Memmingen (as). Das Bündnis „STOPP TTIP Memmingen-Unterallgäu“ hat zu einem Informationsabend in der Stadthalle geladen. Starken Beifall der rund einhundert Gäste bekam Roman Huber für sein Referat über die kritischen Punkte des geplanten Freihandels- und Investitionsschutzabkommens TTIP (Transatlantic-Trade-and-Investment-Partnership). Huber verwies die engagiert diskutierenden Zuhörer auf den für September geplanten Start einer Europäischen Bürgerinitiative. Eine Million Unterschriften aus mindestens sieben EU-Ländern sind dafür nötig.
Das Abkommen zwischen der Europäischen Union und den USA wird seit Juni 2013 hinter verschlossenen Türen verhandelt, obwohl über eine Milliarde Menschen vom dem Ergebnis des völkerrechtlichen Vertrags, der die größte Freihandelszone weltweit besiegeln soll, betroffen sind. Eine öffentliche Diskussion konnte nur entstehen, weil geheime Verhandlungstexte „durchgeleakt“ wurden, so Roman Huber vom Verein „Mehr Demokratie“.
Fehlende demokratische Kontrolle
Doch problematisch sei nicht nur die Intransparenz, sondern die fehlende demokratische Kontrolle: Anonyme Industrielobbyisten diktieren ihre Interessen direkt in den Vertrag und werden damit zu Co-Autoren von Gesetzen - ohne Mitspracherecht der 28 demokratisch gewählten nationalen Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten. Die Parlamente könnten nur noch "Ja" oder "Nein" zu dem fertigen Vertrag sagen, erklärte Huber.
TTIP will den Abbau von Zöllen und „Handelshemmnissen“, dazu gehören auch solche, die durch Verbraucherschutz, Kennzeichnungspflicht, Datenschutz und Arbeitnehmerrechte entstehen. Wenn solche Rechte dem Handel hinderlich sind bzw. den Interessen von Großkonzernen im Wege stehen, sollen sie „harmonisiert“ werden. In der Praxis bedeute dies, dass Standards gesenkt werden.
Steuerzahler kommt für Schaden der Investoren auf
Darüber hinaus sollen Investoren die Möglichkeit bekommen, Staaten vor Schiedsgerichten, die dem Verfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof übergeordnet sind, zu verklagen, wenn sie ihre Gewinnaussichten „durch demokratische Beschlüsse verletzt“ sehen. Das durch Handelsanwälte gesprochen Recht gelte sofort, sei unanfechtbar und ohne Möglichkeit der Revision sofort gültig, so Huber. Wenn der Investor gewinnt (was sehr wahrscheinlich sei), müsse der Steuerzahler für den Schadensersatz aufkommen, der um ein Vielfaches höher sei als die Streitsumme. So erhielt 2013 ein Investor, der 5 Millionen Dollar in ein Tourismusprojekt in Lybien investiert hatte, zusätzlich 30 Millionen wegen Reputationsverlust und 900 Millionen für entgangenen Gewinn zugesprochen.
"Erosion des Rechtsstaates"
„Es geht nicht nur um Chlorhühnchen!“ - Huber warnt vor einem „gefährlichen neues Denkmuster jenseits der Demokratie“, das zu einer Erosion des Rechtsstaates führe: „Großkonzerne definieren die Spielregeln des Marktes“, die Politik unterliege vollends dem Diktat der Wirtschaft. „Doch wenn ein ziviler Aufschrei kommt, ist das Abkommen schwer durchsetzbar. Wir müssen jetzt zusammenhalten und TTIP und CETA (das bereits fertig verhandelte Abkommen zwischen Europa und Kanada) zu Fall bringen", plädierte Huber unter lautem Beifall der Zuhörer.
Das Bündnis „TTIPunfairhandelbar“ bereitet eine Europäischen Bürgerinitiative (EBI) vor, um die EU-Kommission aufzufordern, die TTIP-Verhandlungen zu stoppen bzw. das CETA-Abkommen nicht abzuschließen. Europaweit haben bereits über 100 Organisationen aus 17 Ländern ihre Unterstützung zugesagt. Start der Unterschriftensammlung ist der 1. September diesen Jahres.
Mehr Informationen unter http://www.mehr-demokratie.de.