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"Er ist wieder da" - dürfen wir Deutsche über Hitler lachen?

veröffentlicht am 02.02.2015

Er ist wieder da - Juian Rickert "Er ist wieder da" - und zieht alle Register der Propaganda - Der vermeintliche Führer-Darsteller ist zum Medienstar avanciert. Pressefotos: Karl Forster/ Landestheater Schwaben.

Memmingen (as). "Er ist wieder da" - und redet wirres Zeug von der „Macht der Hochkultur“, diffamiert alles Fremdländische wie in alten Zeiten. Seine Kritik mündet in der Feststellung, der Deutsche der Gegenwart trenne seinen Abfall gründlicher als die Rassen:  Das Theaterstück um den in der Moderne erwachten Adolf Hitler nach dem Bestseller von Timur Vermes wurde jetzt im Studio des Stadttheaters uraufgeführt - mit heftigem Beifall für das großartige Solospiel von Julian Ricker.

Humor befreit, Humor schafft Distanz. Doch dürfen wir Deutschen das, uns distanzieren vom tragischsten, schuldbeladensten Teil unserer Geschichte? Schieben wir mit dem Lachen auch die Verantwortung beiseite? Und verhöhnt denn, wer über Hitler lacht, damit  automatisch seine Opfer?

In seiner Satire beamt Timur Vermes den "Führer" ins Berlin des Jahres 2011, direkt ins Herz des modernen Einwanderungslandes Deutschland. Anhand der Zeitungen an einem Kiosk, dessen Besitzer ihn zunächst aufnimmt, realisiert Hitler den Zeitsprung.  Nach einigen Orientierungsschwierigkeiten sieht er seine neue alte Mission darin, Deutschland zu "retten", das „große Konzept" seiner Weltanschauung gegen die Beliebigkeit der Gegenwart ins Feld zu führen.

BU Die Uniform passt noch: Adolf Hitler (Julain Rickert) startet durch.

Adolf Hitler als moderner Medienstar

Schnell avanciert Adolf Hitler zum Medienstar, denn man hält den Mann in Reichsuniform für einen begnadeten Komödianten („Haben Sie ein Programm?“ - „Ja selbstverständlich schon seit 1920.“) Hitler, nach wie vor narzisstisch und verstrickt in seine wahnhafte Weltanschauung, realisiert nicht, dass seine Förderer von der Produktionsfirma "Flashlight" ihn als genialen Fake auffassen. Aus dem Aneinander-Vorbei-Reden als Folge dieses Dauermissverständnis resultiert die Komik des Stückes.

Für komische Momente sorgt auch die umgekehrte Blickrichtung: Hitler als Ich-Erzähler beschreibt seine Eindrücke der heutigen Wirklichkeit mit veralteten Begriffen. Seine Zeitkritik an Phänomenen wie der Bild-Zeitung ("Elf Millionen kaufen sie und keiner liest sie") und am TV-Niveau, aber auch am modernen Stadtbild mit seinen "Einheitsgeschäften" und Blitzreinigungen sowie den Großraumbüros, die er zunächst für Lagerhallen hält, lässt ihn sympathisch erscheinen und trägt daher durchaus zur Verharmlosung der Figur bei.

Ständig auf Sendung, doch "sind wir Kultur?"

Hitler gibt, neben Churchill, dem „Lügensud“ der Presse die Schuld daran, „dass es zum Schluss nicht mehr so gut lief“. Doch der Zweck heiligt die Mittel: Nur zu gern instrumentalisiert er die Oberflächlichkeit der Unterhaltungskultur und den Hype um alles, was "hipp" und "krass" erscheint für die in seinen Augen alles entscheidende Propaganda. Er ist ständig „auf Sendung“ – mit Erfolg: Auch die Jugend liebt ihn, er wird zum Youtube-Star, bekommt eine eigene Fernsehshow und erhält sogar den Grimme-Preis. Das Stück endet mit der Frage: „Sind wir Kultur?“, der sich allerdings auch die Vorlage von Timur Vermes teilweise stellen muss.

Regisseur Patrick Schimanski arbeitet die Medienkritik der Buchvorlage heraus. In seiner Inszenierung setzt er auf Multimedia: Videos und Bilder, die u.a. Ausschnitte aus Propaganda-Filmen und internationale Grusel-Werbespots mit Hitler zeigen,  überfluten den Zuschauer mit Eindrücken und Reizen - wie im wahren Leben. Die Erzählpassagen werden wie Hörspielelemente über Lautsprecher eingeblendet.

Um zu zeigen, dass wir nichts dazu gelernt haben und das heutige Deutschland Hitler nicht gewachsen wäre, blendet Schimanski Aufnahmen von Pegida-Demos ein. Wie einiges an Vorlage und Inszenierung wirkt dies ein wenig undifferenziert und plakativ. Zumal der Medien-Hype um den auferstandenen Hitler sich, zumindest im Stück, auf die vermeintlich geniale Nachahmung, sein „Method Acting“ bezieht und kein Bekenntnis zum Neo-Nazismus darstellt („Passen sie auf, sonst nimmt Sie noch irgendeiner ernst!“).

bu Julian Rickert zaubert Hitler "aus dem Hut".

Geniale "One-Man-Show"

Das Bemerkenswerteste an der äußerst temporeichen Inszenierung ist die „One-Man Show“ von Julian Ricker.  Neben seiner Rolle als Erzähler mimt er nicht nur den Führer mit seiner frenetisch-fanatischen Redeweise, sondern spielt in kabaretthafter Manier ganze Szenen mit verteilten Rollen, wechselt in Blitzgeschwindigkeit die Körperhaltung, Mimik, Gestik und den Sprachduktus um die jeweiligen Figuren im Gespräch darzustellen bzw. vorzuführen. Den Hitlerbart markiert er mit dem Zeigefinger bzw. mit einem Stück Panzertape, das - bedingt durch das schweißtreibende Spiel - nicht so recht kleben will und schließlich im Atemwind der Hitlerschen Parolen flattert wie eine Fahne. Ein nicht beabsichtigter, aber sehr komischer Effekt.

So galt den auch der große Applaus des Publikums zu einem beträchtlichen Teil dem Hauptdarsteller für 90 Minuten hochengagierte "Highspeed"-Komödie.

Info: Die Polit-Satire von Timur Vermes wurde 1,7 Millionen Mal verkauft und in 41 Sprachen übersetzt, auch die Hörspielfassung mit Christoph Maria Herbst eroberte die Bestsellerlisten. Unter der Regie von David Wnendt entstand mittlerweile auch ein Film mit Oliver Masucci in der Hauptrolle, der am 8. Oktober dieses Jahres in die Kinos kommt. Das Landestheaters Schwaben sicherte sich zeitgleich mit dem Westfälischen Landestheater  Castrop-Rauxel die Uraufführungsrechte.

Weitere Vorstellungen im Studio am 1., 4., 10., 14., 18, 20, 21. und 28. Februar und am 6. März.  Kartenreservierung unter Telefon 08331/9459-16.