Memmingen (as). Spannend und auch recht gruselig ging es beim diesjährigen 6. Sommerabend im Stadtmuseum zu. Unter dem Motto "Schandeisen und Daumenschrauben" fesselte Stadtführerin Sabine Rogg ihre Zuhörer mit grausigen Geschichten zur Kriminalistik bzw. Strafvollzug im alten Memmingen. Der Memminger Autor Marco Sonnleitner las aus seinem neuen Krimi „Kinderland“ vor.
Anhand eines Miniaturmodells der ehemals Freien Reichsstadt Memmingen ortete und erläuterte Stadtführerin Sabine Rogg die Stätten der Strafvollzuges in der von 1268 bis 1803 Freien Reichsstadt Memmingen. Als solche hatte die Stadt eine eigene Gerichtsbarkeit, die Gesetzte wurden teilweise in Eigenregie verfasst. "Frei" war damals lediglich die Stadt - ihre Bürger unterstanden absoluter Kontrolle. Memmingen, ab 1530 evangelisch, hatte ab 1532 die strengste Zuchtordnung im Reich.
"Alles war ganz genau geregelt", so Rogg. Die Falten im Überrock zeigten an, wie "betucht" man war. Heiraten durfte nur, wer ein Vermögen von mindestens 50 Gulden besaß. Anderen Anwärtern wurde ein Armutszeugnis ausgestellt. Lehrer durften nicht Schlittenfahren, denn dies war nur Bürgern, also Kaufleuten und Handwerkern, erlaubt. Sogar das" Juchzen" auf der Straße war verboten.
"Die gute alte Zeit war nicht gut"
Doch dazu hatte jemand, der nach der Reichsverordnung für Kriminalfälle von 1551 veruteilt wurde, auch keinen Grund. "Die gute alte Zeit war nicht gut", erklärt Saine Rogg. Barbarisch sei sie gewesen, "drakonische Strafen wurden bereits aus relativ geringem Anlass verhängt". Die Foltergeräte, die sie vorführte, kündeten von einem erschreckenden Erfindungsreichtum, was die Züchtigung eines Delinquenten durch köperlichen Schmerz und/oder öffentliche Demütigung betraf. "Prunkstück" der Ausstellung war der Folterstuhl von 1750 (im Zeitalter der Aufklärung!).
Dem "alten Recht" zufolge hatte der überführte Täter als Störer der von Gott gegebenen Ordnung in "adäquater" Weise zu leiden. Auf Raub oder Diebstahl stand das Hängen, auch "tanzender Tod" genannt, denn die Veruteilten baumeten so lange am Galgen, bis sie erstickt waren. Raubmörder wurden gerädert, eine stundenlange Prozedur, bei der Knochen für Knochen gebrochen und der Tote dann am Galgen abgelegt wurde.
Einer (anonym!) als Hexe angezeigten Frau blieb nur die Wahl zwischen Folter (als juristisches Mittel der Beweisführung) oder Scheiterhaufen. Untergebracht wurde sie bis zur Urteilsverkündung im Hexenturm - dem ältesten der drei Memminger Gefängnistürme, der auch Ehebrecherinnen vorbehalten war.
"Kinderland" - neuer Krimi des Memminger Autors Marco Sonnleitner
Wie kommt der Ringfinder eines kleinen Jungen in den Magen eines Hechtes?
Dieser grausigen Frage geht der Münchener Kommissar a.D. Bartholomäus Kammerlander in Marco Sonnleitners Krimi "Kinderland" nach. Es ist der zweite Fall des Kommissars und der zweite Krimi für Erwachsene aus der Feder von Sonnleitner, Mitautor der Krimiserie "Die drei ???".
Ermordete Kinder - ein heikles und verstörendes Thema, dass Sonnleitner und sein Kommissar mit viel Finger-stitzengefühl angehen. Vortrag und Schreibstil des Autors ziehen die Zuhörer gleichermaßen in den Bann. Die Fäden der Handlung sind raffiniert gesponnen, und wenn sich das teils skurrile Personal des Krimis darin verheddert, kommt trotz Tragik auch Situationskomik auf.