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Für was es sich zu leben lohnt ...

Beeindruckende Premiere von "All das Schöne" im Studio

veröffentlicht am 29.11.2017
All das Schöne

Erste Begegnung mit dem Tod: Die in dieser Szene noch kindliche Protagonistin von "All das Schöne" (Anke Fonferek) erzählt gemeinsam mit der "Tierärztin" aus dem Publikum von Einschläfern ihres Hundes. Fotos: Sonnleitner

Memmingen (as). In Kooperation mit den Bezirkskliniken Schwaben zeigt das Landestheater den verblüffend komischen Monolog „All das Schöne“ mit Anke Fonferek, inszeniert von Intendantin Dr. Kathrin Mädler. Der Zuschauer ist mittendrin im Geschehen auf der Studiobühne und erfährt so ganz nebenbei wesentliche Fakten zu der schwerwiegenden und nach wie vor unterschätzten Krankheit Depression, von der in Deutschland fünf Prozent aller 18- bis 65-Jährigen betroffen sind. (Eine Studie der WHO prognostiziert, dass Suizid infolge von Depressionen  2020 die zweithäufigste Todesursache sein wird.)

8. November 1977. "Das mit der Liste fing nach ihrem ersten Versuch an. Mein Vater holte mich von der Schule ab, normalerweise holt mich meine Mutter ab …“ - So führt die Protagonistin des Schauspiels „All das Schöne“ von Duncan Macmillan und Johnny Donahoe die Zuschauer im Studio an das große Trauma ihres jungen Lebens heran: den ersten Selbstmordversuch ihrer Mutter. Das ist an sich schon ein Anachronismus, denn damals waren die Autoren des Stücks noch gar nicht geboren: Regisseurin Dr. Kathrin Mädler passt den Monolog weit möglichst an die Biografie der (großartigen) Darstellerin Anke Fonferek an, was das Geschehen noch authentischer erscheinen lässt.

„Weil sie nichts findet, für was es sich zu leben lohnt“, ist die erschreckende Antwort des Vaters auf die Frage der damals Siebenjährigen, warum die Mutter im Krankenhaus ist. Für die Ich-Erzählerin jedoch gibt es eine Menge großartiger Gründe zu leben, kleine Dinge wie Eiscreme, Wasserschlachten, länger auf bleiben dürfen oder „ins Meer pinkeln und keiner merkt es“.

Kleine Sinn-Botschaften

Als die Mutter aus dem Krankenhaus kommt, kleben überall nummerierte Post-Its mit kleinen Sinn-Botschaften ihrer Tochter. Eine Liste entsteht als Begleiter eines lebenslangen Kampfes der heranwachsenden Erzählerin - zunächst gegen die Lebensmüdigkeit ihrer depressiven Mutter und später gegen ihre eigene.

20 Jahre später - die Erzählerin hat sich verliebt, geheiratet, lebt nun getrennt -  ist die Liste auf eine Million Einträge angewachsen. Jetzt sind es andere unscheinbare Momente, die das Leben lebenswert machen wie „alte Menschen die Händchen halten“ oder „so doll lachen, dass einem die mich aus der Nase schießt“.

Im weißen Bühnenraum sitzen die Zuschauer auf Holzkisten, die wie zufällig in den Raum hineingewürfelt wirken. Anke Fonferek moderiert den Abend und inszeniert im Stück ihre eigene Erzählung. Die Liste als Kernbotschaft des Schauspiels schreibt sie an schwarze Wandtafeln – eine Schulsituation, die das Leben lernen als Reife-Prozess beschreibt.

Leichtfüßig, intensiv und lebensnah

Es gibt natürlich traurige Momente in dem Auf und Ab dieses Lebensweges, doch kommt das Thema Depression weder im Stück noch in der Inszenierung bleiern schwer daher, ganz im Gegenteil: Leichtfüßig wirkt das große schwarze Gespenst der Krankheit, fast beiläufig wird es verhandelt und erscheint dadurch umso intensiver und lebensnäher.

Lachen und Weinen liegen hier hier nah beieinander, doch Anke von Fonfereks charmant-resolute Art trägt entscheidend dazu bei, dass die Erzählung an keiner Stelle in Selbstmitleid oder Larmoyanz versinkt.

Zuschauer nehmen (An-)teil

Ein wichtiges Element des auch äußerlich bewegten und mit Musik unterlegten Stücks ist die Interaktion mit dem Publikum, das alle Höhen und Tiefen der Erzählerin mit durchlebt. Die Theaterbesucher, die teilweise mitten im Raum sitzen, nehmen durch ihr Mitspielen Anteil am Geschehen. Ganz spontan müssen Sie als Vater, Schulpsychologin, Literatur-Professor herhalten, auch ihren geliebten Uli rekrutiert Anke Fonferek genüsslich aus den Zuschauerreihen bzw. -hockern. Doch das Mitmachtheater verliert seinen Schrecken – man ist ja eh schon mittendrin und unter sich.

So wird das Publikum schließlich zur Therapiegruppe der angeschlagenen erwachsenen Erzählerin. Doch keine Sorge: Ganz zart am Horizont zeichnet sich ein glückliches bzw. geglücktes Ende ab. Auch für Anke Fonferek, die für ihre grandiose Darstellung begeisterten Applaus bekommt.

Info zu den Autoren: Der britische Autor und Regisseur Duncan Macmillan (geb. 1980) erhielt für seine Stücke zahlreiche Preise. Er ist Hausautor des Paines Plough Theatre in London und des Royal Exchange Theatre in Manchester. Neben dem Theater schreibt er für Radio, Film und Fernsehen. Johnny Donahoe (geb. 1983) ist ein britischer Comedian, Autor und Performer.

Das Stück ist noch zu sehen am 29. November, 20 Uhr, am 2., 5. und 6. Dezember, jeweils 20 Uhr, und am 3. Dezember um 19 Uhr.

Karten gibt es unter Telefon 08331/ 9459-16 oder www.landestheater-schwaben.de