Ana Alcaide mit ihren
musikalischen Begleitern Rainer
Seiferth (rechts) und Bill
Cooley im Antoniersaal. Fotos: Sonnleitner
Memmingen (as). Ein berührendes Erlebnis war das von der vhs Memmingen im Rahmen der "spanischen Woche" präsentierte Konzert der spanischen Sängerin und Komponisten Ana Alcaide. Vor über 160 Zuhörern zelebrierte die Künstlerin aus Toledo mit ihren musikalischen Begleitern Rainer Seiferth und Bill Cooley „Leyenda“ - volkstümliche Legenden aus ihrer Heimat und anderen europäischen Ländern und verzauberte damit das Publikum im Antoniersaal.
Im
Mittelpunkt ihrer Balladen stehen vor allem weibliche Fabelwesen, die Ana Alcaide auf
ihren Reisen durch den spanischen Norden entdeckte. Solche Geschichten enden
meist tragisch, so auch in der „Fabula De Una Selkie“, ein Lied, das die Liebe eines Fischers zu einer Seehund-Frau beschreibt, vom neuen, noch nicht
erschienenen, Album „Leyenda“.
Ana Alcaide, die sich der Natur als studierte Biologin und Botanikerin auch wissenschaftlich nähert, erzählt Geschichten von Leidenschaften, die ebenso ein Tribut an die Landschaft sind, in der sie verwurzelt sind. So rankt sich „La Mujer Muerta“ (Die tote Frau) um die Entstehung eines Gebirgszuges in Zentralspanien, geformt wie eine liegend Frau. Auch in rein instrumentalen Kompositionen wie „La Folia De Primavera“, das die (Klang-)farben der erwachenden Natur beschreibt, steht das Narrative im Vordergrund.
Der deutsche Gitarrist Rainer Seiferth bereitet auf seinen Gitarren den musikalischen Boden für die mystischen Gestalten, die schicksalhaften Naturphänomene und Urgewalten, welche die rothaarige, zarte Sängerin, die selbst etwas von einem Fabelwesen hat, in ihren geheimnisumwobenen, verträumten Geschichten besingt. Dabei begleitet sie sich virtuos auf der Nyckelharpa, einer schwedischen Tastengeige. Von Sehnsucht und Melancholie durchzogen sind die feinsinnig und einfühlsam vorgetragenen Lieder, aber auch geprägt von Lebendigkeit und Leidenschaft.
Für mitreißende
Rhythmik sorgt der New Yorker Percussionist und Multiinstrumentalist Bill Cooley, der das Konzert
außerdem mit der Laute begleitet. Sein Psalterium, die Urform von Zither und
Brett, gibt den
Melodien etwas schwebend-leichtfüßiges, geerdet durch den ausgewogenen, warmen Klang
der Nyckelharpa, die Ana Alcaide aus ihren Studienzeit in Schweden mitbrachte.
„La Cantiga Del Fuego“
Neben Interpretationen spanischen mittelalterlichen Liedgutes und Eigenkompositionen spielte das Trio auch traditionelle schwedische und bulgarische Stücke. „La Cantiga Del Fuego“, das den vernichtenden Tanz des Feuers in einer Stadt beschreibt, ist im griechischen Thessaloniki zuhause.
Eine wichtige ethnische Quelle, aus der die toledanische Sängerin auf ihren phantastischen Reisen schöpft, ist die sephardische jüdische Musik. Entstanden im mittelalterlichen Spanien, nahm sie Einflüsse von Volksmusik, unter anderem aus Marokko, Argentinien, der Türkei und Griechenland auf. Die Tradition der spanischen Juden erklingt auch in dem traditionellen Schlaflied “Durme“ vom zuletzt erschienenen Album „Como La Luna Y El Sol“. Ana Alcaide trägt es auf Ladino vor, der traditionellen romanischen Sprache der sephardischen Juden.
Der unwiderstehliche Zauber alter Legenden schlug das Publikum schnell in seinen Bann. Als Zugabe spielte das Trio eine Buleria, eine feurige, mitreißende Form des Flamencos. Ein rundum gelungener Konzertabend, bevölkert von archaischen, schönen und unberechenbaren Gestalten. Und ab und zu meinte man auch, einen Kobold vorbeihuschen zu sehen.