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"'s geit brave und 's geit böse Klos"

"Grober Unfug – gezähmtes Brauchtum" im Stadtmuseum

veröffentlicht am 23.11.2018
Grober Unfug – gezähmtes Brauchtum

Dieses Zeitungsfoto zeigt das traditionelle Klausentreiben in Erkheim. Repro: Sonnleitner

Memmingen (dl). Noch bis 27. Januar ist die diesjährige Weihnachtsausstellung des Stadtmuseums „Grober Unfug – gezähmtes Brauchtum“ im Stadtmuseum Memmingen zu sehen. Nicht zuletzt ihr Gruselflair sorgte wohl dafür, dass Stadtmuseumsleiterin Ute Perlitz und Kuratorin Regina Gropper über 200 Besucher bei der Eröffnung begrüßen durften. Die Ausstellung beleuchtet nämlich Geschichte und Gegenwart eines der bekanntesten und eigenwilligsten vorweihnachtlichen Bräuche im Alpenraum: des Klausentreibens.

Grober Unfug – gezähmtes Brauchtum

Ein Hetzlinshofener Hörnerklaus. Fotos: A. Sonnleitner

Grober Unfug – gezähmtes Brauchtum

Prächtig bebärteter Erkheimer Klaus.

Halb Tier, halb Mensch und mit einer Rute bewaffnet - gleich beim Betreten der Ausstellungsräume sieht der Besucher sich mit einem der riesigen zotteligen Klausengestalten konfrontiert. Vielen Menschen im Allgäu sind die Gestalten mit den gruseligen Masken ja bekannt, die in den Nächten vor dem Nikolaustag mit Schellen und Kuhglocken lärmend durch die Orte und die Häuser poltern.

"Häß" nennt man diesen alpenländischen Brauch, der von alters her böse Wintergeister und Dämonen vertreiben sollte. In moderner Zeit sind es die Zuschauer, die (günstigstenfalls) leichte Hiebe mit der Rute versetzt bekommen, denn im Laufe der Christianisierung hat sich der vermeintlich heidnische Brauch mit dem des strafenden Krampus, dem Kinderschreck in Begleitung des heiligen Nikolaus, vermischt.

Nachzulesen ist die Geschichte des Brauches, dessen Tradition vor allem dem Oberallgäu zugeschrieben wird, und die Theorien zu seinen Ursprüngen auf diversen Tafeln. Ab 7. Dezember wird es sogar einen Katalog mit Bildern, Anekdoten und Geschichten zur Ausstellung geben. Alte und neue Zeitungsausschnitte mit Berichten über das Klausentreiben im Unter- und Oberallgäu und Fotos von Umzügen runden die Ausstellung ab.

 Jedes Dorf lebt den Brauch anders

Grober Unfug – gezähmtes Brauchtum

Zwei Hörnerklausen in voralpiner Winterlandschaft.

Grober Unfug – gezähmtes Brauchtum

Ruten bzw. Barbarazweige hinterließen die Klausen als Instrument der Züchtigung für Eltern und Lehrer noch bis in die 70erJahre hinein.

„Das Klausentreiben ist von Ort zu Ort sehr unterschiedlich, jedes Dorf lebt den Brauch anders“, erklärt Regina Gropper, Kuratorin im Memminger Stadtmuseums. Sie führt „Die Lokale“ durch die Ausstellung und erklärt die Hintergründe der Exponate. In und auf den Vitrinen sind Requisiten zu sehen unter ihnen Masken und wilder Kopfschmuck mit Hörnern und Bärten oder Geweihen, zum Teil angereichert mit Naturmaterialien wie Moose, Flachs  und Flechten. „Für die Masken wurde alles genommen, was da war, sogar Frettchen“, erklärt Gropper.

