
In der ersten Reihe des „Europapolitischen Symposiums“ im Kaisersaal der Benediktinerabtei Ottobeuren, das von Hausherr Abt Johannes Schaber OSB eröffnet wurde: Kanzlerin Angela Merkel neben dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, umrahmt von Bundesminster a.D. und CSU-Ehrenvorsitzenden Theo Waigel und Markus Ferber, dem Landesvorsitzenden der Europa-Union Bayern. Fotos und Galerie: Radeck
Ottobeuren (as). Nun gab es ihn doch noch: Den gemeinsamer Auftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Markus Söder. Auch wenn die Kanzlerin nicht auf Einladung des bayerischen Ministerpräsidenten, sondern ihres Unterstützers, des CSU-Ehrenvorsitzenden Theo Waigel, nach Bayern kam. Genauer gesagt zum „Europapolitischen Symposium“ im geschichtsträchtigen Kaisersaal der Benediktinerabtei Ottobeuren. Ihre europapolitische Grundsatzrede wurde von den 250 geladenen Gästen mit großem Applaus aufgenommen.
„Ausdrücklich“ begrüßte Markus Söder die Kanzlerin in Bayern, zwei Wochen vor der Landtagswahl gab sich der Ministerpräsident ungewohnt zurückhaltend
und konsenzbetont. Zuvor hatte Theo Waigel in seiner Eröffnungsrede auf den
Kreuther Trennungsbeschluss von 1976 in der Ära Kohl und Strauß angespielt- „im
Gegensatz dazu gehen die Schwesterparteien heute geradezu liebevoll miteinander
um“, betonte er schmunzelnd.
Grundsätzlich könne es an Europa keinen Zweifel geben, so der Tenor von Söders Ansprache. „Deutschland alleine kann es nicht, es geht nur miteinander“, sagte der Ministerpräsident, der noch im Sommer das Ende multilateraler Beziehungen verkündet und einen Alleingang Deutschlands in der Flüchtlingspolitik gefordert hatte.
„Aggressives Nörgeln und Schimpfen hilft nicht“, erklärte Söder in
Bezug auf das zwischen den Schwesterparteien
heftig umstrittene Thema Migration. Im Zuge eines lösungsorientierten Lenkens und
Leitens der Zuwanderung bezeichnete er die Neudefinition des Grenzschutzes als einen Erfolg. - „Bayern
macht gern mit in der EU, auch finanziell, erklärte der Ministerpräsident, „wir
wollen das Feld nicht bösartigen Populisten überlassen.“
Söder sieht Verschärfung der internationalen Krisen
Deutschland gehe es gut (nicht zuletzt „dank Bayern“). Dennoch sei die Stimmung unsicher und aggressiv wie noch nie. „Wir führen kleinliche Kriege um Schlaglöcher und Funkmasten, denn die Menschen erkennen die Veränderungen nicht, die uns bald treffen werden“, warnte Söder. Aus den USA als ehemalige Verbündete seien wirtschaftliche Gegner geworden, der Brexit könne im Rosenkrieg enden - der Geist der Veränderung sei überall spürbar.
Die EU fordert Geduld und Kompromissbereitschaft, so Söder. Es sie an der Zeit, zumindest vorübergehend die Geschwindigkeit des Zuges in die EU zu drosseln, „damit alle einsteigen können“.Europa sei ein Garant für Frieden, Sicherheit und Wohlstand. „Menschen, die die gleiche Währung haben, führen nicht Krieg gegeneinander“. Der Euro sei weit mehr als eine Währung, nämlich eine Versicherung für den Frieden.
Doch gemeinsame Errungenschaften stünden auf dem Spiel, wenn die Ordnung, die aus den Schreckenserfahrungen des Zweiten Weltkriegs erwachsen ist, infrage gestellt wird, warnte die Kanzlerin, die trotz der jüngsten Querelen in Berlin locker und entspannt wirkte. Ebenso wie Europa seien die Vereinten Nationen aus den Trümmern des Krieges erwachsen, mahnte Merkel einen behutsamen Umgang mit diesen wichtigen Institutionen an.
Scharfe Kritik an Donald Trump
Scharf kritisiert sie Donald Trumps Angriff auf die Vereinten Nationen. „Wir wünschen uns seit Jahren eine Reform des Sicherheitsrats“, räumte sie ein, "doch etwas zu zerstören, ohne etwas Neues entwickelt zu haben, halte ich für brandgefährlich“, sagte sie - auch mit Blick aus Trumps Ablehnung multilateraler Beschlüsse und Kompromisse nach dem Motto „Es kann nur einer gewinnen“.
