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Die Stimme muss lauter werden

Wirtschaft will sich gegen Talfahrt wehren

veröffentlicht am 14.11.2023
IHK 13.11.23

Andrea Thoma-Böck und Markus Anselment beim IHK-Konjunkturgespräch in Memmingen. Foto: Wolfgang Radeck

Memmingen (sg). Die aktuelle Konjunkturumfrage der IHK Schwaben zeigt in Zahlen, wie dramatisch die aktuelle wirtschaftliche Lage in der Region ist. Unternehmer und Verbände wie die IHK fordern dringende und vor allem sinnvolle politische Lösungen und wollen diese auch mit lauter Stimme einfordern.

Es gebe im Vergleich zum Frühjahr 2023 deutlich mehr negative Stimmen im Markt, die Erwartungen seien signifikant abgestürzt, berichtet Markus Anselment, stellvertretender IHK-Hauptgeschäftsführer, in einem Pressegespräch. Es gebe derzeit kaum Planungssicherheit, unter anderem bedingt durch Inflation, gestiegenes Zinsniveau und sehr hohe Energiepreise. In Memmingen und dem Unterallgäu liegt der Konjunkturindex sogar noch unterhalb des Index des Allgäus und ganz Schwaben – der Grund: Die hier angesiedelte Industrie spürt den Abwärtstrend im Branchenvergleich derzeit am meisten. Fast jeder zweite Arbeitsplatz in der Region ist in der Produktion, so Anselment. Es gebe vereinzelt schon wieder Kurzarbeit. 40 Prozent der Betriebe rechnen mit einer Verschlechterung ihrer Geschäftslage, das ist rund ein Drittel mehr als noch im Frühjahr.

Abwanderung ins Ausland

Standen bis vor zwei Jahren noch die Erweiterung der Kapazität des Unternehmens und Innovation von Produkten im Fokus für Investitionen, so stehen diese nun hinter Ersatzbeschaffungen, Rationalisierung und Umweltschutz. „Investitionen, die heute nicht getätigt werden, spüren wir in fünf bis zehn Jahren. Das ist alarmierend“, betont Anselment.
Hingegen werden Verlagerungen ins Ausland konkret, berichtet Andrea Thoma-Böck, Vorsitzende der IHK-Regionalversammlung Memmingen und Unterallgäu. Rund jedes zehnte energieintensive Unternehmen und rund jedes fünfte Unternehmen aus der Chemie- und Pharmabranche aus Bayern plane ins Ausland zu gehen. Dabei sind auch für die regionale Wirtschaft wichtige Zulieferer.

Bürokratie-Burnout

Die Rahmenbedingungen der Wirtschaftspolitik (hohe Energiepreise, Gebäudeenergiegesetz, Inflation und Lieferkettengesetz) sind das größte Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung, so Thoma-Böck und zitiert unter anderem den Begriff des „Bürokratie-Burnouts“, den Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) geprägt hat. Von Entbürokratisierung sei man jedoch noch weit entfernt. „Wir binden zu viel personelle Ressourcen mit Bürokratie“, so Thoma-Böck. Das mache Deutschland im internationalen Wettbewerb zunehmend unattraktiv. „Noch nie war der Frust der Unternehmer so groß wie jetzt“, macht Thoma-Böck deutlich. „Die Wirtschaft ist krank, aber das ist ein hausgemachtes Problem aufgrund von fehlgeleiteter Politik. Wir fühlen uns der unternehmerischen Freiheit beraubt.“

Energie als Schlüssel

Laut der Konjunkturumfrage stellen die Energie- und Rohstoffpreise nach wie vor das zweitgrößte Risiko für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung dar. Kraftwerke ohne Not abzuschalten sei „ein neues Level“ und zeuge von Ideologie statt von Vernunft, kritisiert Thoma-Böck. Derzeit bewegen sich die Energiepreise auf einem Niveau von 300 Prozent, erklärt Anselment und macht deutlich: „Auf dem Niveau kriegen wir die Wirtschaft in Deutschland nicht in den Griff und können keine Perspektive bieten. Es ist eine Spirale: Die Energie treibt die Inflation, wodurch die Inlandsnachfrage sinkt. Deutsche Produkte werden letztlich nicht mehr wettbewerbsfähig sein.“ Dabei seien zur Grundsicherung 50 Gaskraftwerke im Koalitionsvertrag vorgesehen, ergänzt IHK-Pressesprecher Thomas Schörg. Die allerdings nur auf dem Papier bestehen.

Es wird unbezahlbar

Die Firmen äußern ihren Unmut immer stärker und auch Verbände wie die IHK oder die Gewerkschaften erheben ihre Stimme. Gleichzeitig räumt Unternehmerin Thoma-Böck ein: „Wir waren die letzten zwanzig Jahre viel zu leise um das Thema.“ Insbesondere die letzten fünf Jahre, denn der Abwärtstrend zeichne sich bereits seit 2018 ab, stimmt Anselment zu.
„Der Mittelstand hat über Generationen den Wohlstand in Deutschland gesichert. Das wird von der Politik derzeit kaputt gemacht. Es wird unbezahlbar werden, das muss beim Bürger ankommen!“, so Anselment und Thoma-Böck nachdrücklich.

Rückgang auch im Handwerk

Noch läuft es bei den meisten Handwerksbetrieben weitgehend rund, wie aus der aktuellen Herbstumfrage der Handwerkskammer Schwaben hervorgeht. Doch neue Aufträge kommen immer spärlicher, die Auftragsbestände sinken und die Zukunftserwartungen verschlechtern sich. „Wir bemerken eine schleichende Abwärtsspirale. Der Einbruch der Handwerkskonjunktur erfolgt nicht abrupt, sondern vollzieht sich in kleinen Schritten. Umso mehr ist die Politik aufgerufen, das Ruder herumzureißen und die Zeichen auf Wachstumsförderung zu stellen. Wir brauchen mehr Schlagkraft“, erklärt Ulrich Wagner, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Schwaben.