Ein Blumenstrauß für die Autorin: Gunna Wendt (Mitte) mit der Gleichstellungsbeauftragte Claudia Fuchs (rechts) und der Vorsitzenden des Frauennetzwerks Berti Huber. Fotos: Sonnleitner
Memmingen (as). 30 Tafeln, auf 20 Schaufenster und öffentliche Einrichtungen verteilt, zeugen noch bis 31. März vom Wirken starker und mutiger Frauen in Geschichte und Gegenwart. Bei der offiziellen Eröffnung der Wanderausstellung am Frauentag im Kolbe-Haus las die Schriftstellerin Gunna Wendt aus ihrem Buch „Erika und Therese – Eine Liebe zwischen Kunst und Krieg“.
Die Wanderausstellung wird bei jeder Station um ein Frauenporträt erweitert. In Memmingen kam Sigrid Baur, hinzu die erste Frauenbeauftragte der Stadt Memmingen.
Eine erste Auswahl von Frauen im deutschsprachigen Raum, die bestehende Strukturen hinterfragten und sich über Normen und Konventionen hinwegsetzten, umfasste schnell weit über hundert Frauen aus verschiedenen Bereichen und Jahrhunderten, erklärte Claudia Schreck vom Evangelischen Presseverband für Bayern den Gästen im Maximilian-Kolbe-Saal. Repräsentativ wurden 30 Rebellinnen im positivsten Wortsinne ausgewählt, die von Künstlerinnen illustriert wurden. Viele von ihnen waren Pionierinnen, Wegbereiterinnen, auf ihrem Gebiet wie die erste Ministerin der Bundesrepublik Elisabeth Schwarzhaupt. (Sie war von 1961 bis 1966 Bundesministerin für Gesundheitswesen.) QR-Codes auf den 30 Tafeln in Memminger Schaufenstern führen auf die Ausstellungsseite mit Texten, Audios und Videos, die Informationen über die Rebellinnen liefern.
„Frauen mit Talent, Mut und Durchsetzungskraft“
In Vertretung der erkrankten Bürgermeisterin Margareta Böckh eröffnete Oberbürgermeister Manfred Schilder nach einem per Video eingespielten Grußwort von Staatsministerin Ulrike Scharf die von der Gleichstellungsbeauftragten Claudia Fuchs kuratierte Ausstellung. Er würdigte die Rebellinnen als „Frauen mit Talent, Ausdauer, Mut und Durchsetzungskraft“, die für ihre Überzeugungen eingestanden seien, für ihre Rechte gekämpft und die Gesellschaft geprägt hätten. „Ihr Wirken wird für immer Bestand haben.“ Herzlich begrüßte das Stadtoberhaupt die Nichte von Elisabeth Schwarzhaupt, Dr. Dorothea Schwarzhaupt-Scholz, die zur Ausstellungseröffnung nach Memmingen gekommen war.
Als Beispiel einer Frau, die den Geist der Rebellin ganz besonders verkörperte und für ihre Überzeugung starb, nannte Schilder Sophie Scholl. Den „Equal Pay Day“ am 7. März führte der Rathauschef als Beispiel dafür an, wie ungerecht die Welt nach wie vor sei. „Ich wünsche mir, dass die Ausstellung viele Männer und Frauen inspiriert, sich mit dem Beitrag der Frauen für die Gesellschaft auseinanderzusetzen und eigene Wege zu gehen“, schloss Schilder seine Ansprache. „Andere bestimmen weder was wir sind, noch was wir können.“
"Das individuelle Talent entscheidet"
„Gesellschaftliche Rollenbilder bestimmen nach wie vor weite Teile der Gesellschaft, auch bei uns“, konstatierte Michael Trieb, Leiter der Volkshochschule Memmingen als Veranstalterin des Abends. Zwar schaffe das Grundgesetz die Voraussetzungen für Geschlechtergerechtigkeit, „ist dies aber auch in den Köpfen angekommen?“, so Trieb zweifelnd. „Nicht das Geschlecht gibt an, wozu Frau oder Mann befähigt ist, sondern das individuelle Talent“, betont er. Diese Grundüberzeugung sei ausschlaggebend dafür gewesen, die Ausstellung nach Memmingen zu holen.
Für die Lesung begrüßte Michael Trieb statt der Autorin Michaela Karl, die sich in Corona-Quarantäne befindet, die in München beheimatete Soziologin und freie Schriftstellerin Gunna Wendt. „Ihre Protagonistinnen sind überwiegend Frauen, die eigene Wege gehen und sich selbst neu erfinden“, so der vhs-Leiter. „Gunna Wendts Biographien sind ein Blumenstrauß weiblicher Dynamik, Energie und Schaffenskraft.“
Wie zum Beweis eröffnete die Schriftstellerin ihre Lesung mit einer kämpferischen Empfehlung zur weiblichen Selbsthilfe der Schriftstellerin Lou Andreas-Salomé: "Die Welt, sie wird dich schlecht begaben, glaube mir's! Sofern du willst ein Leben haben: raube dir's!"
„Erika und Therese - Eine Liebe zwischen Kunst und Krieg“
Gunna Wendts fesselnder Roman „Erika und Therese - Eine Liebe zwischen Kunst und Krieg“ handelt von zwei Rebellinnen par excellence: Die temperamentvolle und unerschrockene Schauspielerin und Schriftstellerin Erika Mann und die begnadete jüdische Schauspielerin Therese Giehse. 1927 lernten sich die beiden Künstlerinnen kennen, bis 1937 verband die beiden sehr gegensätzlichen Frauen eine Liebesbeziehung.
Zusammen mit Erikas Bruder Klaus Mann und dem Musiker Magnus Henning gründeten die beiden Frauen Anfang 1933 in München das Kabarett „Die Pfeffermühle“ und gingen damit ins Exil, als Therese Giehse noch im gleichen Jahr vor den Nationalsozialisten fliehen musste, bei denen die politisch links stehende Jüdin in Ungnade gefallen war.
Gunna Wendt spielte dem Publikum auch Audioaufnahmen vor, auf denen die Giehse Texte von Heine und Brecht zitiert. Therese Giehse schließt mit dem brechtschen Appell: „Ändere die Welt, sie braucht es.“
Die Ausstellung wird gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales, und von der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche. Mehr Infos über die Wanderausstellung, die von Gemeinden, Bildungseinrichtungen, Kommunen oder Schulen ausgeliehen werden kann, gibt es auf ausstellung-leihen.de/rebellinnen