Der „Rekord-Haushalt“ 2020 der Stadt Memmingen hat ein Gesamtvolumen beträgt 190,9 Millionen Euro. Der Stadtrat hat ihn nun mehrheitlich bewilligt. Symbolfoto: Steve Buissine/ pixabay
Memmingen (as). Nach einigen Vorberatungen in den Ausschüssen und Senaten hat der Stadtrat nun das 363 Seiten starke Zahlenwerk der Stadtkämmerei mit sechs Gegenstimmen von ÖDP und Grünen beschlossen. In seiner Haushaltsrede bekräftigte Oberbürgermeister Manfred Schilder, dass es sich um einen „Rekord-Haushalt“ handele. Das Gesamtvolumen beträgt 190,9 Millionen Euro (knapp 17 Mio. mehr als im Vorjahr).
„Finanzielle Spielräume für eine aktive Zukunftsgestaltung“ attestierte der Rathauschef dem diesjährigen Etat in seiner Haushaltsrede. Doch könne man sich keineswegs im Komfort einrichten, denn die fetten Jahre seien wohl vorbei. “Die Hochkonjunktur der deutschen Wirtschaft ist vorerst vorüber“, verkündete Schilder, und auch für das laufende Jahr seien die Aussichten „nicht besonders rosig“. Absehbare Aufgaben wie die nachhaltige und gute Integration, der weitere Schulausbau, die Schaffung bezahlbaren Wohnraums sowie neue Mobilitätskonzepte stellten die Stadt vor große Herausforderungen. Dennoch oder gerade deshalb warb Schilder für Optimismus und nachhaltiges Handeln.
Hohe Schlüsselzuweisung
Um die Defizite des Memminger Klinikums auszugleichen und ihm eine guten Start als Kommunalnuntermehmen zu ermöglichen, investiert die Stadt heuer noch einmal knapp 14 Millionen Euro. Archivfoto: DL
Das Stadtoberhaupt betonte, dass sowohl die Einnahmen als auch die Ausgaben auf besonderen Umständen beruhen, "die sich so nicht wiederholen werden". Die gestiegenen Einnahmen verdanke man höheren Steuereinnahmen und einer 10,7 Millionen Euro starken Schlüsselzuweisungen des Freistaats (sehe Liste unten).
Tiefer Griff in den Sparstrumpf
Auffallend tief ist heuer der Griff in den Sparstrumpf: 12,6 Millionen Euro werden den Rücklagen entnommen, um das Memminger Klinikum, dass seit 1. Januar ein wirtschaftlich und rechtlich eigenständiges Kommunalunternehmen ist, auf solide Beine zu stellen. Knapp sechs der rund 20 Millionen Euro Defizit des Klinikums hat die Stadt 2019 beglichen, in diesem Jahr werden noch einmal knapp 14 Millionen Euro in die Zukunft des Klinikums investiert.
Leicht gestiegen sind auch die Gemeindeanteile an Grunderwerbs-, Einkommens- und Umsatzsteuer, während die Gewerbesteuereinnahmen unverändert 32,5 Millionen Euro betragen. Für ein weiteres finanzielles Plus sorgt der Wegfall der erhöhten Gewerbesteuerumlage (Solidarpakt II), damit spart die Stadt ab 2020 jährlich fast drei Millionen Euro ein.
Gestiegene Personalkosten
Auf der Ausgabenseite des Verwaltungshaushaltes mit einem Volumen von 148,6 Millionen Euro schlagen vor allem die Personalkosten zu Buche, die, bedingt durch steigende Lohnkosten und zusätzlichen Personalbedarf, seit 2019 um sechs Prozent auf 50,9 Millionen Euro gestiegen sind. Die Bezirks- und Gewerbesteuerumlagen betragen heuer insgesamt 17,3 Millionen Euro, etwa vier Millionen Euro weniger als 2019.
Im Vermögenshaushalt stehen heuer 42,2 Millionen Euro für Investitionen zur Verfügung, über zehn Millionen mehr als im Vorjahr, nicht zuletzt dank einer hohen Zuführung vom Verwaltungshaushalt (15,6 Millionen). Die Zuweisung des Freistaats beträgt heuer 6,4 Millionen.
