Clov (Tom Christopher Büning) und Hamm (Michael Naroditski) sind im "Endspiel" innerlich und äußerlich gefangen. Foto: LTS © Forster
Memmingen (sg/dl). „Endspiel“, ein Meisterstück des Absurden Theaters von Samuel Becket, kann als die wohl depressiv-komischste Bestandsaufnahme der modernen Existenz auf dem Theater bezeichnet werden, die nun als Zwei-Personen-Stück bravourös gespielt auf der Studiobühne des LTS zu sehen ist.
„Ende, es ist zu Ende, es geht zu Ende, es geht vielleicht zu Ende.“ - mit diesen Worten eröffnet das Stück. Angesichts einer nicht näher bezeichneten Apokalypse harren die beiden Protagonisten Hamm und Clov in einem bunkerähnlichen Refugium aus, aneinandergekettet durch ein verinnerlichtes Herr-Knecht-Verhältnis und andere Abhängigkeiten. Hamm ist blind an einen Rollstuhl gefesselt und auf die Hilfe Clovs angewiesen, dieser sieht Hamm als seinen Ernährer. Eine Außenwelt ist praktisch nicht mehr vorhanden. Von diesem Nullpunkt der Zukunftsperspektiven und Handlungsmöglichkeiten aus entfaltet Beckett sein Spiel um alles und nichts, als letztes Refugium des Menschlichen.
Ewiger Kreislauf
Die Besetzung ist auf zwei reduziert, auf die immer gleichen Rituale und Gewohnheiten. Mit groteskem Humor und Sarkasmus wird das menschliche Miteinander als ein ewiger Kreislauf vorgeführt, in dem die Beteiligten durch Liebe und Hass miteinander untrennbar verbunden sind und über dem Abgrund der Sinnlosigkeit lavieren. „Es geht voran“, wiederholt Hamm immer wieder, woraufhin Clov stets antwortet: „Ich verlasse dich.“ – und stets bleibt.
Die auffälligen Wiederholungen in Dialogen, Bewegungsabläufen, Lichtflackern zum vermeintlichen Szenenwechsel und ein unaufhörliches Geräusch von tropfendem Wasser ziehen auch den Zuschauer in eine ermüdende Absurdität und Schwere hinein; die Dialoge geben scheinbar mehr Fragen als Antworten mit. Gewissermaßen zeigen die beiden Figuren auch Anteile in uns auf, die lieber verdrängt werden. Schließlich könnte die Ausweglosigkeit auch nur eine Illusion sein, was ist die Realität, ist sie drinnen oder außerhalb der Bunkerwand.
Realitätsverlust
Becketts Welttheater-Schauspiel wurde 1956 geschrieben – in einer besonders heißen Phase des Kalten Krieges. Und von dort aus sollten Zuschauer es heute auch betrachten, um einen besseren Zugang zu finden. Becket hat zu seiner Zeit humoristisch-existentiell die Menschen in ihren Atombunkern mit totalem Realitätsverlust zu clownesken Bewohnern Absurdistans verkleidet, denen angesichts eines Weltuntergangs nicht anderes einfällt, als sich das Leben zur Hölle machen. Doch aufhören zu sprechen, das geht nicht, nie, wie Hamm am Ende noch sagt. Die beiden bleiben innerlich und äußerlich gefangen.
Die gut besuchte Premiere wurde nach 90 Minuten mit beinahe erlösendem, anhaltendem Applaus belohnt.