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Stimmung vor den Wahlen: "Unsere Gesellschaft muss wieder sozialer werden!"

veröffentlicht am 12.09.2013

FacebookMemmingen (as). "Wenn Wahlen etwas ändern könnten, dann wären sie verboten", behaupten Zyniker. Nun, in manchen Staaten dieser Erde gibt's tatsächlich keine ernstzunehmenden Wahlen - vielleicht, weil dadurch durchaus Veränderungen herbeigeführt werden können? DIE LOKALE wollte wissen, mit welchen Erwartungen die Bürger an die Wahlurnen gehen und hat Passanten in der Fußgängerzone befragt.

Karin Schirk, selbständig, Balzheim (B-W) Karin Schirk, selbständig, Balzheim (B-W)

Karin Schirk wünscht sich mehr Verteilungsgerechtigkeit: „Ich bin Unternehmerin im Kosmetikvertrieb mit 68 Angestellten und habe den Handels- und Gewerbeverein in meiner Heimatstadt Balzheim mit aufgebaut. Dennoch wünsche ich mir einen 'Linksruck'. Unsere Gesellschaft muss wieder sozialer werden. Für mich wäre eine Koalition der SPD mit den Grünen und den Linken völlig okay.  Leider hat die SPD mit Steinbrück aufs falsche Pferd gesetzt. Der kommt beim Wähler nicht so gut an. Ich habe nicht viel Hoffnung, dass sich etwas ändert. Ich fürchte, die Situation bleibt so schlecht."

Daniel Antoszewsky, Angestellter, Ottobeuren Daniel Antoszewsky, Angestellter, Ottobeuren

Daniel Antoszewsky sieht Deutschland an einem Scheidepunkt. "Aber ich fürchte, nach der Wahl geht es genau so weiter wie bisher. Die Umfragewerte Steinbrücks sind zwar nach dem TV-Duell leicht gestiegen, aber das wird nicht reichen für einen Machtwechsel." Wie sieht er die Kandidaten? "Merkel ist zu schnell eingeknickt beim Thema Maut, das macht sie unglaubwürdig. Steinbrück hat das Zeug zum Kanzler. Dazu muss er nicht auf Anhieb sympathisch sein. Wichtiger sind Glaubwürdigkeit und Führungsqualität. Merkel wird weiterhin alles aussitzen – aber braucht Deutschland das?". Daniel wünscht sich mehr soziale Gerechtigkeit. Eine schwierige Frage sei die Verteilungsgerechtigkeit in Zeiten der Globalisierung. Sorgen bereitet ihm auch die Griechenlandhilfe: "Das ist ein Fass ohne Boden". Aber den Euro abschaffen? "Das kann ich mir nicht vorstellen", sagt der 25-Jährige. Von Politikverdrossenheit sei in seinem Umfeld übrigens nichts zu spüren: "Meine Freunde gehen alle zur Wahl. Politik ist wichtig, gerade die Renten können meiner Generation nicht egal sein."

Rainer und Renate Skrzypalle, Celle, Allgäu-Urlauber Rainer und Renate Skrzypalle, Celle, Allgäu-Urlauber

Renate und Rainer Skrzypalle sind sich einig: "Es wird eine große Koalition geben, keines der Lager wird eine Mehrheit bekommen." Ist das gut für Deutschland? "Nein, ein Wechsel wäre besser." Warum? "Die sozialen Verhältnisse sind ungerecht." Auf die Kanzler-Frage meint Rainer Skrzypalle: "Steinbrück ist glaubwürdig, er wurde von der Presse in die Enge getrieben." Die Ecken und Kanten Steinbrücks mag der gebürtige Hamburger:  "Er ist leider nicht mutig genug. Er hätte noch entschiedener auftreten müssen - auf den Tisch hauen wie Wehner seinerzeit." - Und Merkel? "Ich mag sie nicht. Die sitzt immer alles aus, wartet erst mal ab", erklärt Rainer Skrzypalle. Seine Frau weiß bereits eine bessere Einsatzmöglichkeit für die Kanzlerin: "Angela Merkel wäre eine gute Außenministerin." Beide bemängeln das Desinteresse, vor allem jüngerer Leute, an Politik. "Wir hoffen, dass durch das Internet viele mobilisiert werden, zur Wahl zu gehen." Befragt zur Bayernpolitk äußerst sich der Hanseat Skrzypalle kritisch. Seehofer betreibe Bauernfängerei, was die Pkw-Maut betrifft: „Da kommt er nicht mit durch, das verstößt gegen EU-Recht. Wir können nicht nur die Ausländer abkassieren.“

Joana Rüger und Tochter Julina (6), derzeit arbeitslos, Memmingen Joana Rüger und Tochter Julina (6),  Memmingen

Auch Joana Rüger hofft auf einen Machtwechsel: "Die Chancen stehen 50 zu 50." Sie glaubt, dass die SPD ihr Versprechen bricht und mit der Linken koaliert. Wäre sie dann enttäuscht? "Ja, aber es wäre dennoch wünschenswert." Die derzeitige Politik empfindet sie als unsozial: "Die Renten müssen angeglichen werden. Ein Lehrer, der eh schon gut verdient, bekommt eine satte Pension, ein Altenpfleger, der Knochenarbeit leistet, geht dagegen leer aus". Joana Rüger fürchtet, dass sich die soziale Schere weiter öffnet, wenn Angela Merkel Kanzlerin bleibt. "Merkel kann sich gut verkaufen, das war's aber dann auch schon." Der Herausforderer Steinbrück ist ihr seit dem TV-Duell sehr sympathisch: "Er hat mehr zu bieten, sieht das vieles anders werden muss. Ich finde ihn vertrauenswürdiger."

Peter Pöschl, Rentner, Memmingen Peter Pöschl, Rentner, Memmingen

Für Peter Pöschl ist Politik eine abgekartete Sache. Er ist überzeugt davon, dass die "Bildberg Gemeinschaft" der Drahtzieher hinter den Kulissen der Macht sei. Kritiker sprechen von einem Geheimbund, der die Geschicke der Welt lenkt. So auch Pöschl: "Es ist immer derjenige Kanzler geworden, den das Großkapital dafür ausgewählt hat. Nun wollen sie Steinbrück und haben die Medien gleichgeschaltet - 'BILD' wirbt täglich für Steinbrück." Pöschl prognostiziert ein Bündnis zwischen Roten, Grünen und Linken.

Übrigens glaubte keiner der Befragten, dass die Landtagswahl an den Machtverhältnissen in Bayern etwas ändern wird. Ganz radikal sah das Verschwörungstheoretiker Pöschl: "Die CSU hat auch die Opposition mit Leuten aus den eigenen Reihen bestückt."

Zweifel an den Wahlversprechen - und an der eigenen Wahlkompetenz

Fazit: Fünf der fünf auskunftswilligen Befragten sind mit den derzeitigen Verhältnissen unzufrieden. Auch die Hoffnung, dass sich nach den Wahlen etwas ändert, ist eher gering. Den Aussagen der Politiker im Wahlkampf messen die Befragten keine große Bedeutung zu. Andere Passanten wollten sich nicht äußern, manche zweifeln an der eigenen Wahlkompetenz: "Ich komm' damit nicht klar, bin froh, wenn‘s rum ist und ich mein Kreuzl gemacht hab!".

Fotos: DL/as