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"Ich möchte, dass die besten Hacker bei der bayerischen Polizei arbeiten“

Grüne erörtern Fragen der Inneren Sicherheit auf Schwäbischem Polizeikongress

veröffentlicht am 24.07.2018
Schwäbischer Polizeikongress

Die Podiumsgäste des Schwäbischen Polizeikongresses im Dietrich-Bonhoeffer-Haus (v.li.): Thomas Bentele, stellv. Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, MdL Katharina Schulze, Fraktionssprecherin der Grünen im Bayerischen Landtag und bayerische Spitzenkandidatin, Kriminalkommissar Daniel Pflügl, Landtagskandidat für den Stimmkreis Memmingen sowie Rechtsanwältin und Kriminologin Anja Mack. Foto: Sonnleitner

Memmingen (as). „Grüne Politik und Innere Sicherheit, das passt zusammen“, verkündete die Fraktionsvorsitzende und innenpolitische Sprecherin der Grünen, Katharina Schulze, auf dem Schwäbischen Polizeikongress im mäßig besuchten Dietrich-Bonhoeffer-Haus. Im Vordergrund stand die Kritik an der „katastrophalen Personalsituation“ bei der bayerischen Polizei. Hauptthema des Abends war die Frage, wie eine Gesellschaft sicher und dennoch frei leben kann, die sich am Polizeiaufgabengesetz (PAG) entzündet hatte. Im Zuge dessen stand natürlich auch jede Menge Wahlkampf auf dem Programm.

Auf dem Podium informierten MdL Katharina Schulze, Fraktionssprecherin der Grünen im Bayerischen Landtag und bayerische Spitzenkandidatin, Kriminalkommissar Daniel Pflügl, Landtagskandidat für den Stimmkreis Memmingen, Thomas Bentele, stellv. Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, sowie Rechtsanwältin und Kriminologin Anja Mack. Moderiert wurde die Veranstaltung vom schwäbischen Spitzenduo Stephanie Schuhknecht und Thomas Gehring.

"Ich brauche keine stärkeren Gesetze oder Drohnen, sondern einen Kollegen, der hilft", kritisierte Daniel Pflügl die „katastrophale Personalsituation“ bei der bayerischen Polizei. „Alle Dienststellen in der Umgebung sind unterbesetzt, es war noch nie so schlimm wie derzeit, die Kollegen sind am Limit."

"Verantwortlicher Umgang fängt bei nachhaltiger Personalpolitik an", kritisierte der Kriminalkommissar die Unterbesetzung der bayerischen Polizei. Drei Monate vor der Wahl werbe die CSU mit der neuen bayerischen Grenzpolizei, Reiterstaffeln für bayerische Großstädte und mit Außengrenzensicherung für ihre Sicherheitspolitik. Doch dies sei „plakativ und realitätsfern“ Symbolpolitik, meinte Pflügl, "da werden hunderte junge Bereitschaftspolizisten an die Grenze beordert. Doch die Kollegen fehlen hier vor Ort."

"Im Stundentakt neue Maßnahmen"

„Die Regierung erfindet im Stundentakt neue Maßnahmen, die die Polizei umzusetzen hat“, beklagte auch Thomas Bentele, und sie bediene sich dabei stets an der Basis. „Kollegen im Wach- und Streifendienst müssen ständig aushelfen“, so der Polizeigewerkschafter. Bentele nannte konkrete Zahlen: "Bayernweit fehlen 3.000 Kollegen", in Schwaben seien es 200. „In Bayern werden derzeit 450 Bürger durch einen Polizisten betreut, 2010 waren es noch 417“, bezifferte Bentele die steigende Belastung.

Schwäbischer Polizeikongress

Katharina Schulze, Fraktionssprecherin der Grünen im Bayerischen Landtag und bayerische Spitzenkandidatin.

„Bunter, vielfältiger, weiblicher und europäischer“ (also besser vernetzt gegen grenzüberschreitende Kriminalität, Anm, der Red.) wünscht sich Katharina Schulze die bayerische Polizei und - mit IT Spezialisten gegen Cyberkriminalität -  fit für die Zukunft. „Ich möchte, dass die besten Hacker bei der bayerischen Polizei arbeiten“, so die bayerische Spitzenkandidatin. Doch für solche Aufgaben brauche man speziell ausgebildetes Personal „anstatt aus Polizisten Supermänner zu machen, die alles können“, wandte Pflügl unter Applaus der Zuhörer ein, die ihre Fragen an die Diskussionsrunde schriftlich einbringen konnten.

Solide Sicherheitslage

Frei und sicher leben sei keineswegs ein Widerspruch. Bayern sei sicher und habe eine hohe Aufklärungsquote. "Es ist nicht so schlimm bei uns." Auch Kriminologin Anja Mack bezeichnet die Sicherheitslage als solide.

