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"miteinander mittendrin"

Festakt zum 25. Jahrestag des Memminger Behindertenbeirats

veröffentlicht am 17.09.2017
25 Jahre Behindertenbeirat

Von seinem Leben in einer inklusiven Wohngemeinschaft berichtete der Münchner Student Tobias Polsfuß. Fotos: Sonnleitner

Memmingen (as). Unter dem Motto "miteinander mittendrin" lud die Stadt Memmingen zum 25. Jahrestag des Behindertenbeirats in die Rathaushalle ein. Im Rahmen des Festakts stellte der Münchner Student Tobias Polsfuß seine inklusive Wohngemeinschaft in München vor.

Es war eine lange Liste von Ehrengästen, die Verena Gotzes, Vorsitzende des Behindertenbeirats, und Beiratsmitglied Regina Sproll begrüßen konnten. Viele Netzwerkpartner und Vertreter anderer sozialer Organisationen waren der Einladung ins Rathaus gefolgt. Damit alle Geladenen der von Ingrid Willner-Sams und Dr. Rudolf Weinhart moderierten Veranstaltung folgen konnten, wurde jedes Wort von Gebärdendolmetscherin Jimena Sauer übersetzt.

Oberbürgermeister Manfred Schilder dankte dem Beirat für die langjährige, effektive und beharrliche Arbeit, mit der dieser als einer der ältesten Behindertenbeiräte Deutschlands seit 25 Jahren Maßstäbe setze und sich für Chancengleichheit und Teilhabe eingesetzt habe. Man könne stolz sein auf das Erreichte, so Schilder.

25 Jahre Behindertenbeirat

Musikalisch gestaltet wurde der Festakt an Saxophon und Klavier vom Duo Tiefenbacher/Weh - ein inklusives Musikprojekt, da Stefan Tiefenbacher durch einen Unfall seinen linken Arm verlor.

Knapp und sachlich hielt Gründungsmitglied Verena Gotzes ihren Rückblick auf die Geschichte des Memminger Behindertenbeirats, der sich 1991 als eines der ersten öffentlichen Gremien für Menschen mit Handikap in Deutschland etablierte. Begleitet und politisch unterstützt wurde er seit seiner Entstehung von Alt-Oberbürgermeister Dr. Ivo Holzinger, der seinerseits ein Grußwort an die Gäste richtete.

"Auf einem guten Weg“

Musste auch mancher Fortschritt in zähen Verhandlungen errungen werden, so konnten in den 25 Jahren politischer Arbeit doch viele Projekte für behinderte Mitbürger realisiert werden. Der Einsatz von Niederflurbussen, die Aufzüge an Klinikum und Rathaus, die Unterführung in der Augsburger Straße, das Stadtmodell als Orientierungshilfe für Sehbehinderte, der „vorbildlich barrierefrei gestaltete Schrannenplatz“ und die Hörschleife im Stadttheater waren einige der Meilensteine, welche Anna Karrer, Behindertenbeauftragte der Stadt, nannte. „Es ist noch nicht alles perfekt, aber auf einem guten Weg“, schloss Karrer ihren Bericht.

Auch Verena Gotzes zeigte sich zufrieden mit dem Erreichten: „Die meisten hier leben in dem Bewusstsein, dass Behinderung ein Stück Normalität in unserer Gesellschaft ist“, erklärte die Beiratsvorsitzende.

Regina Sproll ließ Aktionen (wie den Stadtrundgang mit den OB-Kandidaten 2016 und das „Sportfest ohne Grenzen“ heuer auf dem LTS Gelände) und Feste des Beirtas Revue passieren. „Wir gestalten unsere Stadt“ war das Motto des  diesjährigen 29. Straßenfests, bei dem Menschen mit und ohne Handikap auf dem Theaterplatz zusammenkamen.

25 Jahre Behindertenbeirat

Tobias Polsfuß beantwortet die Fragen der Zuhörer, übersetzt von Gebärdendolmetscherin Jimena Sauer

„WOHN:SINN - der ganz normale Wahnsinn“

Auf reges Interesse stieß der Vortrag des 24-jährigen Studenten Tobias Polsfuß, der von seinem Leben in einer inklusive Wohngemeinschaft in München berichtete.  „WOHN:SINN - der ganz normale Wahnsinn“ nennt der Absolvent des Studiengangs „Gesellschaftlicher Wandel und Teilhabe“ das „besonders sympathische Wohnkonzept“.

Von den neun Mitgliedern seiner WG sind fünf geistig behindert. Sie werden von Menschen ohne Handikap wie Tobias (unter Leitung einer pädagogischen Fachkraft) betreut, die zum Ausgleich für ihre Dienste, keine Miete zahlen müssen. „Ich empfände mein Engagement in unserer sehr lebhaften Wohngemeinschaft keineswegs als lästige Pflicht“, machte Polsfuß deutlich. 

Über die Hilfestellung im Alltag hinaus kümmern sich die Mitbewohner ohne Handicap auch um die gemeinsame Freizeitgestaltung und organisieren Urlaube. „Alles, was die Gemeinschaft betrifft, wird von allen gleichberechtigt entschieden“, erklärt der Vernetzer Polsfuß.

Obwohl solche Projekte bereits in vielen deutschen Städten existieren, ist die Idee noch nicht sehr verbreitet. Mit seinen Vorträgen möchte der Student erreichen, dass inklusive Wohnformen ein Stück Normalität in Deutschland werden.

Weitere Informationen gibt es auf der online Plattform www.wohnsinn.org

Unser Vorschaubild: Beiratsmitglied Regina Sproll und Verena Gotzes, Vorsitzende des Behindertenbeirats. 2009 wurde sie für ihr Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.