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"Hautfarbe und Religion spielen keine Rolle" - Podiumsdiskussion zu Antisemitismus und Rassismus im Fußball

veröffentlicht am 13.06.2015

Disk1 Andreas Schales moderierte die Diskussion, daneben von links Stadtarchivar Christoph Engelhard, Thomas Reichart, Albert van Waveren sowie Eberhard Schulz. Foto: Radeck

Memmingen (sfü). Im Rahmen der Präsentation des FIFA-WM-Pokals wurde im Memminger Rathaus mit der Ausstellung „Kicker, Kämpfer und Legenden“ an jüdische Fußballer, Trainer und Funktionäre erinnert. Dazu fand auch eine Podiumsdiskussion statt, in der das Schicksal jüdischer FCM-Mitglieder sowie gegenwärtiger Antisemitismus und Rassismus im Fußball thematisiert wurde.

Den Anstoß dazu lieferten sogenannte Fans des FC Memmingen, die beim Derby in Illertissen durch rechtsradikale Äußerungen dem Verein schadeten. „Wir zeigen keinerlei Toleranz bei solchen Aktionen und Gewaltausschreitungen.“, distanzierte der zweite Vorstand des FC Memmingen, Thomas Reichart sich und den Club davon. Es entstand die Idee, sich näher mit der Vereinsgeschichte insbesondere in der Nazizeit sowie mit Fremdenfeindlichkeit am Rande des Spielfeldes zu befassen. Stadtarchivar Dr. Christoph Engelhard recherchierte, um Einzelschicksale jüdischer Vereinsmitglieder ans Licht zu bringen: „Man kann es positiv werten, dass sowohl Protestanten als auch Katholiken und Juden in sämtlichen Memminger Vereinen Mitglied waren, die Integration funktionierte also gut.“ Allerdinges ließen die Nazi-Vorgaben ab 1933 jüdische Vereinsmitglieder nach und nach aus den Vereinen, selbst aus den Festschriften verschwinden.

Eberhard Schulz, Sprecher der Initiative „!Nie Wieder“, die 2004 von der KZ Gedenkstätte Dachau und der Dachauer Versöhnungskirche ins Leben gerufen wurde, betonte, dass Sport nie unpolitisch sein könne und ganz im Gegenteil, einen gesellschaftspolitischen Auftrag habe. Daher bemühe sich „!Nie Wieder“ seit 2004 nicht nur um Aufarbeitung der Schicksale jüdischer Fußballer, sondern setze sich auch mit alltäglichem Rassismus und Antisemitismus auseinander. „Was sich in der Kurve abspielt, ist immer auch ein Stück weit ein Spiegelbild der Gesellschaft“, führt Schulz weiter aus.

FC-Mannschaft 1911 (Laupheimer) web Auf dem Mannschaftsfoto der Jahre 1910 und 1911 ist ein Torwart namens Laupheimer zu sehen. "Leider konnte bislang noch nicht geklärt werden, ob es sich bei dieser Person um David, Salo oder Julius Laupheimer handelt", erklärt Christoph Engelhard. Die drei Brüder und Inhaber eines Textilgeschäftes in der Kramerstraße seien in der NS-Zeit 1942 von Memmingen aus ins Arbeitslager Piaski deportiert und ermordet worden. Foto: Stadtarchiv Memmingen

Auch der Deutsche Fußball Bund (DFB) ist sich seiner Verantwortung mittlerweile bewusst. Unter anderem prämiert er seit 2005 Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit im Fußball mit dem „Julius Hirsch Preis“. Die Auszeichnung geht auf Julius Hirsch zurück, der gemeinsam mit seinem Freund Gottfried Fuchs einer der herausragenden deutschen Kicker der 20er und 30er Jahre war. Zudem wurden Beide im ersten Weltkrieg mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Im Zuge der Rassenideologie wurde ihnen trotz aller Verdienste (wie vielen anderen jüdischen Sportlern) die Mitgliedschaft im Fußballverein – Hirsch trat freiwillig aus – und später die Ausübung ihres Sportes gänzlich verboten. Während Fuchs nach Kanada emigrieren konnte, wurde Hirsch 1943 nach Auschwitz deportiert, wo er wahrscheinlich noch im selben Jahr ermordet wurde.

Dass Fußball einen Weg zur mehr Toleranz und Integration bereiten kann, bekräftigte Albert van Waveren, Der Absolvent der Ludwig-Maximilians-Universität München befasste sich im Rahmen seines Studiums der Interkulturellen Kommunikation mit Interkulturalität im Amateurfußball und stieß dabei auf das Straßenfußball-Projekt „buntkicktgut“. „Die Kinder und Jugendlichen bekommen hier durch den Sport Werte wie Fairness, Verantwortungsbewusstsein und gegenseitigen Respekt vermittelt. Außerdem ist es ganz klar, dass nur der Spaß am Sport und die erbrachte Leistung zählen, Hautfarbe und Religion spielen keine Rolle“, so der 26 Jährige. „Wir würden uns gerne noch mehr in der Integration von Flüchtlingen engagieren“, pflichtete ihm Reichart bei. Nach Angaben von Memmingens zweiter Bürgermeisterin Margareta Böckh, beherbergt Memmingen derzeit knapp 400 Asylbewerber, darunter viele junge Menschen.

Weitere Informationen zu !Nie Wieder finden Sie hier: http://www.niewieder.info/

Weitere Information zu buntkicktgut finden Sie hier: http://buntkicktgut.de/