Doch diese Haltung ist Ausdruck eines Trends, der euch in
Europa vorherrscht: „Das was man hat, ist selbstverständlich, was geschaffen
wurde normal“, so Merkel. Ähnlich wie beim Augsburger Frieden 1618 (auf den bekanntlich
der 30-jährige Krieg folgte), sei man sorglos geworden - und kompromissloser.
In einer veränderten Informationswelt, in der zudem die
Zeitzeugen des Weltkriegs älter werden und sterben, mahnte sie an, trotz aller Kritik ganz besonders sorgsam mit Errungenschaften wie der Europäischen Union zu sein. „Wir sollten uns nicht so sehr an Details
aufhängen, Europa ist eine Erfolgsgeschichte!“. Gerade die kulturelle Vielfalt sei Europas Stärke – und: „Ein
Kompromiss ist nichts Schlechtes, gemeinsames Handeln ist immer ein Kompromiss“,
sagt die Kanzlerin in Hinblick auf die zunehmende Uneinigkeit des Staatenverbunds.
"Wir sind nicht immer nur die, die geben"
"Wir sind nicht immer nur die, die geben - im Moment hilft Europa uns", widersprach Merkel einer weit verbreiteten Kritik. Auch starke Nationen wie Deutschland sei es nur im europäischen Geleitschutz möglich, im globalen Wettbewerb mit den USA und China zu bestehen.
Allerdings müsse die europäische Union sich auch strukturell
verändern, um für gemeinsame Werte und Interessen eintreten zu können. So bräuchten die EU Staaten über
die Währungs- und Wirtschaftsunion hinaus eine gemeinsame Außen- und
Sicherheitspolitik - und einen europäischen Sicherheitsrat mit rotierenden Mitgliedern, um schnell handlungsfähig zu sein.
Um als „Player auf dem Weltmarkt“ bestehen zu können, wettbewerbsfähig zu sein und zukünftigen Wohlstand zu sichern, müsse Europa zudem in punkto Wissenschaft, Innovation und Technologie - insbesondere auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz - stärker zusammenarbeiten.
„Marshallplan für Afrika“
Besonders ein Defizit der Europäischen Union
beschäftigt sie stark: „Es macht mir Kopfschmerzen, dass wir kein gemeinsames
Denken in der Migrationspolitik haben“, bekennt Merkel. Im Interesse der EU sei es in diesem Zusammenhang auch, den afrikanischen Ländern
eine Entwicklungsperspektive zu geben, sagte sie mit Blick auf den „Marshallplan
für Afrika“ mit dem Entwicklungsminister Gerd Mueller Jobs und Perspektiven für Jugendliche in
afrikanischen Ländern schaffen will.
"Auf unsere Wurzeln besinnnen"
„Wenn wir uns auf unsere Wurzeln besinnnen, wird Europa nicht scheitern", hatte der Landesvorsitzende der Europa-Union Bayern, MdEP Markus Ferber, in seinem Grußwort erklärt. Dabei bezog er sich auf die Worte des 1. Bundespräsidenten Theodor Heuss, das Abendland sei auf drei Hügeln errichtet: Golgatha (Frieden), die Akropolis in Athen (Demokratie), das Capitol in Rom (Rechtsstaatlichkeit). "Doch wir denken zu viel über das Trennende nach", kritisierte auch er. Und: „Nationalismus bedeutet am Ende immer Krieg“, zitierte Ferber aus der Vermächtnisrede Francois Mitterrands.
Das Schlusswort hatte der Vorsitzende der EVP-Fraktion MdEP
Manfred Weber, der die Nachfolge Jean-Claude Junckers als Präsident der Europäischen Kommision anstrebt. Er dankte Theo Waigel für das gemeinsame Symposium: „Heute ist klar
geworden, was alles wichtig ist und zusammen gehört für eine gute Zukunft", so Weber.
Musikalisch umrahmt wude das Symposium von Susanne Jutz-Miltschitzky am Klavier und Elisabeth Sedlmayr auf der Blockflöte.
"Keine Stimme für Rassismus": Die Demonstrationen auf dem Ottobeurer Marktplatz vor der Abtei verliefen ruhig und eher unauffällig. Etwa 150 AfD-Anhänger hatten sich dort versammmelt, um gegen die Kanzlerin und ihre Flüchtlingspolitik zu protestieren. Sie standen einer weitaus größeren Zahl von Menschen gegenüber, die gegen die AfD demonstierten.
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