Memmingen (as). Seit der Spielzeit 2013/14 ist der 27-jährige Christian Müller festes Ensemblemitglied am Landestheater Schwaben. Derzeit ist er als Richard Willey in der turbulenten Boulevard-Komödie „Außer Kontrolle“ des englischen Autors Ray Cooney im Stadttheater zu sehen. Es ist das erste feste Engagement des gebürtigen Braunschweigers und seine erste Komödienrolle. Wir unterhielten uns mit dem Schauspieler über seine Eindrücke, Erfahrungen und Ziele.
LOKALE: Herr Müller, Sie spielen derzeit die Hauptrolle in „Außer Kontrolle“. Davor verkörperten Sie den jungen Tempelherrn in „Nathan der Weise“, Morris Flynn in „Sherlock Holmes“, Pablo in „Endstation Sehnsucht“, „C“ in „Amoklauf mein Kinderspiel“. Welche Rolle, welches Stück war Ihr Favorit?
Müller: Es ist toll, dass ich hier so völlig verschiedene Rollen spielen kann. Ich lerne grundsätzlich gern, bin experimentierfreudig, will ganz viel erfahren und aufnehmen. mein "Lieblingsbaby" bisher war der "Amoklauf" - aber es tat auch sehr weh, diese Szenen zu spielen. Nach den Proben gingen wir oft bedrückt und schweigend nach Hause.
LOKALE: Ihre Performance in Berlin hat ein sozialpolitisches Thema, ich erlebe Sie als jemand, der gerne lacht im Grunde jedoch ernsthaft und nachdenklich ist. Wie fühlen Sie sich in der aktuellen Rolle, trifft die Komödie einen Nerv bei ihnen?
Müller: In der Schauspielschule hat mir das Genre nicht so gefallen. Doch die Erfahrung hier am Theater ist eine ganz andere. Damals habe ich vor ein paar Schülern als Testpublikum gespielt. Wenn mir hier das Lachen des Publikums entgegenschallt, stimmt mich das fröhlich, reißt mich mit. Ich ziehe viel Energie aus der Reaktion der Zuschauer.
LOKALE: Man hört immer wieder, dass eine Komödie, gerade wenn sie leicht und locker wirken soll, sehr anstrengend zu spielen ist Wie sehen Sie das?
Müller: Stimmt, die Komödie ist Knochenarbeit. Die Abläufe sind schnell, man ist ständig auf Achse. Doch nicht nur körperlich ist die Komödie sehr anstrengend, sie erfordert auch höchste Konzentration, denn die Komik ist eine Frage des präzisen Timings. "Außer Kontrolle" wirkt das Stück nur, wenn ich sofort schalte und stets den Überblick behalte.
LOKALE: Worauf muss ein Komödiendarsteller achten?
Müller: Auf die Dosierung. Man braucht ein bisschen Mut zur Albernheit, aber man darf den Bogen nicht überspannen und Lacher um jeden Preis erzeugen wollen, das wirkt aufgesetzt.
LOKALE: Also witzig sein ohne witzig sein zu wollen?
Müller: Ja, meine Figur strebt sowieso nicht an, die ist ja die ganze Zeit in höchstem Stress. Aber ich mag Stress, stehe gerne unter Zeitdruck, das kann ich hier voll ausleben.
LOKALE: Wie liefen die Proben für Sie? Wollen Sie auch weiterhin selbst inszenieren?
Müller: Für mich war es eine Offenbarung, hierher zu kommen. Ich bin froh, dass ich mich derzeit nur aufs Spielen konzentrieren kann, ohne mich um das Konzept zu kümmern. Ich bin chaotische Zustände gewöhnt, doch jetzt kann ich mich einfach mal fallen lassen.
LOKALE: Ist es leicht für Sie, sich den Weisungen des Regisseurs zu fügen?
Müller: Eigentlich bin ich einer, der in den Proben viel diskutiert und hinterfragt, doch ich wusste, dass Boulevard ein Spezialgebiet von Peter Kesten ist und habe mich einfach vertrauensvoll darauf eingelassen mit der Gewissheit: 'Der weiß schon, was er tut.'
LOKALE: Wie stellen Sie sich Ihre weitere Laufbahn vor?
Müller: Ich möchte viel herumkommen und auch mal ein richtiges Filmset erleben. Außerdem reizt mich das Projekt mit arbeitslosen Jugendlichen sehr. Hier würde ich gern einmal Regie führen, zumal ich zu Jugendlichen einen guten Draht habe.
LOKALE: Haben Sie einen Lieblingsautor?
Müller: Mein Lieblingsautor ist Friedrich Schiller, vor allem der "Don Carlos" hat mich gepackt Er war Thema meiner Diplomarbeit.
LOKALE: Welches Stück würden Sie außerdem gern inszenieren?
Müller: Eins von Anton Tschechow. Aber statt der Schwere, die er auf der Bühne meist hat, würde ich die Inszenierung mit Humor und Kraft ausstatten, auch Boulevardelement. Mein Tschechow wäre energieladen und schnell.
LOKALE: Sie lieben Berlin, sind ein Großstadtmensch. Wie fühlen Sie sich in Memmingen?
Müller: Natürlich muss ich mich ein bisschen umstellen, aber Memmingen ist eine lebenswerte Stadt. Ich empfinde sie als eine kleine Version von München. Berlin hat mich immer glücklich gemacht. Doch dort bin ich einer von unzähligen kellnernden Schauspielern. Und hier, nach einem Jahr im Festengagement, habe ich viel Selbstbewusstsein tanken können.
LOKALE: Herr Müller, herzlichen Dank für das interessante Gespräch!
INFO: Christian Müller, 1986 in Braunschweig geboren, begann mit 23 Jahren sein Studium an der Schauspielschule Charlottenburg in Berlin. Nach einem Praktikum beim Festival „Rendevouz á Cormatin“ des „Studio Théâtre d‘Asnières“ in Paris wirkte er als Tänzer in „Alte Liebe“ von Britta Pudelko & Stephan Müller im Dock11 (Berlin) mit. 2012, nach Abschluss der Schauspielausbildung, spielte eine Hauptrolle in dem Tanzspielfilm „Lafnetscha“ der italienischen Choreografin Veronika Riz. Letztes Jahr feierte seine dokumentarische Performance „Trust me. I‘m an Activist“ in Berlin Premiere, bei der er auch Regie führte.