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"Ein Schmarotzer ist, wer hat und nicht abgibt" - Kabarett mit Anny Hartmann

veröffentlicht am 14.10.2016
Anny Hartmann

Anny Hartmann mimt einen zynischen IWF-Funktionär. Fotos: Sonnleitner

Memmingen (as). Sie ist rothaarig, frech und aufwieglerisch und redet wie ein Wasserfall: Zu seinem 20-jährigen Jubiläum lud das Frauennetzwerk Memmingen e.V. die Kabarettistin Anny Hartmann ein. Im Antoniersaal präsentierte sie ihr aktuelles Programm mit dem viel sagenden Titel: „Ist das Politik oder kann das weg?“ vor etwa 60 Zuschauer/innen.

Wer Angst vor Veränderungen hat, ist bei Anny Hartmann fehl am Platz, denn die Diplom-Volkswirtin kritisiert mit Witz, Verve und jovialem kölschen Charme nicht nur den Status quo und das Establishment, sie hat auch viele sozialrevolutionäre Ideen im Gepäck.

So plädiert die ehemalige Sparkassenangestellte für ein bedingungsloses Grundeinkommen von 1.500 Euro im Monat für jeden Bürger. „Das ist total finanzierbar“, hat sie schon im Studium errechnet und würde Neid und Konkurrenz aus der Gesellschaft verbannen. Nur müsse man das System halt umbauen. Als Stellschrauben nennt sie die Erbschafts- und Vermögens-, die Transaktions- und die Abgeltungssteuer.  Eine Umfrage habe ergeben, dass 80 Prozent der Bürger dennoch arbeiten und damit ein zusätzliches Einkommen haben würden: „Der Mensch möchte arbeiten und etwas Sinnvolles tun“, so Hartmann, „das kann alles sein außer Banker, Lobbyist und Heidi Klum", schränkt sie ein.

Arbeit neu bewerten

Anny Hartmann

Anny Hartmann plädiert für ein Anheben der Beitragsermessungsgrenze. Diese liegt bei 74.400 Euro Jahresverdienst. Sozialabgaben muss nur zahlen, wer weniger verdient.

„Ich konnte von meinem Job leben, aber niemand hat mich gefragt, ob ich MIT meinem Job leben kann“, gibt die quirlige Kölnerin zu bedenken. Wären die Menschen glücklich in ihrem Job, würde dies die Krankenkosten reduzieren, einsparen könne man dann auch die Beamten und Angestellten, „die sich mit der Prüfung und Schikane von Arbeitslosen beschäftigen“. Auch die Bewertung von Arbeit müsse sich ändern: „So ein Fußballer tut ja nix, der will ja nur spielen“, verdiene aber ein Vielfaches mehr als eine Krankenschwester.

Auf ihrer Sinnsuche im kapitalistischen System (das wir so gern „mit Demokratie verwechseln“), findet sie viele Unverhältnismäßigkeiten und Ungereimtheiten: „Wir sind gegen Sterbehilfe, exportieren aber Waffen in alle Welt.“ Der Einsatz von Tränengas sei im Krieg verboten, aber bei Demos erlaubt. Und „der Vernichtung unserer Privatsphäre zur Terrorabwehr stimmen wir zu, aber einem Tempolimit auf der Autobahn nicht“ (3.475 Menschen starben 2015 bei  Verkehrsunfällen, Anm. der Red..)

"Flüchtlinge sind Sündenböcke"

Eine große Rolle in ihrem Programm spielt die international berüchtigte „German Angst“ bzw. die Politiker, die damit spielen, um am „rechten Rand zu fischen“. So würden die Flüchtlinge zu Sündenböcken für alles, was in der Gesellschaft schief läuft. „Ein wahrer Sozialschmarotzer ist aber, wer hat und nicht abgibt“, definiert Anny Hartmann: Steuerhinterzieher und -vermeider wie Beckenbauer, oder Profiteure wie Ex-Volkswagen-Chef Martin Winterkorn, der "die Verantwortung für den VW-Skandal übernahm, indem er sich mit 28 Millionen Euro Abfindung verpisst hat“.

Erfrischend respektlos nimmt sie neben dem IWF - einem „sympathischen Kleingärtnerverein mit Inkassoabteilung“ - auch die Handelsabkommen TTIP und CETA aufs Korn, deren Ziel es sei, „Handelshemmnisse wie Arbeitsrecht, Kündigungsschutz und Umweltauflagen abzuschaffen“.

Natürlich hat die Hartmann auch zum Thema "Frauenrechte" etwas zu sagen, schließlich leben wir seit der Silvesternacht im Land der Frauenrechte: „Kaum langt der Muselmann mal ordentlich hin…“, schon gelte das „Nein“ einer Frau auch als „Nein“.

"Frauen zweifeln zu viel an sich selbst"

Den Frauen im Saal rät sie aus eigener Erfahrung, sich nicht in Selbstzweifeln zu ergehen, sondern berechtigte Forderungen wie die nach einer Gehaltserhöhung auch zu formulieren (Frauen verdienen nach wie vor 21 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen in der gleichen Position).

Damit es nicht zu ernst zugeht, lockert Anny Hartmann ihre wortgewandten Erklärungen immer mal wieder mit einem herzhaften Schenkelklopfer auf. Nach großem Beifall entlässt die Kabarettistin ihr Publikum mit der Bitte, "im Alltag klar Haltung zu zeigen" gegen Ungerechtigkeiten und Diskriminierung.

Das Vorschau-Bild zeigt Anny Hartmann mit der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Memmingen, Claudia Fuchs, die den Abend gemeinsam mit dem Fauennetzwerk organisiert hat.