Größere Infrastrukturmaßnahmen:
Größere Ausgaben stehen unter anderem für folgende Infrastrukturmaßnahmen auf dem Plan: Im schulischen Bereich schlägt vor allem die Innensanierung des Bernhard-Strigel-Gymnasiums mit 4,5 Millionen Euro zu Buche für. Die neuen Fenster in der Reichshainschule belaufen sich auf 1,2 Millionen Euro.
Für den Straßenneubau sind 1,7 Millionen Euro veranschlagt, die Sanierung des Gruppenklärwerks beläuft sich heuer auf 1,4 Millionen Euro.
In der Eissporthalle wird die MSR-Anlage erneuert (380.000 Euro), geplant ist auch die Erweiterung der Umkleiden.
300.000 Euro sind 2020 für die Planung des Kombibades veranschlagt.
In Amendingen stehen 540.000 Euro für den Neubau der Mittagsbetreuung der Schule bereit, auch der Umbau des alten Rathauses steht in den Startlöchern.
In die Sanierung des Steinheimer Zehntstadels fließen heuer 400.000 Euro.
Für die Sanierung der Kinderkrippe Fröbel-Kindergarten werden 200.000 Euro angesetzt.
Das geplante Fahrgastinformationssystem am Bahnhof steht mit 255.000 Euro auf der Ausgaben-Liste.
Die Sanierung von Stadtmauer und Bismarckturm belaufen sich auf insgesamt knapp 400.000 Euro.
Teilweise erneuert wird die Feuerwache am Rennweg, hierfür sind 151.000 Euro vorgesehen.
Stellungnahme der Fraktionen
Im Anschluss an die Haushaltsrede des Rathauschefs nahmen die Fraktionen ausführlich Stellung zum diesjährigen Haushalt. Hier ein kurzer Überblick:
CSU: Finanzreferent Stefan Gutermann bedauerte, dass die Defizite des Klinikums nicht im jeweiligen Haushaltsjahr ausgeglichen wurden. Das hätte die Rücklage geschont und keine Kreditaufnahme erforderlich gemacht. Ansonsten begrüßte er wegweisende Beschlüsse wie den Neubau des Kombibades ohne Luxusausstattung und den anstehenden Ausbau des ÖPNV. Allerdings mahnte er an, dass Grundstücke vor der baurechtlichen Überplanung „in die Hände der Stadt“ gehören. Das gelte sowohl für das Ikea-Grundstück am Autobahnkreuz, das für den Neubau des Klinikums optimal geeignet wäre, als auch für die Grundstücke im Bahnhofsareal: „Wenn es wieder zu einer Spekulation mit hohen Verkaufserlösen kommt, wird auch der jetzt unter breiter Bürgerbeteiligung angestoßene Prozess scheitern.“
SPD/FDP: Fraktionschef Matthias Ressler lobte die Investitionen im Schulbereich. “Besonders begrüßen wir die Investition in die Berufsschule.“ Hier sind unter anderem 500.000 Euro für die Datennetz-Sanierung eingeplant. Die Bismarckschule hätte man zum 125-jährigen Jubiläum gern weiter oben auf der Prioritätenliste gesehen. Außerdem mahnte er ein Konzept für den Anspruch auf schulische Ganztagsbetreuung ab 2025 an. Nachbesserungsbedarf sieht seine Fraktion beim geplanten Stadtbuskonzept: Für die junge Bevölkerung sollte es hier eine Nachtbuslinie geben. Abschließend schwor er den Stadtrat auf den gemeinsamen Kampf gegen Rechts ein: „Memmingen hat Nächstenliebe und keinen Hass und Unfreiheit verdient.“
Die Grünen: Da haushaltsrelevante Anträge im Vorfeld nicht behandelt worden seien, lehtnen die Grünen den Haushalt unter anderem als "rechtswidrig" ab. Inhaltlich kritisierte Professor Dr. Dieter Buchberger fehlende Werbemittel für das Stadtbuskonzept, das so „zum Rohrkrepierer verkommen könne“. Außerdem sprechen sich die Grünen gegen das geplante Industriegebiet zwischen Amendingen und Heimertingen aus: Memmingen stehe auch jetzt schon an der Spitze Bayerns in punkto Flächenverbrauch. Des Weiteren sei im Haushalt nichts zum Thema Klimawandel zu lesen. Unter anderem kritisieren die Grünen, dass die Stadtwerke „ihre Gewinne zu 90 Prozent aus dem fossilen Energieträger Gas generieren“.
