Diese ausdrucksstarken Protagonisten des böhmischen Marionettentheaters wurden um 1900 herum geschnitzt. Sie empfangen die Besucher der Ausstellung im Stadtmuseum. Fotos: Sonnleitner
Memmingen (as). Sie sind stumm, aus Holz, Pappe, Textil oder Gips, und doch voller Leben: Marionetten. Im Memminger Stadtmuseum sind derzeit über 200 historische Marionetten aus Böhmen in einer faszinierenden Sonderschau zu sehen. Die bis zu 80 cm großen Puppen nebst Originalbühnen und Requisiten aus der Sammlung von Anita und Hartmut Naefe sind zwischen 1850 und 1950 entstanden.
Dank seiner Vielfältigkeit zeigt auch die dritte Ausstellung aus der Sammlung des Ehepaars Naefe wieder neue und faszinierende Aspekte böhmischer Marionettenkunst. Im Fokus der Ausstellung stehen diesmal größere Puppen, geschnitzte oder gedrechselte Holzfiguren mit ausdrucksvollen Gesichtern, teilweise mit Gips überzogen da dies eine feinere Modellierung erlaubt.
Neben klassischen Protagonisten wie Königin
und König, Großvater und Großmutter sind auch mystische und skurrile Figuren
wie Teufel, Tod und Zauberer in der Schau zu bewundern. Kleine Theater, Tischbühnen mit
Originalkulissen, zeigen höfische Szenen oder bäuerliches Ambiente.
Von edlem
Brokat bis zur Leinenschürze
Liebevoll geschneiderte Gewänder kennzeichnen die unterschiedliche soziale Herkunft der im Stadtmuseum versammelten Edelleute, Ritter, Bauern, Künstler und Musiker. Dieser Aspekt war nicht nur für die dramatischen Stoffe aus Oper und Literatur von Bedeutung, denn die Puppenspieler hatten auch Sozialkritik im Gepäck: Auf Jahrmärkten und Volksfesten konnten sie ihren beweglichen Gliederpuppen ungestraft spöttische Bemerkungen über die herrschende Klasse in den Mund legen.
Andere Vitrinen zeigen fliegende Drachen, Märchenfiguren und den Wassergeist, eine zentrale Figur des tschechischen Märchens, denn seit Ende des 19. Jahrhunderts richtete sich das Puppentheater, nicht zuletzt auf den Jahrmärkten, zunehmend auch an junge Zuschauer.Info: Wandernde Puppenspieler gab es in Böhmen, Hochburg der Marionettenkunst, bereits im ausgehenden Mittelalter. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts traten sie zunehmend in anderen europäischen Ländern wie Deutschland Italien und England auf.
Die Ausstellung im Stadtmuseum im Hermansbau, Zangmeisterstraße 8 (Eingang Hermansgasse) ist bis 30. Oktober dienstags bis samstags von 10 bis 12 Uhr und von 14 bis 16 Uhr, an Sonn- und Feiertagen von 10 bis 16 Uhr zu sehen.