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„Saturn kehrt zurück“ - Drama über das Altwerden, Einsamkeit, Liebe und Tod

veröffentlicht am 29.03.2015

bu Michaela Fent verkörpert die drei  Frauen im Leben des   Justin (auf dem Foto als 58-Jähriger gespielt von André Stuchlik). Foto: Forster/Landestheater Schwaben

Memmingen (sfü): Das Drama des amerikanischen Autors Noah Haidle konfrontiert das Publikum mit den großen Fragen des Lebens. Was bleibt vom Leben übrig, wenn man alt und allein ist? Wie geht man mit Verlust um und sind Erinnerungen der größte Schatz des Menschen? Bei der Premiere wurden die Inszenierung und das Spiel der Darsteller mit enthusiastischem Applaus gefeiert.

Der 88-jährige Gustin (Peter Höschler), die Hauptfigur in Haidles Drama, würde Letzteres klar verneinen: „Erinnerungen sind eine Qual!“. Für ihn verdeutlichen die schönen Momente der Vergangenheit schlichtweg, wie flüchtig das Glück sein kann.

Gustin lernt die Krankenschwester Suzanne kennen. Obwohl kein Pflegefall, engagiert er sie als Pflegekraft. Zum einen, da sie ihn an seine Tochter erinnert, zum anderen, um jemanden zum Reden zu haben. Schließlich fängt der alte Mann an zu erzählen. In Rückblenden, in Zeitabständen von jeweils 30 Jahren, wird das Publikum Zeuge von Momenten des Glücks in Gustins Leben - erfährt aber auch, wie diese jäh zerstört wurden. Die Zeitsprünge von 30 Jahren sind bewusst gewählt, denn so lange benötigt der Planet Saturn, um wieder an den Ausgangspunkt zu gelangen, den er bei der Geburt des Menschen innehatte. Dieser Zyklus beschreibt in Gustins Leben einen tragischen Kreislauf.

Der 28-jährige Gustin (Jan Arne Looss) blickt positiv in die Zukunft. Er ist ein junger Arzt, frisch verheiratet und schwer verliebt in seine Frau Loretta. Doch Loretta stirbt bei der Geburt der gemeinsamen Tochter Zephyr. Als 58-jähriger hat Gustin (André Stuchlik) ein sehr inniges, vertrautes Verhältnis zu seiner inzwischen erwachsenen Tochter Zephyr aufgebaut. So vertraut, dass er seine Tochter damit überfordert und sie bisweilen die Rolle der Ehefrau eingenommen hat. Sie wünscht sich mehr Unabhängigkeit und geht auf Reisen, doch unterwegs verunglückt sie tödlich. Eine weitere Lücke in Gustins Leben entsteht, von der er nicht weiß, wie er sie füllen soll.

"Ich brauch etwas, auf das ich mich freuen kann"

Zurück in der Gegenwart naht der Abend und Suzanne will ihren Dienst beenden. Doch Gustin ringt ihr das Versprechen ab, am nächsten Tag wieder zu kommen. "Ich brauch etwas, auf das ich mich freuen kann." Es sind Sätze wie dieser, die "Saturn kehrt zurück" zu einem Stück machen, das bei all der (Selbst-)Ironie und Leichtigkeit der Charaktere und Dialoge zu einem vielschichtigen Schauspiel machen. Eines, das nachdenklich stimmt und über den eigenen Umgang mit dem Tod, dem Alter und dem Alleinsein reflektieren lässt.

Die drei Frauenfiguren Loretta, Zephyr und Suzanne (alle drei verkörpert von Michaela Fent) bilden einen facettenreichen Gegenpol zur Figur des Gustin und verleihen ihr dadurch Kontur. Die vielfältigen emotionalen Ebenen stehen im Kontrast zum reduzierten Rahmen des Stückes. So ist der einzige Erzählort Gustins Wohnzimmer, das im Laufe von 30 bzw. 60 Jahren im Grunde unverändert bleibt, ein Sinnbild dafür, wie sehr die Vergangenheit in der Gegenwart verhaftet ist. Im Verlauf des Stückes scheinen Raum und Zeit zunehmend miteinander zu verschmelzen, Suzanne beginnt Zephyr zu ähneln, und die Erinnerung und Zephyr mischt sich mit der an Loretta. Gegenwart und Erinnerung werden Eins.

Regisseur Andreas Baesler inszenierte ein Stück, das viele Fragen aufwirft und nachwirkt, das erheitert aber auch zum Nachdenken anregt. Als Saturn zum Ende des Stückes zum dritten Mal seinen Zyklus vollendet hat, ist das Publikum bereit, diese Fragen mit nach Hause zu nehmen. Inszenierung und das Spiel der Darsteller fanden großen Anklang vor fast ausverkauftem Haus und wurden mit enthusiastischem Applaus gefeiert, den auch ein marginaler bühnentechnischer Defekt in der Abschlussszene nicht schmälern konnte.

Weitere Vorstellungen im Großen Haus am 14., 18., 23. Und 29. April, jeweils um 20 Uhr, am 26. April um 19 Uhr. Gastspiel 25. April 2015 in Babenhausen

Info zum Autor: Noah Haidle, geboren 1978, studierte Szenisches Schreiben an der Princeton University in New Jersey und der Juillard School in New York. Er unterrichtet Dramatisches Schreiben und gewann mit seinen Theaterstücken, die zu verschiedenen Festivals eingeladen wurden, zahlreiche Preise. „Saturn kehrt zurück“ wurde 2010 uraufgeführt.