Auch angesichts der fortschreitenden Digitalisierung fallen die Prognosen von IHK und Agentur für Arbeit für die Zukunft des produzierenden Gewerbes und die Beschäftigung in Schwaben positiv aus. Symbolfoto: Geralt/ pixabay
Dr. Matthias Köppel, Leiter Geschäftsbereich Standortpolitik der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwaben. Foto: privat
Maria Amtmann, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Kempten-Memmingen. Foto: privat
Allgäu/Schwaben (as). Anlässlich des Digitalen Mittagstalks „Der regionale Arbeitsmarkt im Wandel“ von IHK Schwaben und den schwäbischen Agenturen für Arbeit am 17. Juni sprach "Die Lokale" mit Maria Amtmann, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Kempten-Memmingen, und Dr. Matthias Köppel, Leiter Geschäftsbereich Standortpolitik der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwaben, über gegenwärtige und künftige Herausforderungen des Wirtschaftsstandorts Schwaben.
Die Corona-Pandemie hat einen Beschäftigungsrückgang im Handel, Gastgewerbe, Produzierenden Gewerbe und einen Beschäftigungszuwachs im Bereich öffentliche Dienstleister, Gesundheitswesen und Verwaltung gebracht. Die (durch Corona beschleunigte) Digitalisierung hat sogar zu einer Beschäftigungszunahme geführt. So haben z. B. Dienstleistungen der Informationstechnologie um 58 Prozent zugelegt. Auch die Baukonjunktur läuft weiterhin sehr gut.
Das verarbeitende Gewerbe mit Maschinenbau und Fahrzeugbau bleibt aus unserer Sicht auch weiterhin für viele ArbeitnehmerInnen attraktiv. Aktuell rechnen wir hier nicht mit Einbrüchen. Im Gegenteil: die aktuelle Lage und auch die Aussichten für produzierende Unternehmen sind sehr gut. Aber es muss bedacht werden, dass ein Teil der Tätigkeiten Potenzial für die Automatisierung aufweist. Daher machen auch IT-Weiterbildungen für Beschäftigte in der Industrie enorm viel Sinn, zumal der Trend zu Digitalisierung auch in den Unternehmen selbst fortschreitet.
Dr. Köppel: Diese Sorge ist verbreitet, doch das Gegenteil ist der Fall: Noch nie gab es mehr digitale Prozesse und gleichzeitig mehr Menschen in Arbeit als heute. Und auch Strukturwandel wird es immer geben, da die wirtschaftliche Entwicklung nie stehen bleibt.
Maria Amtmann: Wir verspüren bereits jetzt ein stetiges Voranschreiten in diese neue Arbeitswelt. Nur selten schlägt sich das in komplett neuen Berufsbildern nieder, wie zum Beispiel Kaufmann/Kauffrau für E-Commerce. In der Regel erfolgt lediglich eine inhaltliche Modernisierung der Berufsbilder (z.B. KFZ-Mechatroniker/in; Kaufmann/-frau für Digitalisierungsmanagement, Mediengestalter/in Bild und Ton).
Alle Hochschulen in Bayerisch-Schwaben versuchen, mehr Studienplätze anzubieten. Das ist eine sehr gute Entwicklung, die die IHK Schwaben unterstützt. Idealerweise schaffen wir es noch mehr, die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung zu betonen. Einen Ausbildungsberuf zu erlernen und später eine Weiterbildung oder ein Studium anzuschließen, bringt nach unserer Erfahrung hervorragende Arbeitskräfte hervor, die von Arbeitgebern enorm geschätzt werden.
Wirtschaftskraft und Wohlstand einer Region setzen nicht zwingend eine sehr hohe „Akademikerquote“ voraus. Ein im dualen System ausgebildeter Arbeitnehmer kann somit durch stetige Weiterbildung für die veränderten Bedürfnisse des Marktes im Einzelfall besser gerüstet sein als ein Akademiker, der mit Erreichen des akademischen Grades nicht mehr in weitere Qualifizierungen investiert.
Wir wollen einen insgesamt höheren Bildungsgrad erreichen, die nötige Infrastruktur für Digitalisierung schaffen, den Wissensaustausch zwischen Wirtschaft und Wissenschaft forcieren, Bürokratie für Unternehmen abbauen, gerade auch für Start-ups, und die Energiepreise senken.
Das Exportvolumen in zwanzig Jahren ist von heute aus gesehen nicht zu prognostizieren. Die Industrie in Deutschland ist insgesamt gesehen hoch wettbewerbsfähig. Wir beobachten auch nicht, dass Lieferketten in der Industrie nun lokaler werden. Das heißt, wir werden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in 20 Jahren auf der ganzen Welt Abnehmer für unsere Produkte finden. Der Wandel zur E-Mobilität ist nicht neu, alle Automotive-Unternehmen stellen sich seit Jahren auf diese neuen Märkte ein. Klar ist aber auch: Einfach wird diese Transformation nicht.
Wir befinden uns bei der Arbeitslosigkeit im Allgäu noch nicht auf dem Niveau vor Corona, aber auf einem guten Weg. Im Juni 2021 waren bereits etwa 2.000 Menschen weniger arbeitslos als im Juni 2020. Etwa die Hälfte des Weges zum Vor-Corona-Niveau ist geschafft. Sehr viele der pandemiebedingt arbeitslos gewordenen Menschen werden mit zunehmenden Lockerungen in der Wirtschaft wiedereingestellt. Dies zeigt sich vor allem im Handel und im Gastgewerbe. Ein nicht unbeträchtlicher Teil hat sich inzwischen auch in andere Wirtschaftszweige, die Personalbedarf aufweisen, umorientiert.
„Informiere dich über Ausbildungsberufe, vor allem auch über die, die weniger bekannt sind. Das geht über Praktika und auch auf Jobmessen. Klicke hier rein, für einen guten Überblick: https://www.ihk-lehrstellenboerse.de/ und wähle am Schluss einen Ausbildungsberuf wählen, der dir wirklich gefällt.“
Es gibt noch viele freie Ausbildungsplätze. Die Berufsberater unterstützen sehr gerne jeden Jugendlichen auf dem Weg in die berufliche Zukunft - durch persönliche, telefonische oder Videoberatung. Jeder Jugendliche sollte außerdem ein Praktikum durchlaufen, um eine konkrete Vorstellung von den Anforderungen im jeweiligen Ausbildungsberuf zu haben. Das verhindert Enttäuschungen und im schlimmsten Fall auch Ausbildungsabbrüche.