Im Haus der Pflege St. Dominikus arbeitet Cem seit einigen Monaten. Jede Hand wird dort gebraucht, doch die Behörden wollen seine Ausreise. Foto: Svenja Gropper
Memmingen/Bad Grönenbach (sg). In Deutschland herrscht Pflegenotstand. Pflegeplätze sind rar, nicht zuletzt, weil ausgebildetes und engagiertes Personal fehlt. Die Regierung unternimmt einiges, um Menschen aus allen Ecken der Welt zu holen – vergisst dabei aber die neuen BürgerInnen, die bereits im Arbeitsleben stehen, integriert und fleißig sind und stellt diese vor manchmal unüberwindbare bürokratische Hürden.
Damit ist auch das Team im Haus der Pflege St. Dominikus in Bad Grönenbach konfrontiert. In diesem Fall droht dem türkischen Asylanten Cem (Name von der Red. geändert) die Abschiebung. Sina Fleischer vom Helferkreis Asyl Woringen hat Cem bei den Behördengängen begleitet. Zuletzt zu dem Termin, an dem ihm die freiwillige Ausreise nahegelegt wurde. Für sie ist es absolut unverständlich, warum er gehen muss, um mit Arbeitsvisum wiederkommen zu dürfen. Als Kollegin im Haus der Pflege St. Dominikus weiß sie nur zu gut um den Mangel an Arbeits- und Hilfskräften im Pflegebereich insgesamt. Hier vor Ort sei alles vorbereitet: Cem arbeite seit etwa neun Monaten im Haus der Pflege, habe einen Ausbildungsvertrag und eine eigene Wohnung. Er sei „wunderbar integriert“, sagt Fleischer. Sein Chef im Haus der Pflege St. Dominikus, Maximilian Müller, und andere Kollegen beschreiben Cem als sehr engagiert, empathisch, offen, zuverlässig und lernbereit. „Genau solche Leute brauchen wir in der Pflege“, betont Müller. Einer weniger in der Pflege sei einer zu viel. Wie er die Lücke füllen soll, wenn Cem von heute auf morgen geht und die Ausbildung nicht wie geplant zum 1. August 2023 beginnt, weiß Müller derzeit nicht. Da helfen kurzfristig auch die erhofften Pflegekräfte aus Brasilien nicht, die unsere Politiker derzeit gewinnen wollen. Ulrich Dobler, Pressesprecher der Stiftung Liebenau, die hinter dem Haus der Pflege St. Dominikus steht, dazu: „Wir bedauern die Entscheidung der zuständigen Behörden, den Antrag auf Ausbildungsduldung abzulehnen, außerordentlich. Wir benötigen viele Hände, um die Pflegeversorgung zu sichern.“
Arbeitsvisum statt Asyl – Ehrlichkeit wird nicht belohnt
Cem sei mit dem Asylantrag über den falschen Weg nach Deutschland gekommen, argumentiert die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) in Augsburg. Daher müsse er gehen, um in der Türkei ein Arbeitsvisum zu beantragen. Wenn alle Voraussetzungen erfüllt seien, könne er wiederkommen. Er sei darüber von der ZAB „ausführlich beraten worden“, so Karl-Heinz Meyer von der Pressestelle der Regierung von Schwaben. Reise er nicht freiwillig aus, könne er auch abgeschoben werden. Cem ahnt, was eine Rückkehr in die Türkei für ihn als Kurden, Alevit und Regimekritiker bedeutet, der auch noch Militärdienst abzuleisten hat. Das kann er allerdings nur erzählen, den Behörden jedoch nicht beweisen. Dabei wollte er ehrlich sein, alles richtig machen und sich an Gesetze halten, erzählt der 24-jährige. Er habe seinen Reisepass und seinen Ausweis beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorgezeigt (und nicht, wie andere, weggeworfen) – „geklärte Identität“ nennen das die Behörden, eine Voraussetzung für eine Ausreise oder Abschiebung. Cem hat die B1-Sprachprüfung gemacht und sich Arbeit gesucht. Es bestehe ein Rechtsanspruch auf Ausbildungsduldung, hält Bettina Feix, Fachanwältin für Migrationsrecht der ZAB entgegen.
Kein Einzelfall
Sie erlebe immer wieder ähnliche Fälle, auch bei anderen Ausländerbehörden, erzählt Feix. Insgesamt werde nur selten versucht eine Möglichkeit zur Integration zu finden, sondern eher Gründe gesucht, etwas abzulehnen.