Welt ist, zum Donnerwetter, kein Kindergarten.“