Um diese Sicherheit zu wahren, fordert Katharina Schulze nicht nur mehr Beamte, sondern auch Tarifbeschäftigte. Es gelte außerdem, Überstunden abzubauen und die Zuständigkeiten der Polizei zu klären. Auch über eine Zusammenlegung von Dienststellen müsse man nachdenken. „Für bestimmte Aufgaben mache eine Zentralisierung durchaus Sinn“, so Schulze.

Es sei sinnvoll, für politische Ermittlungen an zurückliegende Dateien zu gelangen, räumte Katharina Schulze auf die Frage aus dem Publikum ein: „Warum sträuben sich die Grünen gegen Vorratsdatenspeicherung?“. Hier seien die Fronten verhärtet, „wir brauchen eine grundrechtsschonende Lösung“. Diese sei am runden Tisch auf Bundesebene auszudiskutieren.

Mit dem PAG übers Ziel hinaus geschossen

Ein wichtiges Thema der Podiumsdiskussion war das am 25. Mai verabschiedete und in Bayern stark umstrittene Polizeiaufgabengesetz (PAG), gegen das allein in München kürzlich 30.000 Menschen demonstriert haben. „Wir brauchen das PAG, damit wir wissen, was wir tun dürfen“, so Pflügl, doch habe die bayerische Staatsregierung wohl übers Ziel hinaus geschossen.

Heftig umstrittener ist der vage Begriff der "drohenden Gefahr", die bereits eine Überwachung durch die Polizei rechtfertigt. „Wir hoffen auf eine Verhandlung vor dem Bayerischen Verfassungsgericht“, sagte Schulze.

Auch Anja Mack kritisierte den „massiven Eingriff in Grundrechte aufgrund des Totschlagarguments Terrorgefahr“: „Die Menschen haben zu Recht demonstriert, das Gesetz ist verfassungswidrig und wird kippen“, so die Rechtsanwältin.

„Man muss unwahrscheinlich viel schlucken“

Ein weiteres Thema war die Gewalt und zunehmende Respektlosigkeit gegen Einsatzkräfte von Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr. „Man muss unwahrscheinlich viel schlucken“, bestätigte auch Thomas Bentele, der selbst schon Opfer von Gewalt wurde. Statt härterer Strafen sei hier Ursachenforschung gefragt.

"Härtere Strafen ändern nichts"

„Es ist Unsinn zu glauben, dass man mit härteren Strafen etwas ändert“, bestätigte Anja Mack. „Der generellen Tendenz von Verrohung und Respektlosigkeit werden wir so nicht Herr.“ Nicht mit Stacheldraht, sondern nur durch sozialtherapeutische Maßnahmen könne man Veränderungspotenziale von Straftätern fördern, erklärte Mack.  

Katharina Schulze verwies auf das Maßnahmenpaket, das die bayerischen Grünen im Februar in den Landtag eingebracht haben, um den Schutz von Einsatzkräften zu verbessern. Auch hier liegen die Schwerpunkte auf besserer Prävention vor Übergriffen.

Schwäbischer Polizeikongress

Mit jazzigen Farbklänge bereicherten Leo Link und Frank Thumbach den Kongress der Grünen.

"Gesetze konsequent anwenden"

„Am 14. Oktober haben wir die Chance, die Mehrheitsverhältnisse in diesem Land fundamental zu ändern“, mobilisierte Spitzenkandidatin Katharina Schulze die Zuhörer kämpferisch. Die  Grünen stünden für eine stärkere Polizei, aber auch für die Achtung und Wahrung der Bürger und Freiheitsrechte. Das gehe durchaus zusammen. „Wir haben in Deutschland genug Gesetze, wir müssen sie nur endlich konsequent anwenden“, meint die Grünen-Fraktionssprecherin.

"Die CSU muss erst von diesem Trip herunterkommen"

"Natürlich wollen wir nicht in Schönheit am Spielfeldrand sterben", antwortete die Landtagskandidatin auf die Frage der Lokalen, ob die Grünen denn mit der CSU koalieren würden. Doch so wie sie sich derzeit präsentiere, "nationalstaatlich und autoritär", sei mit der CSU „kein Staat zu machen“, erklärte Schulze entschlossen.

Prävention gegen Aggression und Gewalt

„Was müssen wir noch machen, damit alle Menschen frei und sicher leben können?“ – Katharina Schulze beschloss die Diskussionsrunde mit einer Aufzählung wichtiger Punkt der grünen Agenda:

Neben einer Entlastung der Polizei von unnötigen Aufgaben und personeller Aufstockung brauche man ein präventives Programm gegen Aggression und Gewalt in der Gesellschaft, eine vorausschauende Innenpolitik und eine Sozialpolitik, die den Menschen - zum Beispiel durch gute Stadtplanung - ein Sicherheitsgefühl vermittle. „Wir müssen diese Themen innenpolitisch breiter angehen“, appellierte die Fraktionssprecherin.