Ein Plastinat für etwas stärkere Nerven: "Der fliegende Spagat". (Der Körper ist in der Mitte geteilt, um den Blick auf Organe und Rumpfmuskeln freizugeben.) Fotos: Sonnleitner
Ravensburg (as). Zugegeben: Etwas mulmig kann es einem schon werden, wenn man die abgedunkelte Oberschwabenhalle
mit den erleuchteten Präparaten und etwa 20 Ganzkörperplastinaten betritt. Doch
bald weicht das Unbehagen der Faszination über das, was einem so vertraut ist und doch von der Anschauung her so fern: Die Anatomie des eigenen Körpers – und
seiner Ästhetik. Viele ergänzende Informationen, Grafiken, Schautafeln und
Videos sorgen dafür, dass der Ausstellung kein Geisterbahn-Charakter anhaftet. Der Besucher begreift: Hier steht die Wissenschaft im Vordergrund.
Als „eine
großartige Möglichkeit, Einblicke zu erhalten, die bis vor wenigen Jahrzehnten
noch unmöglich waren“, bezeichnete Simon Blümcke, erster Bürgermeister der Stadt Ravensburg, "Körperwelten - eine Herzenssache" bei Eröffnung
der Ausstellung in der Oberschwabenhalle. Mit ihm begrüßte Thomas Fenzl von der
Geschäftsführung der Oberschabenhalle die Medienvertreter aus der Region zu
einer Pressekonferenz, an der auch zukünftige Körperspender teilnahmen.
" Berührende Begegnung mit sich selbst"
Kuratorin Dr. Angelina Whalley lobte den Standort Ravensburg, dessen großes Einzugsgebiet der Ausstellung bereits im Vorfeld 16.000 verkaufte Tickets bescherte und damit die Vorverkaufszahlen in den üblicherweise frequentierten Großstädte übertraf.
Die Kuratorin und Ärztin Dr. Angelina Whalley erläuterte das Anliegen der Ausstellung, die seit 1997 in Europa zu sehen ist, aus medizinischer Sicht. Der Besucher erfahre „eine tief berührende Begegnung mit sich selbst“, die den Blick auf das Leben und den Körper nachhaltig verändern könne. Es gehe darum, den Körper nicht mehr als selbstverständlich hinzunehmen, sondern als Ergebnis der eigenen, leider oft ungesunden, Lebensführung zu begreifen, so die Direktorin des Instituts für Plastination in Heidelberg.
„Wir pflegen Möbel und Autos, aber nicht unsere
Körper“, kritisierte auch Philosoph Prof. Dr. Franz Josef Wetz, zuständig für
den ethischen Aspekt der nicht unumstrittenen Schau, der zuletzt im Dezember
2015 vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg beschieden wurde, sie
verstoße gegen das Bestattungsgesetz.
"Dem Körper mit Würde und Respekt begegnen"
Prof. Wetz hingegen ist überzeugt, dass der Betrachter den echten Körper, das Original brauche, um den eigenen Körper als hochkomplexen, aber auch fragilen Organismus zu erleben, der auf unsere Wertschätzung und Fürsorge angewiesen sei, um gesund zu bleiben. So lerne er, der „zerbrechliche Voraussetzung der eigenen Existenz“ mit Würde und Respekt begegnen. Die direkte Anschauung ermögliche es, den Körper als Mitte unseres Lebens, als "Quelle unserer Selbst- und Welterfahrung und Austragungsort der Existenz" zu begreifen. "Die Ausstellung will auf die Ein-Maligkeit des Lebens aufmerksam machen", betonte der Philosoph. Es gehe nicht um den Tod, die Schau sei vielmehr "ein Fest des Lebens", das hier in seiner Struktur am toten Körper gezeigt werde, erklärte Prof. Wetz.
Ganzkörperplastinate wie Hürden- oder Staffelläufer zeigen den Körper in Aktion - hier als blankes Skelett, daneben von den über 620 Muskeln ummantelt, die durch die Sehnen mit den Knochen verbunden sind. In anderen Vitrinen ist das Geflecht des Nervensystems herausgearbeitet, das die Körperfunktionen reguliert. Anhand des "Arterienmannes" werden die Blutgefäße gezeigt.
Das Herz als zentrales Körperorgan, aber auch als Sitz der Gefühle steht im Mittelpunkt der Ausstellung. Erklärt wird auch die symbolische Bedeutung des Herzens in verschiedenen Kulturen und Religionen.
"Körperwelten" umfasst den Zyklus des Lebens von der
Zeugung bis ins hohe Alter. Die Exponate zeigen alle Stadien der fetalen
Entwicklung von der befruchteten Eizelle bis zum Säugling. Sie beschäftigt sich
auch mit dem Ende der Lebensreise und erklärt beispielsweise, was passiert,
wenn der Tod eintritt.
Im Mittelpunkt dieser Ausstellung steht das Herz mit
seinem weit verzweigten Gefäßsystem als zentrales Organ des Körpers. Wie
bei den übrigen ausgestellten Organen werden nicht nur Aufbau und Funktion erläutert, sondern auch häufige Erkrankungen und deren Ursachen
aufgezeigt. Kleinere Plastinate zeigen medizinische Hilfsmittel - Herzarterien
mit Stent oder Gelenksprothesen. "So sieht das also aus!" - Fasziniert
zeigten sich die Besucher von Magen- oder Krebsgeschwüren, Krankheiten, von
denen man andauernd hört oder liest, die man als Nicht-Mediziner aber nie zu
sehen bekommt.
Der pädagogische Aspekt fließt immer wieder mit ein,
wenn es um die richtige Körperhaltung oder den Einfluss der Ernährung auf die
Gesundheit geht. Die Folgen des Rauchens sind sehr eindrucksvoll am Plastinat
einer tiefschwarzen Lunge zu erkennen.
„Körperwelten“ ist vom 1. April bis 3. Juli Montag bis Freitag von 9 bis 18 Uhr sowie an Samstagen, Sonn- und Feiertagen von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Tickets im Vorverkauf sind online erhältlich unter reservix.de oder Telefon: 01806 - 700 733.
Mehr Infos unter www.koerperwelten.com/de/ravensburg