Prof. Stefan Brunnhuber referierte unüblicherweise im Sitzen - der 60-Jährige hatte sich einen Tag zuvor am Knie verletzt. Foto: Svenja Gropper.
Memmingen (sg). Wie können wir die Krise nutzen? Wie kann eine grundlegende Veränderung gelingen? Welche Faktoren wirken ein? Zum Thema „Die Kunst der Transformation – Nachhaltigkeit und Ressourcen“ hat der renommierte Ökonom Prof. Dr. Dr. Stefan Brunnhuber auf Einladung der Wirtschaftsjunioren Memmingen/Unterallgäu referiert.
Gut 200 geladene Gäste hörten im Kaminwerk gebannt dem kurzweiligen Vortrag von Prof. Dr. Dr. Stefan Brunnhuber, Ökonom und Psychiater, Mitglied des Club of Rome und Senator der Europäischen Akademie der Wissenschaften, zu.
Krise als produktiver Zustand
Nachhaltigkeit und auch steigende Energiepreise sind schon lange wichtige Themen, so Moderatorin Maxi Weiss.
Alles ist im Krisenmodus - jedoch im positiven Sinn, wenn man Krise frei nach Max Frisch als produktiven Zustand versteht. Es werden jedoch vor allem Brände gelöscht. Oder anders gesagt: Man beschäftigt sich mit der Mücke, während der Elefant im Raum tanzt.
Wechsel in neuen Aggregatzustand
Stefan Brunnhuber beschäftigt sich intensiv mit Zusammenhängen in der komplexen Welt. In seinem Vortrag gab er einen Überblick über Hintergründe, Entwicklungen und mögliche Lösungen. Die Entwicklungen, die wir erleben, seien erst der Anfang, so Brunnhuber. Es sei nichts Zyklisches. Unter der Eisbergspitze, der Covid-19-Krise, liegen viele andere Themen, die es auch zu betrachten gilt. Vielleicht sei das, was wir erleben, keine Krise, sondern vielmehr ein Wechsel in einen „neuen gesellschaftlichen Aggregatzustand“. Wir befinden uns in einem Zwischenzustand, so Brunnhuber.
Zeit einer „zweiten Aufklärung“ ?
Wie passen wir uns nun an den neuen Aggregatzustand an? Wir haben als Menschheit die Fähigkeit uns an komplexe Zusammenhänge anzupassen. Als Beispiele dafür nannte Brunnhuber die Niederlande, die im 11. und 12. Jh. der Landmenge von Malta das Wasser abgerungen haben sowie die in den letzten 100 Jahren gesunkene Wahrscheinlichkeit an Luftverschmutzung zu sterben, da wir die offenen Kochstellen in den Häusern modernisiert und angepasst haben.
Die große Frage: „Wie finanzieren wir das Ganze?“
In 50 Jahren Nachhaltigkeitsdebatte haben wir einen Bereich nicht berücksichtigt und übersehen: Das Geld- und Finanzsystem, so Brunnhuber. Dieses könne in die eine oder andere Richtung führen, je nachdem welche Anreize geschaffen werden.
Im Sinne der Sekundärprävention ginge es darum das Geld- und Finanzsystem so anzupassen, dass der Schaden möglichst geringgehalten wird.
Die Wahrscheinlichkeit, dass wir in den nächsten Jahren nochmal eine Pandemie kriegen, sei extrem hoch, so Brunnhuber. Seine Lösungsidee: Was wäre, wenn die Zentralbanken der WHO Geld zur Verfügung stellten, um die gesamte Weltbevölkerung impfen zu können?
Die Frage nach den Finanzen hat der Referent abschließend rege mit dem Publikum diskutiert.
Darunter war die Frage, ob es nicht eine düstere Vision sein, dass gewisse Eliten autokratische Maßnahmen beschließen und damit festlegen, was gut für die Menschheit ist. Genau das sei die Frage, die sich in den nächsten Jahren beantworten wird, so Brunnhuber.
Der rote Faden : „Out of the box“ denken
Immer wieder betonte Brunnhuber die Notwendigkeit „out of the box“ zu denken, um den Wechsel in den neuen gesellschaftlichen Aggregatzustand als Weltbevölkerung gut zu meistern.