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Ein widersprüchliches Urteil

Ergreifende Premiere von "Terror" am Landestheater

veröffentlicht am 26.03.2023
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Lars Koch (Michael Naroditski) bei der Befragung vor Gericht. Foto: LTS

Memmingen (sg). Langanhaltender Applaus hat die gut besuchte Premiere von "Terror" am Landestheater Schwaben in Memmingen gekrönt. Das bravourös gespielte Stück macht Bühne und Zuschauerraum gleichermaßen zum Gerichtssaal. Es ist ein juristisches Konstrukt, ein Schauspiel - doch zugleich ist es viel mehr: Das Stück von Ferdinand von Schirach stellt uns vor elementare Fragen unserer Zeit, in der Terroristen real sind. Es ist ein Stück, das aufzeigt wie widersprüchlich Gesetze, Moral und Rechtsprechung sein können. Und schließlich ist es eine Inszenierung, die emotional ergreift.

Zur Verhandlung steht der fiktive Fall des Piloten eines Kampfjets der Bundeswehr, Lars Koch, der 164 Menschen an Bord des Flugs LH 2047 von Berlin nach München am 26. Mai 2022 tötete. Die Maschine, von einem Terroristen entführt, nimmt Kurs auf die Allianz Arena, in der Deutschland gegen England spielt und in der sich 70.000 Menschen befinden.

Geständnis
Koch ist des mehrfachen Mordes angeklagt. Der junge Pilot gesteht, aber es war kein Mord, so seine Verteidigerin. Koch selbst gibt zu gegen Befehle gehandelt zu haben, in dem Bewusstsein 164 Menschen zu töten. Aber er konnte nicht 70.000 Menschen sterben lassen. Er halte zudem die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes für falsch die Abschussbefugnis aus dem Luftsicherheitsgesetz von 2005 zu streichen. (Dieses Gesetz ist nicht fiktiv und hat vorrangig den Zweck Attentate und Terroranschläge zu verhindern.)

Zeugenbefragung
Als Zeuge tritt zuerst der Generalleutnant der Luftwaffe, Christian Lauterbach auf. Er hat den Tag der Entführung miterlebt und maßgebliche Befehle gegeben. Der deutsche Luftraum werde normalerweise von der Nato überwacht, nur im Falle der Verteidigung werde die Luftwaffe aktiv. "Am 26. Mai ist es einfach gewesen. Der Terrorist hat den Piloten gezwungen die Entführung über Funk bekannt zu geben", so Lauterbach. Der Richter fragt sehr detailliert nach Vorgehen und Befehlen, bis hin zu der Möglichkeit das Flugzeug abzuschießen. Dieser Befehl kann jedoch nur von der Verteidigungsministerin kommen - und den gab es nicht. Das Flugzeug war noch über eine halbe Stunde in der Luft, bevor Koch schoss. Die Staatsanwältin zeigt sich daraufhin erstaunt, dass keiner der anwesenden in der Funkzentrale auf die Idee kam die Allianz Arena zu räumen, was laut Notfallplan 15 Minuten dauert - weder Vertreter des Innenministeriums, des Verteidigungsministeriums, der Bundespolizei noch der Bundeswehr. War es eine Wette, die Lauterbach einging, war er sich sicher, dass Koch schießen würde?
Als Nebenklägerin betritt eine junge verwitwete Frau die Bühne, deren Mann im Flugzeug saß, das Koch abschoss. Sie schildert den Tag und die Umstände aus ihrer Sicht als Betroffene.

Freispruch
Nach den Schlussplädoyers von Staatsanwältin, Verteidigerin und Koch selbst gibt es 20 Minuten Pause. Und danach zwei Türen, zu denen die Zuschauer wieder hineinkommen können: Rot für schuldig, grün für Freispruch. Die Stimmen werden gezählt.
Das Urteil bei der Premiere lautete schließlich: Freispruch.
Und doch ist eines sicher: Ein Urteil in diesem Fall ist nicht widerspruchsfrei möglich, so auch der Richter abschließend.