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Ein Abend „auf Augenhöhe“

Verleihung des Schwäbischen Literaturpreises in Memmingen

veröffentlicht am 14.10.2024
Schwäbischer Literaturpreis 2024 sg

Die Gewinner des Schwäbischen Literaturpreises 2024 freuten sich über die Auszeichnung, von links: Michael Lichtwarck-Aschoff, Bezirkstagspräsident Martin Sailer, Lilly Haller, Katharina Prestel, Andreas Schmid. Foto: Svenja Gropper

Memmingen (sg/dl). Der 19. Literaturpreis des Bezirks Schwaben wurde im Memminger Kreuzherrnsaal verliehen. Aus fast 140 Einsendungen wurden fünf Texte ausgezeichnet. Das diesjährige Thema „Auf Augenhöhe“ wurde dabei von den Preisträgern ganz unterschiedlich und vielseitig interpretiert.

Das Motto bezieht sich heuer auf den Hauptaufgabenbereich des Bezirks Schwaben, der als Träger der überörtlichen Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen und Pflegebedarf unterstützt, damit diese ihren Alltag möglichst selbstbestimmt gestalten können. Zugleich habe die Förderung von Literatur im Bezirk einen besonderen Stellenwert, denn literarische Texte geben einer Region ihr Gesicht, so Bezirkstagspräsident Martin Sailer. „Die Preisträgerinnen und Preisträger haben das Thema Inklusion unter dem Motto ‚Auf Augenhöhe‘ beeindruckend vielfältig umgesetzt – mal ganz konkret, mal in freier literarischer Auseinandersetzung, aber immer berührend. Wir konnten heute Abend erleben: Schwaben ist bunt! Und das ist gut so“, sagte Sailer.

Die einzelnen Autoren wurden in Videos kurz vorgestellt und lasen aus ihren bisher unveröffentlichten Texten vor. Musikalisch umrahmt wurde die Preisverleihung von Adriana Gabrian und Malwina Jakubowska mit Geige und Cello.

Irgendwo bellte ein Hund

Der Hauptpreis, mit 2.500 Euro dotiert, ging an den gebürtigen Stuttgarter Achim Jäger für seine Erzählung „Irgendwo bellte ein Hund“. Die zwölfköpfige Jury war beeindruckt von der durchgängigen Spannung und der fast stummen Kommunikation in seiner Coming-of-Age-Geschichte, in der mehr Blicke als gesprochene Worte gewechselt werden. In einem heißen Sommer versucht ein Jugendlicher, sich einem Mädchen anzunähern. Gleichzeitig ergründet er die Beziehung zu seinem Vater, mit dem er schlussendlich durch eine gemeinsame Anstrengung „auf Augenhöhe“ findet. Jäger war am Abend der Preisverleihung leider erkrankt und konnte den Preis nicht persönlich entgegennehmen.

Sodann wird Gernot L. auf Augenhöhe verbracht

Den zweiten Preis, mit 2.000 Euro dotiert, erhielt Michael Lichtwarck-Aschoff aus Stadtbergen - bereits Preisträger in früheren Jahren - für seinen Text „Sodann wird Gernot L. auf Augenhöhe verbracht“, der nach Ansicht der Jury das Motto der diesjährigen Ausschreibung „am ernstesten nahm und am vielfältigsten umkreiste“ – wobei zugleich eine Portion Humor mitschwingt. In seinem Beitrag kehrt Lichtwarck-Aschoff in sein früheres Berufsleben als Arzt zurück: Der Autor skizziert die Hierarchie in einer Klinik und schildert das Schicksal eines Patienten, der sich weit „unter der Augenhöhe“ des medizinischen Personals wiederfindet.

Bilder einer Ausstellung II- Fassung für Sehgeschädigte

Mit dem dritten Preis, dotiert mit 1.500 Euro, wurde Katharina Prestel auf dem Landkreis Ravensburg für ihren Beitrag „Bilder einer Ausstellung II“ ausgezeichnet. In ihrem Text mit dem Untertitel „Fassung für Sehgeschädigte“ übersetzt Prestel eine Kunstausstellung in literarische Worte. Nach Ansicht der Jury spreche sie mit ihren Beschreibungen auch alle anderen Sinne an: „Lesend und hörend fühlt, riecht, schmeckt, geht man durch diese ‚Ausstellung‘“, so Jury-Mitglied Theresia Dingelmaier in ihrer Laudatio.

Entgleist

Mit unerwarteten Blickwinkeln auf vermeintlich vertraute Motive überzeugte der junge Autor Andreas Schmid aus Augsburg die Jury, weswegen er für seinen Text „Entgleist“ mit dem Nachwuchspreis ausgezeichnet wurde. Er erhält 600 Euro sowie eine Einladung zur Meisterklasse Literatur bei der Sommerakademie der Schönen Künste 2025 in der Schwabenakademie Irsee, auf die er sich schon ganz besonders freue.

Aus dem Herzen, für die Seele

Dieses Jahr wurde zusätzlich ein „Anerkennungspreis für außergewöhnliche Leistungen“ an Lilly Haller aus Grünenbach (Lankreis Lindau) verliehen. Die 17-jährige Westallgäuerin hat das Motto „Auf Augenhöhe“ auf besondere Weise aufgegriffen. Haller hat eine schwere körperliche Behinderung, weshalb sie nicht sprechen kann. Ihren Körper kann sie beinahe nicht bewegen. Mit Hilfe ihrer Mutter Heike lernte sie im Alter von 13 Jahren mit Unterstützung zu schreiben. Mit 16 Jahren veröffentlichte Lilly Haller ihr Buch „Aus dem Herzen, für die Seele“, aus dem ihre Großmutter einige Texte vortrug. „Es ist sehr wichtig, dass Menschen mit Behinderung ernst genommen werden, denn sie haben eine zerbrechliche Seele“, war Hallers Botschaft an das sichtlich berührte Publikum, dem sie eine Tür in ihre Welt öffnete.