Michael Schönleber vom Vorstand des stadtmarketing memmingen e.V. und Geschäftsführer des Autohauses Verderame spricht über die Auswirkungen des Lockdowns für die Memminger Einzelhändler - und über deren kreative Maßnahmen zur Krisenbewältigung. Foto: Radeck
(rad). Die Ladenschließungen in der Corona-Krise sind eine große Herausforderung für den Memminger Einzelhandel. Lokale-Herausgeber Wolfgang Radeck hat sich mit Michael Schönleber vom Vorstand des stadtmarketing memmingen e.V. über die Auswirkungen des Lockdowns für die Händler und über deren kreative Maßnahmen zur Krisenbewältigung unterhalten.
Herr Schönleber, auch wenn die Bayerische Regierung Lockerungen beschlossen hat, der Virus hat das öffentliche und vor allem das wirtschaftliche Leben nach wie vor im Klammergriff. Wie wirkt sich der „Shut-Down“ insbesondere auf den innerstädtischen Handel aus?
Ich denke, dass sich vieles geändert hat und sich auch einiges noch ändern wird. Unsere schöne Innenstadt ist derzeit menschenleer und viele Inhaber und Geschäftsführer haben sich in den letzten Tagen und Wochen viele Gedanken gemacht: Wie geht es weiter? Welche Möglichkeiten habe ich als Unternehmer, die Chance in der Krise zu nutzen? Es sind dadurch viele Ideen entstanden wie Lieferdienste, Hol- und Bringdienste aber auch Videotelefonie und Beratung über das Telefon. Viele sind wirklich sehr einfallsreich und innovativ. Natürlich sehen wir auch, dass große Internetanbieter ihre Ware in den Markt drücken, aber was wir vom Stadtmarketing festgestellt haben - und dies ist nun wirklich kein Werbeslogan (auch wenn es so klingt) - Memmingen kauft lokal. Sei es ein Buch in der Buchhandlung, Ostergeschenke für die Kinder oder auch Blumen oder Sportschuhe, viele Memminger kaufen in ihren Stammgeschäften ein – dies gelingt nur, weil sehr viele Einzelhändler schon vor der Krise einen tollen Job gemacht haben und sehr viel Energie auf Kundenbindung gesetzt hat. Erste Erfahrungsberichte sehen wir bereits auf Facebook. Es sind kleine Geschichten, die uns ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Dafür möchten wir uns auch bei allen Memmingern bedanken.
Sollte ein Unternehmen keine Möglichkeit haben, derzeit seinen Geschäftsbetrieb aufrecht zu halten, bieten wir seitens des Stadtmarketing unsere beliebten Memminger Einkaufsgutscheine an, die bei uns bestellt werden können und per Post zugesendet werden. Diese können dann im Nachgang direkt bei unseren über 100 Mitgliedsbetrieben eingelöst werden. Des Weiteren gibt es eine neue Gutscheinplattform https://helfen.gemeinsamdadurch.de/. Auf dieser können Kunden ebenfalls einen Gutschein für ihr Lieblingsgeschäft kaufen.
Einige der Unternehmen haben innovative Ideen, wie Heim-Dienste, Online-Shops etc. Aber die allermeisten sind zum Nichtstun und Abwarten verurteilt. Wie groß sind die Sorgen der Memminger Händler wirklich, gibt es schon erste Geschäftsaufgaben?
Natürlich ist eine gewisse Sorge da und auch nachvollziehbar. Wir haben sehr viele inhabergeführte Familienbetriebe, die teilweise seit Generationen in Memmingen ansässig sind.
Nach der ersten Schockstarre haben aber sehr viele Betriebe neue Wege und Möglichkeiten gesucht und auch teilweise gefunden. Dies sehen wir auch als Verein als wir vor knapp vier Wochen die Aktion „Lass den Klick in deiner Stadt – jetzt erst recht“ ins Leben gerufen haben. Wir haben innerhalb kürzester Zeit über 170 Posts bei Facebook online gestellt und haben hiermit über 40.000 Personen erreicht. Ziel war es, allen Memminger Unternehmen und Einzelhändlern eine Plattform zu geben, ihre Dienstleistungen zu präsentieren und dies der Gemeinschaft zu zeigen. Dabei war und ist es uns wichtig, keinen Unterschied zu machen, ob jemand Mitglied des Stadtmarketings ist oder nicht. Wir sehen es als Verpflichtung an, den gesamten Memminger Einzelhandel zu unterstützen.
