Die Lokale Memmingen
Gefro AOK Brommler stadtmarketing Enerix Golfclub Memmingen Innoverta Landestheater Schwaben Cineplex Kaminwerk Memmingen FC Memmingen Rechtsanwalt Philipp Hacker Radio AllgäuHit

"Verteidigen, was uns wichtig ist“: CDU-Bundestagsabgeordenter Wolfgang Bosbach redet Tacheles

veröffentlicht am 04.07.2016

Memmingen (as). Klartext sprach der CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach bei seinem ersten Besuch in Memmingen auf Einladung seines Kollegen Stefan Stracke (CSU). „Ich bin in vielen Fragen anderer Auffassung als die Parteispitze“, verkündete Bosbach. Lieber gebe er jedoch sein Amt auf, als sich "neue politische Überzeugungen" zuzulegen. Mit seinen Standpunkten zu aktuellen Themen wie Brexit und EU-Krise, Flüchtlingspolitik und Integration stieß er auf großen Beifall bei den über 100 Zuhörern im maßlos überfüllten Saal des Hotels Weisses Ross.

Die Regierung habe den Bürgern eine Währungs- und keineswegs eine Haftungs- oder Transferunion versprochen, erinnert Wolfgang Bosbach. Indem er gegen eine Ausweitung des europäischen Rettungsschirms und des Hilfspaketes für Griechenland gestimmt habe, habe er sich an dieses Versprechen und die ursprüngliche Auffassung seiner Partei gehalten. „Man kann eine Krise, die durch Überschuldung entstanden ist, nicht durch neue Kredite lösen“, erklärt Bosbach. „Und warum sollen deutsche Steuerzahler in anderen Ländern für Ausfallrisiken haften?“

Den Brexit bezeichnet der prominente Politiker als „Schlag ins Kontor des politischen Einigungsprozesses“. Die EU müsse nachdenken, wie es zu diesem Votum kommen konnte. „Europa darf sich nicht überheben und alles zwischen Finnland und Sizilien vereinheitlichen“. Vielmehr solle ein Europa, das er sich als Bund eigenverantwortlicher, souveräner (und nicht von Brüssel aus zentral regierter) Nationalstaaten vorstellt, nur das Notwendige regeln. „Der wirkliche Wert des Einigungsprozesses ist nicht der Freihandel, sondern Frieden und Freiheit“, betont der Abgeordnete.

Bosbach

„Wer den Zeitgeist heiratet, ist schnell Witwer“ - Wolfgang Bosbach feuert mit scharfen Pointen gegen die CSU-Parteispitze um Angela Merkel. Der 1952 in Bergisch-Gladbach geborene CDU-Bundestagsabgeordnete versteht es, seine ungeschminkte Meinung so amüsant zu verpacken, dass sein Auftritt in Memmingen kabarettistische Züge hatte. Dennoch ist seine Kritik an der Integrität und am Führungsstil Merkels durchaus ernst. Auf Abweichler werde fraktionsintern großer Druck ausgeübt: „Ich fühle mich zu Solidarität verpflichtet, will mich aber auch nicht länger verbiegen lassen“, beschreibt Bosbach sein Dilemma.

„Wir müssen wissen, wer in unser Land kommt“

„Nach welchen Regeln wollen wir leben?“, lautet eine der zentralen Fragen Bosbachs. Ein klarer Standpunkt sei auch im Umgang mit den über vier Millionen Muslimen (darunter etwa 4.000 Islamisten) in Deutschland gefragt. „Ich habe ein Problem mit dem Satz ‚Der Islam gehört zu Deutschland‘“, bekennt der bei den Bürgern beliebte CDU-Politiker. Deutschland habe keine islamische kulturelle Tradition. „Alle Christen sollten in islamischen Ländern genauso viel Religionsfreiheit haben wir umgekehrt“, lautet sein Vorschlag zur Religionsfreiheit.

Im Übrigen müsse jeder, der  nach Deutschland kommt, sich ohne Wenn und Aber in die Rechts- und Werteordnung der Bundesrepublik integrieren, fordert der Referenten. „Warum tun wir uns so schwer, Selbstverständlichkeiten zu formulieren? Wir müssen verteidigen, was uns wichtig ist!“, betont der Abgeordnete unter Beifall des Publikums.

Ein weiteres markantes Statement, das der Referent aufs Korn nimmt, ist Angela Merkels berühmte Aussage „Wir schaffen das!“. „Wer ist wir?“, hinterfragt der Abgeordnete. "Ohne die ehrenamtliche Arbeit der Bürger wären die staatlichen Einrichtungen längst kollabiert!". Deutschland habe weit mehr Flüchtlinge als die anderen 27 EU-Staaten zusammen aufgenommen. „Es gibt keine im Europarecht festgeschriebene Grenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen, doch kein Land hat unbegrenzte Aufnahmefähigkeit und Integrationskraft“, so Bosbach. Als seine größte Sorge bezeichnet er die ungeklärte Nationalität und Identität der Flüchtlinge, die keine Papiere haben. „Wir müssen wissen, wer in unser Land kommt.“

Die Integrationskosten schätzt der Abgeordnete auf 15 bis 20 Milliarden Euro im Jahr. Zudem könnten nur 10 bis 15 Prozent der Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt integriert werden. „Doch wesentlich teurer wird es, wenn die Integration viel schlüge“, ist Bosbach überzeugt.

Klare Abgrenzung zur AfD

Die Fragen aus dem Publikum bezogen sich unter anderem auf die Rolle der Türkei bzw. die Abhängigkeit, in die sich Europa durch das jüngste Flüchtlingsabkommen manövriert hat, und die AfD. Bosbach bezeichnet die antieuropäische und nationalistische Partei als „relevante politische Kraft“, zu der man sich inhaltlich klar abgrenzen müsse. Zum geplanten Alleingang der EU-Kommission in Sachen TTIP und CETA äußert Bosbach sich befremdet: „Ich erwarte, dass darüber im Deutschen Bundestag beraten und entschieden wird.“