Memmingen (as). Zur Europawahlnachlese hatten die Vorsitzenden der Europa-Union Kreisverband Memmingen, Burkhard Arnold und Lajos Oszlari, ins Weinhaus "Goldener Löwe" geladen. Etwa 20 Interessierte waren der Einladung gefolgt. Die Memminger Euopawahl-Kandidaten Heike Schalk (FDP), Francesco Abate (SPD), Lucia Fischer (ÖDP) sowie der Landtagsabgeordete Klaus Holetschek berichteten über ihre Erfahrungen im Wahlkampf und nahmen zum Ergebnis der Wahl und der Frage "Wie soll es jetzt weitergehen?" Stellung.
Ganz abgesehen davon, dass ihre Partei „gegen schwindende Strukturen“ zu kämpfen gehabt habe zum Zeitpunkt der Europawahl und stark unter dem „fehlenden Rückenwind einer Bundespartei“ litt, habe sie den Wahlkampf als schwierig empfunden, erklärte Heike Schalk. Sie sprach von Vermittlungsproblemen, weil den Bürgern das Hintergrundwissen über Europa fehle. „Ich musste zunächst erklären, wie das Europäische Parlament funktioniert, welche Parteien und Programme es gibt und wie die Strukturen beschaffen sind“, so Schalk.
Francesco Abate führte dies auf die Medien zurück, die zu wenig darüber berichteten, was in Brüssel passiere. Im Übrigen zeigte er sich mit dem Wahlergebnis seiner Partei zufrieden: „6,8 Prozent mehr Stimmen – für die SPD in Memmingen ist der Wahlausgang ein Erfolg“, so Abate. Allerdings habe man sich auf Landes-Ebene mehr Stimmen für Christian Ude erhofft.
Für die Verluste der CSU machte MdL Klaus Holetschek u.a. die Abwanderung von Wählerstimmen zu AfD und kleinen Splitterparteien (durch die Aufhebung der Drei-Prozent-Hürde) verantwortlich. Und: „Wir konnten nicht rüberbringen, wofür wir eigentlich stehen“, gab er auf eine Kritik aus dem Zuhörerkreis hin unumwunden zu. Zu zerrissen sei die CSU in der Europafrage aufgetreten, nicht zuletzt durch die skeptische Haltung Peter Gauweilers. Insgesamt befand Holetschek: “Wir müssen für Europa mehr positiv werben."
Kontroversen innerhalb der Parteien
Auch in der FDP habe man sehr kontrovers diskutiert, erklärte Schalk. Sie kritisierte die Kandidatenauswahl: „Lambsdorff ist nicht die stärkste und revolutionärste Figur der FDP und Lindner konnte kein fundiertes Bild vermitteln“. So sei man jetzt nur mit drei von ehemals zwölf Kandidaten im Europäischen Parlament vertreten. „Zur Zeit werden wir getragen von anderen liberalen Ländern“, meinte Schalk. Die ALDE sei nach wie vor eine starke Partei. Viel Beifall fand ihr Bekenntnis: „Wir sind für ein Europa der starken, selbständigen Staaten, nicht für einen europäischen Bundesstaat."
Lucia Fischer von der ÖDP wies auf die personelle Begrenztheit der Memminger Fraktion hin und auf das schmale Budget: „Da wir keine Parteispenden nehmen, mussten wir alles aus eigener Tasche finanzieren." Außerdem engagiere man sich massiv im Bündnis STOPP TTIP: „Das Transatlantische Freihandelsabkommen ist eines der größten Probleme, die wir derzeit zu bearbeiten haben“, erklärte Fischer.
TTIP - "lästiges Gespenst" des Wahlkampfes
Wie ein "lästiges Gespenst" habe sich TTIP durch die Wahlen gezogen, meinte Schalk. "Worüber konkret diskutiert wurde, wusste ja niemand“, kritisierte sie.
„Wir brauchen mehr Transparenz in diesem Verfahren“, meinte auch Klaus Holetschek. „Es gibt rote Linien, die nicht überschritten werden dürfen." Auch er sprach sich gegen eine Investitionsschutzklausel aus. „Es ist auch klar beschlossen, dass wir kein Fracking wollen“, so der Landtagsabgeordnete.
„Wir sind grundsätzlich für ein Freihandelsabkommen, aber nicht zu Lasten der Bürger“, bekannte Abate. Schalk wies abschließend darauf hin, dass das Abkommen zwischen Rat und Kommission entschieden werde: "Das Parlament hat keine Entscheidungskompetenz."
Fazit: Wirklich zufrieden mit den Gesamtergebnissen der Europawahl zeigte sich keiner der Kandidaten. „Auch der Trend nach rechts kann uns nicht positiv stimmen“, so Fischer. Doch ergaben sich im Laufe der Diskussion viele Übereinstimmungen zu wichtigen Themen jenseits parteipolitischer Differenzen. Burckhard Arnold lobte die „konstruktive, sehr partnerschaftliche Diskussion". Als positiven Aspekt der Europawahl hob er hervor, das Parlament habe Stärke gezeigt, indem es sich in der Frage des Direktkandidaten durchgesetzt habe.
Harmonie auf kommunaler Ebene
„Wir müssen suchen, was uns verbindet“, erklärte Lajos Oszlari in Hinblick auf den gesamten Staatenverbund der EU. So war man sich auch darüber einig, dass es derzeit keine Neueintritte geben solle, aber auch keine Ausgrenzung einzelner Länder. Allerdings sprachen sich die Kandidaten auch gegen Rettungssschirm, Fiskalpakt und Verteilungspolitik aus „Die Staaten brauchen vielmehr einen Strukturwandel, um aus eigener Kraft agieren zu können“, erklärte Schalk. "Wir brauchen Subsidiarität", plädierte auch Holetschek. So hatte man an diesem Abend Europa vereinigt - zumindest auf kommunaler Ebene.