Ich selbst bin nach wie vor überrascht, auf welche tollen Ideen unsere Einzelhändler kommen. Lieferdienste, Eis-Service, Fahrradkaufberatung per Videotelefonie. All dies geschieht derzeit hinter den verschlossenen Türen. Und wenn ich eins in der kurzen Zeit gelernt habe, dann dass der Memminger Einzelhandel sehr erfinderisch und innovativ ist. Ich denke, dass viele unserer Kollegen noch einiges im Köcher haben.
Aber natürlich ist auch die finanzielle Sorge nicht von der Hand zu weisen, daher meine persönliche Bitte an alle Memminger und Leser Ihrer Zeitung: Kaufen Sie lokal. Unterstützen Sie Ihr Lieblingsgeschäft – fragen Sie nach Gutscheinen oder schieben Sie Ihren Kauf noch ein wenig auf, bis es wieder öffnen kann.
Wie kann die Werbegemeinschaft oder auch die Stadt hier helfend unterstützen?
Die Werbegemeinschaft ist als Teil des Stadtmarkting Vereins in der Tat federführend für viele Events in Memmingen und unser Büro in der Donaustraße erster Ansprechpartner für den Einzelhandel in Memmingen. Seit Beginn unserer Aktion „Lass den Klick in deiner Stadt – jetzt erst recht“ haben wir sehr viel Zuspruch erhalten. Der Grundgedanke vor knapp vier Wochen war es, den Memminger Einzelhandel zu unterstützen. Das sich daraus etwas so Erfolgreiches entwickelt, hätten wir nie gedacht. Natürlich steckt auch viel Zeit und Herzblut in dieser Kampagne, daher gilt mein Dank auch unseren beiden Mitarbeiterinnen Frau Braun und Frau Uliana sowie Frau Hartge, die uns seitens des städtischen Marketings sehr unterstützt und auch an Herrn Peters als unser Kassier des Vereins. Wir Fünf stehen in engem Kontakt miteinander und können somit die Kampagne an sieben Tagen der Woche durchführen. Aber viel wichtiger war uns die Intension: Wir packen es an. Wir lassen uns nicht unterkriegen. Ich finde dies ist uns in dieser Zeit sehr gut gelungen. Ich selbst habe das Gefühl, dass wir alle in dieser Situation enger zusammengerückt sind, auch wenn wir Abstand halten müssen.
Lassen Sie mich aber noch kurz auf ein paar Zahlen eingehen. Wie bereits erwähnt, haben wir zum Zeitpunkt unseres Gesprächs knapp 170 Posts bei Facebook und auf unserer Homepage www.stadtmarketing-memmingen.de online gestellt und dabei weit mehr als 40.000 Menschen erreicht. Unsere Abonnentenzahl bei Facebook steigt täglich und wir sehen, dass wir genau das Richtige zur richtigen Zeit machen. Viele Memminger sitzen zu Hause und vermissen den Draht nach außen. Daher war es uns wichtig ein Stück Normalität zurückzubringen und allen zu zeigen, wir sind stärker als der Virus und wir können dies gemeinsam durchstehen.
Natürlich hilft uns die Stadt auch in dieser Zeit. Hier stehen wir in engem Austausch mit der Stadt. Jedoch ist es in der aktuellen Zeit schwierig Planungen vorzunehmen, da wir uns an die Lage anpassen müssen um dann ggfs. kurzfristig Maßnahmen zu ergreifen.
Dass unsere Aktion auch über die Stadtgrenzen hinaus für Aufsehen sorgt, sehen wir daran, dass wir bereits als Best Practice Beispiel bei verschiedenen überregionalen Radiosendern genannt wurden.
Darüber hinaus planen wir bereits mit dem gesamten Vorstand verschiedene Maßnahmen wie wir alle mit den Lockerungsmaßnahmen umgehen können. Ich bitte Sie jedoch hier um Verständnis, dass wir hierzu noch keine Details veröffentlichen können, da wir aufgrund der Änderungen seitens unserer Regierung immer wieder Anpassungen vornehmen müssen.
Wie kann man sich den „Neustart“ vorstellen? Die Geschäfte müssen ja umfangreiche Hygiene-Maßnahmen vorhalten.
