Der Zahn der Zeit hat ordentlich an ihnen genagt: Im Songdrama „Ewig jung“ parodieren Ekaterina Isachenko, Regina Vogel, Anke Fonferek, Tobias Loth, Jens Schnarre und Klaus Philipp sich selbst in 30 Jahren. Foto: M. Forster/Landestheater Schwaben
Memmingen (as). Als der damalige musikalische Leiter des Hamburger Thalia Theaters Erik Gedeon, 2001 das Songdrama „Ewig jung“ (damals Thalia Vista Social Club) für seine Bühne schrieb, ahnte er noch nicht, dass sein als Pausenfüller konzipiertes Werk deutschlandweit die Bühnen erobern würde. Unter dem Motto „Lachen hält jung“ begeisterte das schwarzhumorige Werk des Schweizer Regisseurs nun unter der Ägide von Peter Kesten bei der Premiere im Memminger Stadttheater.
„Sie sind alle tot, Liebling, wir sind die Letzten“, erklärt Frau Vogel (Regina Vogel, vom Alter gebeugt) ihrem Herrn Philipp (Klaus Philipps Alter Ego in 30 Jahren).
Wir schreiben das Jahr 2050. Sechs greise Schauspieler (typgerecht ausstaffiert von Marie Wildmann) - die letzten Überlebenden des Ensembles am mittlerweile geschlossenen Landestheater Schwaben - treffen sich an ihrer ehemaligen Wirkungsstätte. Wie greise Gespenster tauchen die Letzten ihrer Art aus der Versenkung (einer Bodenklappe auf der Bühne) auf. An die Verblichenen des Landestheater-Teams (inklusive Intendantin Dr, Kathrin Mädler) erinnern nur noch die Namensschilder auf den am Bühnenrand dekorativ aufgereihten Urnen.
Absonderliche Alter(s)-Egos
Sie sind die einzig Überlebenden auf der Bühne des Verfalls: Regina Vogel als abgehalfterte Diva, Anke Fonferek als notgeile Alte mit Tourette-Syndrom, Tobias Loth als parkinsongeschüttelter Hippiegreis im Rollsessel, Klaus Philipp als Zauberlehrling mit Steppschuhen am Stock und Jens Schnarre mit Goldfisch als Haustier. Doch das schweißt sie keineswegs zusammen. Dazu sind ihre Alter(s)-Egos, dank ihrer ausgeprägten Macken, viel zu skurril und absonderlich. Vielmehr gipfeln ihre Rivalitäten und Animositäten darin, dass Herr Schnarre Herrn Loth mit der Asche von Herrn Stuchlik einstäubt, der Goldfisch am Stromschlag verendet und die Beinprothese von Frau Fonferek über die Bühne fliegt.
Pflegefälle rocken die Bühne
Vielleicht hätte das alles ein böses Ende genommen, wäre da nicht die wundersame Macht der Musik, verkörpert durch die geniale Pianistin Ekaterina Isachenko, die längst vom Rollator aus den Klavierhocker erobert hat und die abgehalfterte Szenerie mit unsterblichen Rock-Rhythmen zum Beben bringt. Bei Rock-Klassikern wie „Born To Be Wild“ erwachen die Pflegefälle zu neuem Leben und rocken, von den Zuschauern unterstützt, die Bühne. In solchen Momenten fühlen sich die sechs Überlebenden unsterblich und schmettern emphatisch „I Will Survive“. Derweil nur noch abgerissen Plakate an ihre einstigen Erfolge erinnern, versichern sich die greisen Bühnenstars mit Szenen aus Shakespeare-Klassikern ihres immer noch vorhandenen Talents („Wie geil ist das denn?“).
Not amused ist die gestrenge Pflegerin Schwester Franziska (Franziska Roth), die die Alten mit mehr oder minder christlichen Gesängen und kindgerechten Bewegungsspielen auf den Weg in den Himmel bzw. in die Urne vorbereiten will und derweil Tabletten verteilt wie Hostien. Doch hinter ihrem Rücken machen ihre Patienten machen aus dem Totentanz eine abgefahrene Rockparty.
Sanfte Töne und nostalgische Momente
Eindimensional ist das Songdrama keineswegs, es gibt auch sanfte Töne und anrührende nostalgische Momente - etwa wenn Herr Philipp als ewiger Romantiker sich mit Frau Vogel bei einem innigen Duett in gichtiger Umarmung verstrickt oder Tobias Loth „The Green, Green Grass of Home“ beschwört.
Zwei Zugaben fordert das begeisterte Publikum den Schauspielern ab, bei denen diese ihre beträchtlichen Sangeskünste noch einmal unter Beweis stellen können, bevor sie wieder in die Zeitmaschine steigen.
Viel Sinn für das Makabre
„Ewig jung“, von Peter Kesten mit viel Sinn für das Makabre inszeniert, wirft einen erfrischend respektlosen Blick auf gern tabuisierte Bereiche wie Alter, Gebrechen und Tod und wirkt dabei weder voyeuristisch noch schadenfroh. Ist es doch das Wesen des schwarzen Humors, die Grenzen des guten Geschmacks zu überschreiten und sind es doch, obwohl marginalisiert, keineswegs Randgruppen, die da vorgeführt werden.
Das Stück dauert 90 Minuten ohne Pause. Eine Sondervorstellung von „Ewig jung“ findet am Silvesterabend, statt. Vorstellungsbeginn ist 18.30 Uhr.
Weitere Aufführungen am 22. Dezember,18. und 29. Januar, 25. und 27. Februar und 7. März, jeweils 20 Uhr. Kartenreservierung unter Telefon 08331 945916 oder vorverkauf@landestheater-schwaben.de