Die Vermummung sorgte für eine Anonymität, die sich zuweilen äußerst destruktiv, nämlich in Form immenser Gewalt, auswirkte. Bis ins 19. Jahrhundert hinein kam es sogar zu Todesfällen. Immer wieder setzte man sich vergeblich für ein Verbot des wilden Treibens ein. Ende der 1980er Jahre bezeichnete der Volkskundler Prof. Günther Kapfhammer die (übrigens von den Nazis als urkeltischer Brauch missbrauchte) Tradition als „antifeministisch und gewaltverherrlichend". 

„Wegen groben Unfugs“ in Memmingen verboten
Grober Unfug – gezähmtes Brauchtum

Moderne Brauchtumspflege: Ein Brief der Erkheimer Klausen.

Grober Unfug – gezähmtes Brauchtum

Durch ihr Glockengeläut sind die Klausen weithin hörbar.

So verwundert es nicht, dass bereits die erste überlieferte schriftliche Erwähnung des Klausentreibens in Memmingen im Jahr 1642  mit einem Verbot verbunden war - „wegen groben Unfugs“.

Wohl auch deshalb hat sich der wilde Brauch, eher im Umland weiterentwickelt. Heute regulieren Vereine wie die Hetla-Klausa e.V. und die Erkheimer Klausen e.V. das Treiben und engagieren sich in Verbindung damit auch für ein lebendiges Dorfleben. Vor allem die Haufen und Vereine mit Gruselpotenzial gewinne immer mehr junge Anhänger -  „Vielleicht hängt das mit unserer gläsernen Gesellschaft zusammen“, vermutet Regina Gropper, "da ist das Agieren mit Maske besonders reizvoll".

Das heute von den Vereinen organisierte „gezähmte“ Klausentreiben ist jedenfalls weitaus weniger beängstigend für die Zuschauer, auch wenn in den letzten Jahren immer noch vereinzelt Berichte von allzu prügelversessenen Klausen durch die Medien gingen. In manchen Orten dürfen die Klausen darum ihre Ruten nur noch innerhalb von Absperrungen und bis zur Gürtellinie zum Einsatz bringen. Sicherheitshalber müssen die Ketten mittlerweile am Gürtel getragen werden. Allerdings wurden die Klausen auch selbst bereits von alkoholisierten Zuschauern  gejagt und geschlagen, zumal sie - in ihren schweren Kostümen sehr unbeweglich - leichte Opfer sind. 

Drei künstlerische Beiträge ergänzen die Schau:

Grober Unfug – gezähmtes Brauchtum

Zwei Klausen mit einem "armen Sünder". Foto: Karin Ries

Grober Unfug – gezähmtes Brauchtum

Der Steinheimer Strohklaus, Exponat von Robert Paulus.

Karin Ries, Weissach im Tal, begleitete ein ethnologisches Forschungsvorhaben zum Klausentreiben im Oberallgäu mit ihrer Kamera. Ihre Fotografien zeigen das Treiben von Klausen und Bärbele im Oberland.

Alexandra Vogt, Kammlach, präsentiert eine Slightshow mit Fotografien zum Klausentreiben in Oberstdorf, Sonthofen, Immenstadt und Hetzlinshofen.

Robert Paulus, Memmingen, hat den Erkheimer Klausenumzug fotografisch festgehalten. Seine Arbeiten präsentieren einen Querschnitt der Gruppen von Klausen und Bärbele aus dem gesamten Allgäu.

Die Ausstellung, die gemeinsam mit  den Hetla-Klausa e.V. und dem Erkheimer Klausen e.V. konzipiert, wurde, ist noch bis 27. Januar 2019 im Stadtmuseum Memmingen, Zangmeisterstr. 8, Eingang Hermansgasse, zu sehen.

Für kleine Kinder ist eine Spieleecke  mit einem Puppenhaus und einem 60er Jahre-Kaufladen und Bilderbüchern eingerichtet.

Führungen durch die Ausstellungen gibt es am 16. Dezember und am 27. Januar 2019, jeweils um 11 Uhr.

Das Begleitprogramm zur Ausstellung (zum Vergrößeren bitte anklicken)