CRB: Zwar sei der Haushalt in sich schlüssig, attestierte der Fraktionsvorsitzende Wolfgang Courage, er enthalte jedoch keinen Posten für die Errichtung eines Bürgerbüros. Hier solle im kommenden Jahr nachgebessert werden. Außerdem mahnte er den Umbau des Amendinger Rathauses zum Ortsmittelpunkt und den Neubau des Kindergartens Dickenreishausen an. „Wir vermissen auch richtiges Engagement für den Flächenerwerb für den Lärmschutzwall an der A 96 bei Ferthofen und Volkratshofen“, kritisierte Courage. Hier solle „geklotzt und nicht gekleckert werden“.
Freie Wähler: In punkto Baumaßnahmen nähme Memmingen mit einem Ansatz von über 18 Millionen Euro wieder einen Spitzenplatz unter den kreisfreien Städten in Bayern ein, freute sich Fraktionschef Helmut Börner. Für Baumaßnahmen an Schulen seien 9,6 Millionen Euro vorgesehen, hob er hervor. Der Neubau des Klinikums werde den Haushalt mehr als zehn Jahre erheblich belasten. „Er ist aber nicht verschiebbar und sollte umgehend in Angriff genommen werden“, betonte Börner.
ÖDP: Fraktionschef Michel Hartge verglich die Stadt mit einem luxuriös ausgestatteten Schiff, das zu weit vom Kurs abgekommen ist. So sei das Klimaschutzkonzept aus dem Jahr 2012 sei bis heute nicht umgesetzt worden: Strom-, Benzin- und Wärmeverbrauch sollten bis 2020 deutlich gesenkt werden. „So gut wie nichts ist passiert.“ Dasselbe gelte für den Artenschutz. Nicht auf Kurs sei das Stadtschiff auch in punkto Bürgerbeteiligung. So hätte über das neue Kombibad die Kämmerei und nicht der Bürger entschieden. „Sparen am falschen Platz bringt uns um viel Lebensqualität“, mahnte Hartge. Ferner wünscht sich die ÖDP eine schnellere Bearbeitung von Anträgen und mehr Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Ideen. Aus diesen Gründen stimmte die Fraktion dem Haushalt nicht zu.
Der diesjährige Haushalt der Stadt Memmingen im Überblick:
Gesamtvolumen: 190,9 Millionen Euro (Vorjahr: 174,0)
Verwaltungshaushalt: 148,6 Millionen Euro (Vorjahr: 141,9)
Wesentliche Einnahmen:
Gewerbesteuer: 32,5 Millionen Euro (Vorjahr: 32,5 Millionen),
Gebühren für städtische Einrichtungen: 20,1 Millionen Euro (Vorjahr: 21,3),
Einkommenssteuerbeteiligung: 25,0 Millionen Euro (Vorjahr: 24,0),
Schlüsselzuweisungen: 10,7 Millionen Euro (Vorjahr: 6,2)
Größere Ausgaben:
Personalkosten: 50,9 Millionen Euro (Vorjahr: 48,0),
Bezirks- und Gewerbsteuerumlagen: 17,3 Millionen Euro (Vorjahr: 21,4)
Vermögenshaushalt 42,4 Millionen Euro (Vorjahr: 32,1)
Wesentliche Einnahmen:
Zuführung vom Verwaltungshaushalt: 15,6 Millionen Euro (Vorjahr: 9,8),
Zuweisungen vom Land: 6,4 Millionen Euro (Vorjahr: 7,0)
Größere Ausgaben:
Investitionsförderung Klinikum: 13,9 Millionen Euro (Vorjahr: 6,0),
Innensanierung Bernhard-Strigel-Gymnasium: 4,5 Millionen Euro,
Straßenbau: 1,7 Millionen Euro,
Sanierung Gruppenklärwerk: 1,4 Millionen Euro,
Neue Fenster Reichshainschule: 1,1 Millionen Euro,
Kanalbau: 1,0 Millionen Euro,
Planungskosten Kombibad: 300 000 Euro
Die Schuldenlast der Stadt belief sich am 1. Januar 2020 auf 20,5 Millionen Euro (Vorjahr: 21,8)
Die Kreditaufnahme betrug 3,3 Millionen Euro (Vorjahr: 4,0), die Tilgung 1,3 Millionen Euro (Vorjahr: 1,3).
Die Rücklagen betrugen zu Beginn des Jahres 22,4 Millionen (Vorjahr: 21,5). 12,6 Millionen Euro sollen heuer entnommen werden.