Die Schüler der 9. Jahrgangsstufe der Jakob Küner Berufsschule präsentierten die Ergebnisse ihres Wokshops. Foto: Fügenschuh
Memmingen (sfü): Anlässlich des Gedenktages der Opfer des Nationalsozialismus bietet das Landestheater Schwaben (LTS) jährlich Schülern die Möglichkeit, sich im Rahmen eines theaterpädagogischen Workshops mit dem NS-Regime auseinanderzusetzen. 21 SchülerInnen der Jakob Küner Berufsschule nahmen in diesem Jahr an der ganztägigen Veranstaltung teil und präsentierten das Ergebnis ihrer Arbeit in einer abschließenden multimedialen Installation.
Der diesjährige Workshop war der letzte unter der Intendanz von Walter Weyers, der in diesem Sommer nach 19 Jahren das Haus verlassen wird. Aus diesem Grund war dem 63-jährigen Regisseur und Autor das Projekt ein besonderes Anliegen. Weyers sieht Parallelen zwischen Pegida-Demos, den AfD-Wahlerfolgen und der nationalistisch aufgeheizten Stimmung in den 1930er Jahren. „Was derzeit bei uns passiert zeigt mir, es ist wichtig, was wir hier tun. Wir müssen uns unsere Vergangenheit vergegenwärtigen. Das hat nichts mit Schuld, sondern mit Verantwortung zu tun. In einer Welt voller Krisenherde geht es uns hier unglaublich gut. Das sollte uns zu Verantwortung und Anstand ermahnen“, erläutert der Intendant.
Gemeinsam
mit Theaterpädagogin Claudia Schilling gelang es, einen Zeitzeugen der
damaligen Geschehnisse für den Workshop zu gewinnen. Ernst Grube, nach
Definition der Nürnberger Rassengesetze ein sogenannter „Halbjude“, hatte die
Internierung in ein Münchner Ghetto und die Deportation nach Theresienstadt als
kleiner Junge mit- und überlebt. In einem einstündigen Vortrag schilderte der
heute 83-Jährige den 21 Jugendlichen seine Erlebnisse und stellte sich im
Anschluss deren Fragen.
"Ohne pädagogisch erhobenen Zeigefinger"
Im Vorfeld hatten die Neuntklässler mit Theaterpädagogin Claudia Schilling konkretisiert, was sie von einem Zeitzeugen dieses Abschnittes der deutschen Geschichte erfahren wollen. „Mit jemandem außerhalb des Klassenzimmers und ohne pädagogisch erhobenen Zeigefinger zu sprechen, der unsere Geschichte direkt wiedergeben konnte, hat den Jugendlichen einen viel begreifbareren Zugang zu dieser Thematik geebnet“, so Schilling. „Die Schüler haben sich sehr konzentriert und offen auf den Workshop eingelassen“, lobt die Pädagogin.
Der
Vortrag des KZ-Überlebenden sowie die Fragerunde mit den Schülern wurden
in Form einer audio-visuellen Installation am Folgetag den vier Klassen der 9.
Jahrgangsstufe des BBZ Jakob Küner im LTS präsentiert. In einem „Raum der
Begegnung“ konnten die Workshopteilnehmer und ihre Mitschüler das Gehörte,
Gesehene und Erlebte diskutieren. „Einen Zeitzeugen sprechen zu können war auf
jeden Fall eine einmalige Gelegenheit. Es war spannend und aufschlussreich, ihm
zuzuhören“, schildert Schüler Phillip Franke den vergangenen Tag. „Wir haben
den Rassismus von damals auch mit der gegenwärtigen Stimmung heute verglichen,
mit Hetzkommentaren auf Facebook gegen Flüchtlinge zum Beispiel. Die
Meinungsfreiheit ist unserer Meinung nach absolut schützenswert, aber
Grundprinzipien wie Anstand und Respekt sollten nie außer acht gelassen
werden“, meint der Schüler.
Parallele zur aktuellen Flüchtlingskrise
Auch Zeitzeuge Ernst Grube zieht in seinem Gespräch mit den Schülerinnen und Schülern Parallelen zwischen der aktuellen Flüchtlingskrise und der Situation seiner Familie und der von Millionen Juden in Europa während und vor dem zweiten Weltkrieg. „Wer fliehen wollte, der hätte in anderen Ländern eine Anlaufstelle benötigt. Meine Eltern hatten niemanden in Amerika oder sonst wo. Flucht war also keine Option. Heute weiß ich, dass auch andere Länder den Juden damals nicht helfen wollten, sie nicht aufnehmen wollten. Wenn ich also etwas weitergeben möchte, dann, dass man Menschen in einer solchen Situation helfen muss.“
Und noch etwas gibt der 83-Jährige den Jugendlichen mit auf den Weg: Jedem Menschen mit Respekt zu begegnen - unabhängig von Herkunft, Religion oder Hautfarbe.