
Sie machen im Altenheim St. Ulrich die Ausbildung zum Pflegehelfer und fühlen sich dort sehr wohl, von links: Eslem Ben Abdessalem, Roua Chouari (beide aus Tunesien), Hong Anh Pham und Van Sy Nguyen (beide aus Vietnam). Foto: Enrico Schwarz
Memmingen (sg). Das Altenheim St. Ulrich in Memmingen musste aufgrund des allgemein bekannten Fach- und Arbeitskräftemangels Teile eines Wohnbereiches bereits schließen, hat nun aus dieser Not aber gewissermaßen eine Tugend gemacht - dort wohnen derzeit je zwei Auszubildende aus Vietnam und Tunesien und absolvieren die Ausbildung zum Pflegehelfer.
Die Kontakte mit Van Sy Nguyen und Hong Anh Pham aus Vietnam sowie Roua Chouari und Eslem Ben Abdessalem aus Tunesien kamen über die Ausbildungsmessen und ein Stellenportal zustande, erzählt der stellvertretende Einrichtungsleiter Enrico Schwarz. Bei den beiden 22-jährigen Vietnamesen war es der Cousin von Nguyen aus Leutkirch, der auf das Altenheim zugekommen ist. Die 25 und 26 Jahre alten befreundeten Tunesierinnen kamen über eine regionale Agentur aus Wangen. Diese hat seit Jahren gute Kontakte in Tunesien und vermittelt für verschiedene Arbeitsbereiche. Nach erfolgreichen Videotelefonaten mit den vier motivierten jungen Menschen, die bereits Deutsch auf B1 Niveau erlernt hatten und in Deutschland bessere Chancen für ihre Zukunft sehen als in ihrer Heimat, wurde alles für ihre Ankunft in Memmingen und den Start in die Ausbildung im September 2024 vorbereitet.
Sprache als Basis
Trotz B1 Niveau berichten sie von sprachlichen Herausforderungen, die allerdings eher dem bayerisch-schwäbischen Dialekt der Bewohner geschuldet sind – aber auch diesen lernen sie bereits mit Freude und möchten außerdem das Sprachzertifikat B2 erwerben. Dabei unterstützt die Geschwister Scholl Schule in Leutkirch im ersten Lehrjahr schwerpunktmäßig. Und auch eine vom Altenheim in die Wege geleitete wöchentliche Begleitung durch Dorothea Bührer soll die Sprachkompetenz weiter fördern. „Sprache ist das A und O“, unterstreicht Schwarz. Die Fortschritte seien deutlich zu hören, nicht zuletzt helfe das tägliche Kommunizieren.
Wohngemeinschaft
Im Teil des geschlossenen Wohnbereiches im Altenheim St. Ulrich ist nun eine WG für die vier Auszubildenden. Jeder hat gegen Übernahme der Sachbezugskosten seinen eigenen Wohnraum mit Bad, es gibt einen Gemeinschaftsraum und eine Gemeinschaftsküche. Sie leben dort „wie eine Familie“ und lernen auch oft zusammen, berichtet Chouari. Sie gehen gemeinsam einkaufen, in die Stadt oder machen - mit dem Deutschlandticket - größere Ausflüge wie aufs Oktoberfest. Kontakt zu Landsleuten in der Region, aber auch einen guten Anschluss im Haus haben sie bereits, erzählen die jungen Menschen.
Gelungene Integration
„Uns war es wichtig, dass mindestens zwei junge Menschen aus einem Land zu uns kommen, um das Ankommen und auch das Heimweh etwas leichter zu machen“, so Schwarz, der sich im Vorfeld mit seinem Team sehr viele Gedanken zu diesem neuen Konzept der Ausbildung und den Bedürfnissen der Neuankömmlinge mit gerade mal zwei Koffern gemacht hat. Mittlerweile sagt Pham zu einer Bewohnerin schon: „Sie sind meine Oma!“. Die Bewohner ihrerseits seien sehr aufgeschlossen und tolerant und die vier mittlerweile gut angekommen und eine Bereicherung, berichtet Schwarz. Er fügt hinzu: „Es haben schon immer Menschen unterschiedlicher Nationalitäten in unserem Haus gearbeitet. Doch meist waren diese bereits eine Weile in Deutschland oder sind hier geboren.“ Erfolgreiche Integration sei, sagt er, gut im Haus empfangen und aufgenommen zu werden, von beiden Seiten kulturell aufgeschlossen zu bleiben und sich eine Chance zu geben.
Perspektiven
Ideal sei es natürlich, dass aus dem Ausbildungsverhältnis ein langfristiges Arbeitsverhältnis werde, erklärt Schwarz. Nguyen, Pham, Chouari und Ben Abdessalem sind „sehr zufrieden in Memmingen“, wollen ihre Sprachkenntnisse verbessern und später im Altenheim St. Ulrich auch die Ausbildung zur Pflegefachkraft absolvieren.
Insgesamt gibt es derzeit 18 Auszubildende - „so viele wie noch nie“, freut sich Schwarz. Sie sind Querbeet im Alter 15 bis 59 Jahren in der Ausbildung zum Pflegehelfer (14) oder in der Ausbildung zur Pflegefachkraft (4). Dringend benötigt werden perspektivisch natürlich mehr Fachkräfte, unterstreicht Schwarz. Den Wunsch der vier „Neulinge“ in Zukunft Fachkraft zu werden, begrüßt er daher sehr.