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Theater gegen das Vergessen: Holocaust-Workshop am Landestheater

veröffentlicht am 29.01.2014

Schülerinnen .... Kreative Auseinandersetzung mit dem Holocaust: Schülerinnen übersetzen Szenen von Angst und Abwehr gegen Gewalt und Unterdrückung im Warschauer Ghetto in Standbilder. Fotos: as

Memmingen (as). Zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus entwickelten 24 Schülerinnen und zwei Schüler der Klassen 8 bis 11 der Wirtschaftsschule Memmingen und der Maria-Ward-Realschule Günzburg  im Rahmen eines ganztägigen Workshops  im Stadttheater eine kollagenartige Performance aus ihren Eindrücken eines 62-minütigen NS-Propagandafilmes über das Warschauer Ghetto. 

Es sind Szenen der Gewalt, der Unterdrückung, der Gleichgültigkeit und Ignoranz:  In Form von Standbildern stellen die schwarz gekleidete SchülerInnen ihre Eindrücke dar. In wechselnden Rollen agieren sie als Täter, Opfer oder unbeteiligt Wegschauende. Sie zeigen Bilder, die verstören: Ein Mensch liegt zusammengekrümmt am Boden, andere gehen achtlos vorbei. Dort am Boden ein Haufen lebloser Körper, daneben Tangotänzer.

Schüler, die nicht an der Szene beteiligt sind, grenzen den Schauplatz mit Rundholzstäben ab, die sie zwischen sich aufspannen wie Barrieren. Wie Wölfe eine Schafherde, treiben sie die etwa 50 Besucher mit strengem Blick weiter den Gang entlang, treppauf, treppab, dulden kein Aus-der-Reihe-Tanzen. Eine bedrückende Erfahrung, verstärkt durch die gellenden Pfiffe einer Trillerpfeife, die einen Szenenwechsel ankündigen.

Schüler stellen ihre Eindrücke des NS-Progagandafilms nach

Szenen, die nicht zur Propagands der Nazis gehörten ... Auch Szenen wie diese waren in der Rohfassung des NS-Propagandafilms zu sehen.

Grundlage der Performance war ein Propaganda-Film, der im Mai 1942 im Warschauer Ghetto gedreht wurde, wenige Wochen bevor die Deportationen in das Vernichtungslager Treblinka begannen. Dass der unvertonte Schwarz-Weiß-Rohschnitt, der das Leben im Ghetto beschönigen sollte, dennoch zur trostlosen Bilderarie wurde, ist dem Umstand zu „verdanken“, dass sich das Elend im Ghetto - abseits und kontrastierend zu den gestellten Szenen – nicht ausblenden ließ. (Die Kameramänner leugneten später jegliches Mitwissen).

Der Workshop des Landestheaters Schwaben ermöglichte es den SchülerInnen, sich dem Holocaust einmal ganz anders als im Geschichtsunterricht, nämlich mit den Mitteln des Theaters anzunähern. Gruppenweise haben sie ihre Eindrücke in einzelnen Szenen erarbeitet. "Durch das Nachspielen hatte man das Gefühl, selber dabei gewesen zu sein“, beschrieb eine Schülerin.

„Es ist unerklärlich, wie man zu so etwas fähig sein kann“

In der anschließenden Diskussion äußerten sich die Jugendlichen entsetzt über das im Film Gesehene: „Ich habe es teilweise nicht mitanschauen können“, sagt eine Schülerin. Es habe sie wütend gemacht zu sehen, wie Menschen mit Ihresgleichen umgehen, ergänzt eine andere: „Es ist unerklärlich, wie man zu so etwas fähig sein kann.“ Abseits des Geschichtsunterrichtes sei ihnen klar geworden, „wie grausam es damals wirklich war“  - Auf die Frage, ob sie sich vorstellen könnten, dass so etwas heute noch einmal in Deutschland passieren könne, antworteten einige spontan mit „Ja!“ und begründeten dies mit der grenzenlosen Machtgier der Menschen.

Nach Israel fahren? Nein, das würde sie „am liebsten gar nicht“, sagte eine der Darstellerinnen, überzeugt, dass auch spätere Generationen den Hass gegen die Deutschen nicht überwinden können. Michael Trieb, 2. Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) Memmingen, plädierte für den Dialog: Die Angst und die Kluft seien nur zu überwinden, indem man mit den Menschen rede und sie verstehen lerne.

"Gemeinsam erinnern - ohne Hass und schlechte Gefühle"

Pan Efrat Pan, Vorsitzende der DIG-Memmingen.

Nach vorne schauen, ohne das Geschehene zu vergessen - in diesem Sinne äußerte sich auch die DIG-MM-Vorsitzende Israelin Efrat Pan, Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Memmingen. Pan bedankte sich beim Landestheater-Team und den jungen Darstellern: Es sei ermutigend zu sehen, wie engagiert die jungen Deutschen mit dem Thema umgegangen seien  - „junge Leute, die verstanden haben, was passiert ist“. Sie bestätigte: "Wir in Israel haben Euch lange nicht als Menschen gesehen. Wir sollten uns gemeinsam erinnern - ohne Hass und schlechte Gefühle. Und  - nein, wir hassen Euch nicht."