
So sähe nach dem Siegerentwurf der Ten Brinke Group die Maximilianstraße dort aus, wo sie in die Bahnhofstraße einmündet. Unser Vorschaubild zeigt die Kalchstraße mit Blick in Richtung der Baudenkmäler. Repros: Stadt Memmingen
Memmingen (as). Das Bahnhofsareal hat in der jüngsten Stadtratssitzung erstmalig ein Gesicht bekommen: Mit fünf Gegenstimmen entschieden sich die Räte für den Entwurf der niederländischen Ten Brinke Group. Im Gegensatz zu dem zweiten noch im Rennen befindlichen Angebot der baden-württembergischen Activ Group füge sich dieses Konzept harmonisch in die Umgebung ein, erklärte Baureferatsleiter Fabian Damm. Stadtrat und Verwaltung waren sich jedoch darin einig, dass der Entwurf noch überarbeitet werden muss, um den Anforderungen zu entsprechen.
Abzüglich
einer Fläche von knapp 700 Quadratmetern, die in privater Hand bleibt, ist das seit 2012 in Planung befindliche Areal
Eigentum der Memminger Wohnungsbau eG und der Stadt Memmingen. Bei einer
Bürgerinformation in der Stadthalle im Juli 2014 wurde ein Investorenwettbewerb
vorbereitet, der Ende 2014 ausgelobt wurde. Von den acht eingereichten Angeboten schieden im
Laufe des folgenden Jahres fünf Planungskonzepte aus. Nach der Absage eines weiteren Bieters
im Mai 2017 verblieben nur noch zwei Interessenten: die Activ Group und Ten
Brinke mit Niederlassung in Regensburg.
Nutzungsmix aus Wohnen, Handel und Gastronomie
Fabian Damm erläuterte die
Kriterien, nach denen die verbliebenen beiden Angebote für die neue Bebauung
des Areals bewertet wurden, und die Gewichtung der Bewertung. Mit
jeweils 35 Prozent standen hier Architektur und Wirtschaftlichkeit (also der Preis) im Vordergrund, mit
jeweils 15 Prozent wurde bewertet, ob ein attraktiver Nutzungsmix aus Wohnen, Handel, Gastronomie
und öffentlichen Räumen gewährleistet ist und mit weiteren 15 Prozent die
Verkehrsanbindung und Grundstückserschließung des jeweiligen Entwurfs.
"Harmonische Gesamtbild"
Im Gesamtergebnis erhielt der Bieter Ten Brinke 4,15 von fünf möglichen Punkten, der Konkurrent Active GmbH nur 2,82 Punkte. Fabian Damm lobte unter anderem das harmonische Gesamtbild des Ten Brinke Entwurfs: “Das städtebauliche Gesamtkonzept ergänzt stimmig Struktur und Gefüge des Denkmalensembles“. Positiv bewertet wurde die Gestaltung des Stadteingang an der Kalchstraße, die flexiblen Grundrisse der Gewerbeeinheiten und das öffentliche Wegenetz mit Anbindung zur Altstadt. Der Entwurf gehe konform mit dem Altstadt-Entwicklungskonzept, so der Baureferatsleiter.Abstriche in punkto Wohnen
Abstriche gab es vor allem in punkto Wohnen: Vorgesehen sind beim Siegerkonzept lediglich neun Wohneinheiten. Ein Minus gab es auch, was den Denkmalschutz betrifft, denn zwei das quartierprägenden Gebäude müssten dem Konzept weichen.
Der architektonisch wesentlich mondänere Vorschlag der Activ GmbH ("rattenscharf“, so CRB-Stadtrat Wolfgang Courage) wurde
als überdimensioniert für die Innenstadt empfunden. "Das massige
Erscheinungsbild lässt Sensibilität und Rücksicht gegenüber dem
baulichen Bestand vermissen", kritisierte Damm. Bestehende Gebäude würden von
Neubauten "in die Zange genommen" und die "bedrohliche Baumasse" des Entwurfs hinter der
Kalchstraße störe das harmonische Gesamtbild. Außerdem kritisierte er die
mangelnde Einbindung des Baudenkmals "Goldenes Rad", die unklare Wegeführung und das Fehlen
attraktiver öffentlicher Bereiche.
Der große Pluspunkt des Activ-Entwurfs: Hier
sind 66 Wohneinheiten eingeplant und die "Stärkung der Wohnfunktion in der
Innenstadt" war eines der im Vorfeld formulierten Auswertungskriterien. Allerdings lägen die im neuen Areal entstehenden Wohnungen ohnehin im oberen Preissegment, wie SPD-Stadtrat Ressler zum Thema Wohnungsnot ergänzte. Helmut Börner, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, wies darauf hin, dass in der alten Gärtnerei, dem Parkplatzgelände nördlich der Augsburger Straße und östlich der Bahngleise, eine große neue Wohnanlage entstünde .

Die Flächenplanung der beiden Modelle im direkten Vergleich zeigt, dass ein Schwerpunt des Brinke-Konzepts im Dienstleitungs- und Bürobereich liegt. Auch die Gastronomie steht mehr Fläche zur Verfügung. Große Abstriche gibt es beim Wohnen. Die Nutzflächern für den Hyndel sind bei Activ etwas größer, aber unflexibler. In beiden Entwüfen ist eine zweigeschossige Tiefgarage mit 328 bzw. 327 Stellplätzen geplant.
Der mangelnde Wohnraum, der kontraproduktiv für eine Belebung des Quartiers sei, bewog die Stadträte der ÖDP, gegen das Konzept zu stimmen das aber grundsätzlich von allen Fraktionen als geeignete Grundlage für die Gestaltung des Eingangs zur Altstadt bewertet wurde. In den Verbesserungswünschen der Stadtverwaltung ist dieser Punkt noch nicht enthalten.
Was die Belebung der Innenstadt durch Wohnbebauung betrifft, gingen die Meinungen weit auseinander. Von ehemals 12.000 wohnten nur noch 4.000 Menschen im Zentrum der Stadt, argumentiert ÖDP-Stadtrat Michael Hartge, der Neubau von neun Wohnungen sei einfach zu wenig, um "abends wieder Leben in die Stadt zu bringen".
Diesem Standtpunkt schließen sich auch Klaus Holetschek und Stefan Gutermann (beide CSU) an. Auch Gutermann versteht die Neugestaltung des Quartiers als Chance, Leben in die Stadt zu bringen.
"Die Innenstadt braucht Magnete, keine neuen Wohnungen", meint hingegen Verena Gotzes (SPD). Der Schwerpunkt solle gerade in Hinblick auf Ikea im innerstädtischen Handel liegen. Auch Stadtrat Herbet Müller ist der Ansicht, dass eine Belebung der Innenstadt nicht von der Anzahl der Wohnungen abhinge.
Keine externe Beratung
Heiß diskutiert wurde die von Stefan Gutermann angeregte Einbeziehung
externer unabhängiger Städtebau-Experten in den weiteren Planungsprozess, der
bis zur Sommerpause abgeschlossen sein soll. Es handele sich immerhin um ein wichtiges städtbauliches Projekt, wie Gutermann betonte. Auch Prof. Josef Schwarz plädierte für den "Blick von außen". Der Vorschlag wurde jedoch letztendlich mit 21 zu
18 Stimmen abgelehnt.
Oberbürgermeister Manfred Schilder bat daraufhin die Stadträte Börner und Schwarz, ihren Sachverstand als Architekten in die weiteren Gespräche einzubringen.