Wir sind hier bereits durch viele Rundschreiben der einzelnen Innungen aber auch durch die Presse sensibilisiert worden. Sei es durch Plexiglas Trennwände an den Kassen oder aber auch die Aufstellung von Desinfektionsstationen. Die Memminger Einzelhändler gehen hier sehr sorgsam mit dem Thema um. Auch hier sehen wir wieder, dass Memmingen zusammenhält. Wir erhalten vereinsseitig sehr viele Angebote von Memminger Unternehmen für Memminger Unternehmen. Somit können viele Einzelhändler kurzfristig reagieren. Auch wir im Autohaus haben darauf bereits reagiert und an allen kundenrelevanten Orten Möglichkeiten zu Desinfektion gegeben. Obwohl derzeit keine Maskenschutzverpflichtung vorliegt, sind viele Betriebe auch hier gut vorbereitet. Aber auch hier gilt mein Appell an alle Memminger: Seid umsichtig. Abstand halten ist nach wie vor das Gebot der Stunde.
Es geht mir selbst auch so, es zieht mich in die Stadt und bei dem schönen Wetter vergisst man die Sorgen auch ein wenig. Dies ist meiner Meinung nach auch nicht verkehrt, man darf sich auf ein Stück Normalität freuen, aber man darf auch nicht außer Acht lassen, dass wir diese zurückgewonnene Freiheit auch leicht wieder verlieren können, wenn wir die Hygiene-Maßnahmen nicht einhalten.
Sie selbst betreiben ein Autohaus, wie ist hier der Stand der Dinge? Zumindest dürfen Sie ja wieder - in Bayern mit einer Woche Verzögerung - am 27. April öffnen.
Ja, Sie haben recht, wir dürfen ab dem 27. April wieder starten. Natürlich waren es für uns, wie auch für viele meiner Händlerkollegen, schwierige Wochen. Wir sind seit Jahren bereits online sehr aktiv und konnten hier zumindest einen Teil unseres Umsatzverlustes im Pkw Verkauf kompensieren. Außerdem war unsere Werkstatt weiterhin geöffnet, wenn auch mit einem reduzierten Team und geänderten Öffnungszeiten. Auch was das Thema Hygiene angeht, haben wir in den vergangenen Wochen bereits Vorkehrungen getroffen, so dass wir ab dem 27. April startklar sind.
Wir konnten auf alle Gegebenheiten sehr schnell reagieren. Anfänglich war uns der Reifenwechsel untersagt, dies wurde jedoch dann schnell geändert und wir konnten uns auch dieser Situation stellen. Wir haben unsere gesamte Belegschaft in Teams eingeteilt, so dass wir das Infektionsrisiko auf ein Minimum reduzieren konnten und wie sie sehen, ist uns dies geglückt. Daher gilt mein Dank all unseren Mitarbeitern, die uns in dieser schwierigen Zeit nicht allein gelassen haben. Ich denke, ich spreche hier für viele Inhaber und Geschäftsführer, ohne ein gut funktionierendes Team wäre vieles in den letzten Wochen nicht machbar gewesen. Daher: Dankeschön an unser Team für deren Einsatz nicht nur besonders in dieser Zeit.
Hand aufs Herz – wie bewerten Sie den bayrischen, besonders vorsichtigen Weg?
Herz, das ist ein gutes Stichwort. Es schlagen in meiner Brust mehrere Herzen. Da ist zum einen der Unternehmer der sich Gedanken macht, ob die Beschränkungen zu hart sind und zu weit gehen, aber auch zum anderen der Familienmensch, der sich um seine beiden Kinder sorgt und sich nichts sehnlicher wünscht, als die eigenen Eltern wiederzusehen. Ich denke, es gibt in den Entscheidungen, die in Bayern getroffen werden kein „richtig“ oder „falsch“, es muss jeder für sich selbst abwägen, ob er die Entscheidungen für gut hält oder nicht. Ich persönlich finde, dass der Weg der richtige ist und wir dadurch sicherlich auch Menschenleben retten. Natürlich ist es für große Betriebe und Kaufhäuser, aber auch für Fahrschulen und Friseure immer noch ungewiss, ob und wann sie tatsächlich öffnen können, aber ich denke, dass wir alle bewiesen haben, dass wir umsichtig und vorsichtig mit dieser Situation umgehen.
Auch wenn wir aufgrund der Verordnung nun viele Veranstaltungen nicht wie geplant durchführen können oder sie sogar verschieben müssen, so bin ich fest davon überzeugt, dass wir, wenn wir uns weiterhin so diszipliniert verhalten, zu gegebener Zeit wieder gemeinsam feiern und lachen können.