Tschernihivs neuer Oberbürgermeister Vladislav Atroshenko sieht seine Stadt westlich orientiert. Foto: Radeck
Anlässlich der 25-jährigen Partnerschaft beider Kommunen hat Mitte Mai eine rund 70-köpfige Delegation die ukrainische Großstadt besucht. Wir waren dabei und haben uns bei dieser Gelegenheit mit dem 47-jährigen Atroshenko über die Wünsche und Vorstellung der Zusammenarbeit unterhalten. Der zweifache Familienvater setzt eine ganze Menge Hoffnung in Memmingen, insbesondere auf dem Weg in Richtung Westen. „Ihr habt uns den Wind aus Westen mitgebracht“, erklärte er in einer seiner Reden und sieht sowohl seine Stadt wie auch die Ukraine auf einem spannenden Weg in die Zukunft. „Wir wollen nach vorn schauen und keinesfalls in alte Zeiten zurück fallen. Wir sind auf dem guten Weg, jeden Tag ein Stück demokratischer zu werden“, so Atroshenko und gibt gleich ein praktisches Beispiel. „Die Bürger können mit einer minimalen Stimmanzahl auf kommunale Entscheidungen in Chernihiv Einfluss nehmen; die Stadtverwaltung muss dann darauf reagieren“. Die Bürger hätten das Recht, sämtliche Entscheidungen zu hinterfragen. Vor wenigen Jahren in der ehemaligen Sowjetrepublik noch undenkbar .
Auch
wenn der europäische Gedanke stetig wächst, der Reformkurs und die
Neugestaltung der Heimat sei langwierig und könne „nur von unten, vom Volke
erreicht werden“, blickt das Stadtoberhaupt über die Grenzen seiner Kommune
hinaus. Und findet gleich den Schlenker zurück: „Wir benötigen dafür die Unterstützung,
insbesondere in verwaltungstechnischer Hinsicht. Das Knowhow, wie wir
beispielsweise die Verwaltung interaktiv und damit effektiver machen können.
Wir müssen und wollen Organisation und Disziplin lernen“, hofft (und erwartet)
er materielle aber vor allem unterstützende Hilfe im IT- und organisatorischen
sowie verwaltungstechnischen Bereich. Um damit nicht zuletzt auch die investitionshemmende
Korruption weiter bekämpfen zu können.
Viel Zeit und Kraft in der UdSSR verloren
„Wir haben viel Zeit und Kraft in der Ära der UdSSR verloren“, sieht er die gesamte Ukraine auf einem langen, aber zu meisternden Weg.
In wirtschaftlicher Hinsicht erkennt der finanzstarke Politiker und Geschäftsmann gegenseitiges Potential. So im Umweltschutz und in der Abfallbeseitigung und -verwertung, die in Chernihiv vor allem viel zu teuer sei. Hier könne man von Memmingen lernen und auch tiefere, wirtschaftliche Beziehungen aufbauen.
Keinesfalls sei die Zusammenarbeit übrigens einseitig, „wir haben ein hohes Niveau an Kultur und Bildung, sind gut aufgestellt in Geisteswissenschaften“. Vielleicht auch eine Möglichkeit für Memmingen auf dem Weg zur Hochschulstadt.